Die Bibel berichtet es glaube ich im Markus-Evangelium. Da ist ein gläubig lebender Vater mit zwei Söhnen, von denen der Erste die Familie verläßt und "in Sünde" lebt. Dann kehrt er nach Jahren zurück, schämt sich, weil er gesündigt hat und die Familie verlassen hat, bittet den ihm freudig um den Hals fallenden Vater um Verzeihung und wird mit einem grossen Fest wieder aufgenommen. Den Abschluß der Geschichte bildet der Bruder des verlorenen Sohnes, der diesem das Fest neidet, weil er es nicht verdient hätte.
Die Geschichte kann natürlich familiär betrachtet werden, so wie sie aufgeschrieben ist. Oder aber man wendet sie auf den einzelnen Menschen an, der sich entfernt, verloren geht, und dann wieder unter "sein Dach" zurückkehrt.
"Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, und so wird meine Seele gesund." So betet man in der römisch-katholischen Kirche während der Eucharistie-Feier. Man ist sich bewusst, Sünder zu sein. Und eben nicht perfekt. Eben nicht so, wie Gott einen haben will. Sondern man ist eben wirklich oft egoistisch, auch wenn man es nicht bemerkt, und erledigt eigene Dinge statt Dinge, die allen dienen. Man erhöht sich, statt zu erkennen, daß man klein ist. Daß man Angst hat. Daß man eine Sehnsucht und ein Verlangen hat, das man versucht zu stillen, vielleicht in der Fremde, aber man erkennt: das alles ist es nicht, was das Herz erfüllt. Sondern es ist letztlich Konsum.
Man ersehnt sich doch - je nach Lebensphase und -weg natürlich - ein Ankommen. Ein Leben ohne das Gefühl des Mangels. Der Mensch versucht, diesen Mangel zu beseitigen durch das Anhäufen von Gütern, er zerstört dabei die Umwelt, rottet Tiere aus, vernichtet die Natur. Alles nur, letztlich, wegen des Gefühls des Mangels. Man will mehr, immer mehr, immer weiter, immer höher. Warum? Wegen des Mangels, den man empfindet. "Man kann es jetzt noch nicht" - also probiert man es morgen und hält das für Weiterentwicklung.
Es liest sich so, als ob eigentlich die gesamte Menschheit ein "verlorener Sohn" wäre.