K
Karuna
Guest
Es war einer dieser Abende, wo alles schief zu laufen drohte.
Volles Haus, die Tische im Restaurant überbucht und die Spülfrau krank. In der Küche herrschte bereits das Chaos.
Chico, der Kellner war mit dem Auto unterwegs, schnellstens eine Aushilfe aufzutreiben. Hoffentlich würde er jemanden bringen. Hoffentlich.
Es war schon halb sieben.
In einer halben Stunde beginnt der Ansturm., dachte Silvie, sie atmete einmal tief durch und lächelte in die Runde.
Wir schaffen das schon, verkündete sie im Brustton der Überzeugung. Sie zog sich rasch ihre Kochjacke an und band sich ihre Schürze um.
Wir haben nur zwei Langusten, gab Ricardo, ihr Sous -Chef finster zurück. Heute kommt Mr Stewart Clark zu sechst, die essen sicher Langustencocktail. Jansen kommt zu zweit und hat bereits Languste Thermidor bestellt.
Bestens, dann reservieren wir die Langusten nur für diese beiden Tische
Wir haben sechzig Reservierungen Dona Silvia
Ich weiß, ich weiß, Ricardo. Silvie begann mit ihren üblichen Vorbereitungen. Wir haben nun einmal August, mehr frische Langusten waren heute einfach nicht aufzutreiben.
Ich lasse mir da was einfallen, rief sie Ricardo durch den Lärm des laufendes Mixers zu.
Silvie bereitete noch schnell die Balsamico Mayonnaise für die Krustentiere zu.
In der Spüle türmten sich bereits die großen Töpfe, Pfannen und Kasserollen, während Ricardo Saucen passierte und sein Mise en Place vorbereitete.
Rosario arbeitete still und konzentriert. Sie richtete das heutige Amuse Guelle vor: Entenleberparfait an Portweingelee.
Ist alles mit dir in Ordnung Rosario?, erkundigte sich Silvie.
Ja, schon, ich habe ein bisschen Kopfdruck heute.
Verstehe. Silvie probierte die Balsamico Sauce, gab noch etwas mehr gehackten Estragon dazu. Das ist der Südwind heute. Dieser Levante macht die Leute alle ein wenig bedrückt.
Sie stellte die Sauce kalt. Möchtest du eine Tablette Rosario?
Gerne, Donna Silvia. Sie nickte.
Silvie holte für sie eine Tablette aus dem Schrank, brachte ihr ein Glas Wasser und reichte ihr beides.
Dann kostete sie die Saucen. Schließlich ging sie noch einmal die Runde, besprach mit Antonio, dem zweiten Kellner, die Sitzorganisation. Das Telefon klingelte unterdessen mehrmals.
Nein, wir sind heute völlig ausgebucht, konnte sie nur entschuldigend antworten. Möchten Sie morgen kommen?
Inzwischen kam Chico. Er brachte seine Verlobte mit und meinte, seine Maria würde heute abwaschen.
Willkommen bei uns Maria, begrüßte sie Silvie. Du kannst gleich anfangen.
Punkt sieben wurde die Eingangstür zum Restaurant geöffnet. Beflissen geleiteten die Kellner die hereinkommenden Gäste an die Tische.
Es herrschte eine behagliche Atmosphäre, geschaffen durch die besonders farbigen Ölgemälde an den Wänden. Auch die vielen Farne und Zimmerpalmen in glasierten Terrakottatöpfen brachten Harmonie in das Ambiente. Gedämpft klang Vivaldis Musik Vier Jahreszeiten durch den Raum.
Oh, was für ein schöner Platz! Misses Clark lächelte Chico an. Wir freuen uns immer bei Ihnen zu dinieren, es ist jedes Mal ein Erlebnis.
Danke Misses Clark. Chico verbeugte sich höflich. Wünschen die Herrschaften, so wie immer, eisgekühlten Port? Er zündete die Kerze am Tisch an. Senhor Thomas muss jeden Augenblick hier sein.
Während der geschäftige, leise und unaufdringliche Betrieb im Restaurant begann, nützte Silvie die für sie noch verbleibenden wenigen Minuten. Sie setzte sich hinten im Lagerraum auf die Flaschenkisten. Durch die offene Lieferantentür erblickte sie den Abendhimmel. Die Vögel sangen ihr Abendlied, begrüßten die herankommende Nacht.
Weitere Autotüren, die zugeschlagen wurden. Weitere ankommende Gäste in eleganten Abendgarderoben von Armani und Versace. Dann kam ihr Mann herein.
Hallo Liebling, begrüßte er sie.
Hallo Thomas, bitte denke daran: wir haben nur zwei Langusten, die bleiben für Mister Clark und Jansen reserviert. Verkaufe dafür Gambas und Taschenkrebs.
Alles klar mein Schatz. Thomas gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und eilte zu seinen Gästen.
Was habe ich mir da für ein Leben ausgesucht? fragte sie sich. Ich habe einmal die Geister gerufen und jetzt sind sie da. Ich kann es nicht mehr stoppen, dieses mein Leben.
Ja, gewiss, ich mache andere Menschen glücklich. Wir bekommen Lob und haben uns einen Namen gemacht, aber der Preis, den ich dafür zahle ist hoch.
Die Ruhe und Sicherheit, die ich ausstrahle, habe ich nicht immer, aber meine Brigade in der Küche erwartet sie von mir. Das kostet manchmal Kraft, wenn ich dann so tun muss als ob.
Oh Gott! Ich muss, ich muss...
Wo bleibt mein eigenes Wohlbefinden? Silvie dachte an November, noch fast drei Monate harte Arbeit lagen bis dahin vor ihr...
Donna Silvia, sie müssen jetzt kommen, hörte sie Rosario rufen. Silvie atmete noch einmal die frische Abendluft ein und ging zurück in die Küche.
Die ersten Bestellungen kamen. Der Service lief ab wie ein Uhrwerk.
Vier East meets West Menüs für Tisch 4, bestellte Thomas, der Big Boss.
Die Konzentration von der kleinen Küchenbrigade war auf das Äußerste angespannt. Es folgten weitere Bestellungen. Vorspeisen, Hauptgerichte. Weitere Tische, Sonderwünsche und besondere Anliegen, wie viel Gemüse oder eine andere Sauce zum Fisch.
Die Bestellungen und nahmen zu. Das Arbeiten verlief schneller und schneller, denn es ging um Sekunden.
Wie soll ich jetzt Orangen- Soufflee machen?, fragte Silvie ihren Mann. Zuerst muss der Wolfsbarsch für die zehn Personen raus!
Ricardo, wie weit ist der Fisch?
Fast fertig!
Sauce?
Ja.
Gemüse?
Steht.
Rosario, zehn Teller bitte aus dem Rechaud.
Rosario stellte die vorgewärmten Teller auf die Anrichte. Schnell, ruhig und konzentriert wurden zehn Teller von Silvie und ihrem Sous Chef angerichtet.
Rosario?
Ja?
Kannst du bitte die Eier für das Soufflee schlagen?, bat Silvie, während sie Gemüse und Pommes nature auf den Tellern verteilte.
Rosario begann acht Eiklar zu schlagen. Der Lärm in der Küche war ohrenbetäubend. Die Abzugshaube musste ununterbrochen laufen. Die Temperatur betrug inzwischen 45 Grad.
Ricardo montierte die Champagnersauce mit ein wenig Butter auf und löffelte sie vorsichtig auf die knusprigen Fischfilets.
Raus mit den Tellern. Los!, gab Silvie das Kommando.
Beide Kellner brachten rasch die Teller zur großen Tafel, wo zehn Gäste in angeregter Konversation an ihren Weißweingläsern nippten. Andächtiges Schweigen. Dann begannen sie mit diskretem Besteckklappern, ihren Loup de Meer in Champagnersauce bei Mozarts Kleiner Nachtmusik zu zelebrieren.
Rosario, kannst du bitte zwei mal Topfenschaum für Tisch sieben zubereiten?, bat Silvie, während sie Orangenscheiben in eine Auflaufform gab und mit Grand Marnier beträufelte.
Dann schichtete sie vorsichtig die Eier Mandelmasse darüber und schob die Formen in den Ofen.
Was ist mit dem Soufflee?, erkundigte sich Thomas inzwischen besorgt.
Marschiert! Silvie holte die Souffleeformen aus dem Ofen und überstäubte sie dick mit Puderzucker.
Los, Chico lauf zu!, mahnte sie und überreichte die Formen rasch dem Kellner.
Ich verstehe kein bayrisch. Grinsend entschwand Chico mit dem luftigem, aber so hochsensiblen Dessert aus der Küche.
Ricardo? das Lamm! , rief Silvie ihm zu.
Noch zehn Minuten.
Gut. Solange schicke ich die Vorspeisen für Tisch 8 heraus.
In Windeseile bereitete sie Honigmelonen mit Gambas und Cocktailsauce zu. Nachdem die Vorspeisen raus waren, überprüfte Silvie die weiteren Bestellzettel.
Rosario, zwei mal Lasangna für Kinder, Tisch 11.
Lamm marschiert! verkündete Ricardo.
Rosario, acht Teller, bat Silvie und klingelte nach den Kellnern.
Bevor sie mit Ricardo die Teller anrichtete, wischte sie sich den Schweiß mit einem nassen Handtuch von der Stirn.
Kartoffelgratin, Gemüse als Bouquet und Lammrücken in der Kräuterkruste. Dazu kam etwas Lammglace mit frischer Minze parfümiert auf den Teller.
Oh Leute, rief Silvie laut, als die acht Teller raus waren. Ich bin reif für die Insel...
Bora-Bora antworteten Rosario und Ricardo wie im Chor.
Ja, Bora-Bora!, rief Silvia laut in den Küchenlärm hinein. Dort muss ich hin, sonst überstehe ich das heute nicht mehr.
Ja, Bora-Bora. Sie schaffen es Senhora, meinte Ricardo. Sie werden dort hin reisen.
Vier Enten a lOrange, bestellte Thomas gerade
Geht klar Chef rief Ricardo aufgeräumt. Wird mich beeilen, wollen schließlich alle heute noch nach Bora-Bora!.
Alle lachten und Ricardo begann einen Hula-Hula Tanz zu vollführen, dann ging er schleunigst nach den Enten schauen.
Der Durst war zu groß. Silvie hatte endlich Zeit, einen halben Liter Wasser runter zu kippen.
Dann half sie Maria, Chicos Verlobten, die sich tapfer hielt. Aber es war einfach zu viel Geschirr, sie half ihr beim Teller abtrocknen.
Silvie schaute auf ihre Pinnwand. Dort prangte ein riesengroßes Foto von Bora-Bora.
Die Südsee... dachte sie. Kleine Bungalows, auf Holzstegen über dem Wasser der Lagune gebaut. Von der Terrasse springt man direkt in das türkisfarbene Wasser des Atolls.
Schnorcheln in der Lagune mit Thomas, Spaziergänge, um die Insel zu erkunden. Paradiesische Ruhe, nur das Singen der Vögel in den Bäumen und das Rauschen des sanften Windes. Klare Sternennächte, wo sie alles mit ihrem geliebten Göttergatten nachholen wollte, was sie jetzt so vermisste. Da blieb einfach keine Zeit für nichts, bei einem sechzehn Stunden Tag sechs mal die Woche...
Donna Silvia, die Enten; holte Ricardos Stimme wieder in ihre Küche zurück, wo sie dringend gebraucht wurde.
Zusammen richteten Silvie und Ricardo die Enten an. Die Stimmung in der Küche war jetzt locker. Alle waren in Höchstform. Ricardo stimmte das Lied Bora-Bora an:
Bora-Bora
Bora-Bora
hey hey hey
Bora-Bora.
Und alle sangen mit. Leise, damit die Gäste nicht gestört würden.
Thomas kam und bestellte acht verschiedene Desserts für den zehner Tisch.
Was soll ich machen?, er hob hilflos die Arme. Unsere Nachspeisen sind berühmt.
Silvie und Rosario arbeiteten zusammen an den Nachspeisen: Apfelstrudel, Mousse Blanc,
und Marilleneisknödel. Der Japanische Garten, war ein Ingwerkrokant Mousse aus weißer Schokolade mit einer filigran Schokoladenbrücke, die von einer Mousse Nocke zur anderen herüber führte, Orangensauce und Kiwi Scheiben mit winzigen Minzeblättchen dienten als Dekoration. Passionsfruchtsorbet, Erdbeeren auf eisgekühltem Champagnerschaum und Lavendelhonigeisparfait.
Dann kam Thomas in die Küche.
Silvie, du hast gerade eines deiner Bilder an Mister Clark verkauft. Der *Sternenreiter* . Thomas strahlte.
Hast du ihm den Preis gesagt?
Ja.
Zehntausend Euro?
Ja, sicher. Thomas lächelte sie an. Der Mann hat Geld genug. Der Kauf ist bereits beschlossene Sache. Er will dich nur noch wegen dem Verpacken sprechen, die Clarks reisen morgen ab und wollen das Bild mitnehmen.
Silvie ging zu ihm rüber. Dann klatschte sie ihre Hand gegen seine.
Give me a five!
Give me your hand, antwortete er glücklich. Komm jetzt bitte, Mister Clark erwartet dich.
Silvie wischte sich nochmals den Schweiß sorgfältig von ihrem Gesicht.
Bora-Bora, sagte sie zu sich leise. Ja, im November fliegen wir hin... Ihre Augen leuchteten.
Dann ging sie aus der Küche zu Mister Clark.
Text von Karuna
Sept. 2004
Volles Haus, die Tische im Restaurant überbucht und die Spülfrau krank. In der Küche herrschte bereits das Chaos.
Chico, der Kellner war mit dem Auto unterwegs, schnellstens eine Aushilfe aufzutreiben. Hoffentlich würde er jemanden bringen. Hoffentlich.
Es war schon halb sieben.
In einer halben Stunde beginnt der Ansturm., dachte Silvie, sie atmete einmal tief durch und lächelte in die Runde.
Wir schaffen das schon, verkündete sie im Brustton der Überzeugung. Sie zog sich rasch ihre Kochjacke an und band sich ihre Schürze um.
Wir haben nur zwei Langusten, gab Ricardo, ihr Sous -Chef finster zurück. Heute kommt Mr Stewart Clark zu sechst, die essen sicher Langustencocktail. Jansen kommt zu zweit und hat bereits Languste Thermidor bestellt.
Bestens, dann reservieren wir die Langusten nur für diese beiden Tische
Wir haben sechzig Reservierungen Dona Silvia
Ich weiß, ich weiß, Ricardo. Silvie begann mit ihren üblichen Vorbereitungen. Wir haben nun einmal August, mehr frische Langusten waren heute einfach nicht aufzutreiben.
Ich lasse mir da was einfallen, rief sie Ricardo durch den Lärm des laufendes Mixers zu.
Silvie bereitete noch schnell die Balsamico Mayonnaise für die Krustentiere zu.
In der Spüle türmten sich bereits die großen Töpfe, Pfannen und Kasserollen, während Ricardo Saucen passierte und sein Mise en Place vorbereitete.
Rosario arbeitete still und konzentriert. Sie richtete das heutige Amuse Guelle vor: Entenleberparfait an Portweingelee.
Ist alles mit dir in Ordnung Rosario?, erkundigte sich Silvie.
Ja, schon, ich habe ein bisschen Kopfdruck heute.
Verstehe. Silvie probierte die Balsamico Sauce, gab noch etwas mehr gehackten Estragon dazu. Das ist der Südwind heute. Dieser Levante macht die Leute alle ein wenig bedrückt.
Sie stellte die Sauce kalt. Möchtest du eine Tablette Rosario?
Gerne, Donna Silvia. Sie nickte.
Silvie holte für sie eine Tablette aus dem Schrank, brachte ihr ein Glas Wasser und reichte ihr beides.
Dann kostete sie die Saucen. Schließlich ging sie noch einmal die Runde, besprach mit Antonio, dem zweiten Kellner, die Sitzorganisation. Das Telefon klingelte unterdessen mehrmals.
Nein, wir sind heute völlig ausgebucht, konnte sie nur entschuldigend antworten. Möchten Sie morgen kommen?
Inzwischen kam Chico. Er brachte seine Verlobte mit und meinte, seine Maria würde heute abwaschen.
Willkommen bei uns Maria, begrüßte sie Silvie. Du kannst gleich anfangen.
Punkt sieben wurde die Eingangstür zum Restaurant geöffnet. Beflissen geleiteten die Kellner die hereinkommenden Gäste an die Tische.
Es herrschte eine behagliche Atmosphäre, geschaffen durch die besonders farbigen Ölgemälde an den Wänden. Auch die vielen Farne und Zimmerpalmen in glasierten Terrakottatöpfen brachten Harmonie in das Ambiente. Gedämpft klang Vivaldis Musik Vier Jahreszeiten durch den Raum.
Oh, was für ein schöner Platz! Misses Clark lächelte Chico an. Wir freuen uns immer bei Ihnen zu dinieren, es ist jedes Mal ein Erlebnis.
Danke Misses Clark. Chico verbeugte sich höflich. Wünschen die Herrschaften, so wie immer, eisgekühlten Port? Er zündete die Kerze am Tisch an. Senhor Thomas muss jeden Augenblick hier sein.
Während der geschäftige, leise und unaufdringliche Betrieb im Restaurant begann, nützte Silvie die für sie noch verbleibenden wenigen Minuten. Sie setzte sich hinten im Lagerraum auf die Flaschenkisten. Durch die offene Lieferantentür erblickte sie den Abendhimmel. Die Vögel sangen ihr Abendlied, begrüßten die herankommende Nacht.
Weitere Autotüren, die zugeschlagen wurden. Weitere ankommende Gäste in eleganten Abendgarderoben von Armani und Versace. Dann kam ihr Mann herein.
Hallo Liebling, begrüßte er sie.
Hallo Thomas, bitte denke daran: wir haben nur zwei Langusten, die bleiben für Mister Clark und Jansen reserviert. Verkaufe dafür Gambas und Taschenkrebs.
Alles klar mein Schatz. Thomas gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und eilte zu seinen Gästen.
Was habe ich mir da für ein Leben ausgesucht? fragte sie sich. Ich habe einmal die Geister gerufen und jetzt sind sie da. Ich kann es nicht mehr stoppen, dieses mein Leben.
Ja, gewiss, ich mache andere Menschen glücklich. Wir bekommen Lob und haben uns einen Namen gemacht, aber der Preis, den ich dafür zahle ist hoch.
Die Ruhe und Sicherheit, die ich ausstrahle, habe ich nicht immer, aber meine Brigade in der Küche erwartet sie von mir. Das kostet manchmal Kraft, wenn ich dann so tun muss als ob.
Oh Gott! Ich muss, ich muss...
Wo bleibt mein eigenes Wohlbefinden? Silvie dachte an November, noch fast drei Monate harte Arbeit lagen bis dahin vor ihr...
Donna Silvia, sie müssen jetzt kommen, hörte sie Rosario rufen. Silvie atmete noch einmal die frische Abendluft ein und ging zurück in die Küche.
Die ersten Bestellungen kamen. Der Service lief ab wie ein Uhrwerk.
Vier East meets West Menüs für Tisch 4, bestellte Thomas, der Big Boss.
Die Konzentration von der kleinen Küchenbrigade war auf das Äußerste angespannt. Es folgten weitere Bestellungen. Vorspeisen, Hauptgerichte. Weitere Tische, Sonderwünsche und besondere Anliegen, wie viel Gemüse oder eine andere Sauce zum Fisch.
Die Bestellungen und nahmen zu. Das Arbeiten verlief schneller und schneller, denn es ging um Sekunden.
Wie soll ich jetzt Orangen- Soufflee machen?, fragte Silvie ihren Mann. Zuerst muss der Wolfsbarsch für die zehn Personen raus!
Ricardo, wie weit ist der Fisch?
Fast fertig!
Sauce?
Ja.
Gemüse?
Steht.
Rosario, zehn Teller bitte aus dem Rechaud.
Rosario stellte die vorgewärmten Teller auf die Anrichte. Schnell, ruhig und konzentriert wurden zehn Teller von Silvie und ihrem Sous Chef angerichtet.
Rosario?
Ja?
Kannst du bitte die Eier für das Soufflee schlagen?, bat Silvie, während sie Gemüse und Pommes nature auf den Tellern verteilte.
Rosario begann acht Eiklar zu schlagen. Der Lärm in der Küche war ohrenbetäubend. Die Abzugshaube musste ununterbrochen laufen. Die Temperatur betrug inzwischen 45 Grad.
Ricardo montierte die Champagnersauce mit ein wenig Butter auf und löffelte sie vorsichtig auf die knusprigen Fischfilets.
Raus mit den Tellern. Los!, gab Silvie das Kommando.
Beide Kellner brachten rasch die Teller zur großen Tafel, wo zehn Gäste in angeregter Konversation an ihren Weißweingläsern nippten. Andächtiges Schweigen. Dann begannen sie mit diskretem Besteckklappern, ihren Loup de Meer in Champagnersauce bei Mozarts Kleiner Nachtmusik zu zelebrieren.
Rosario, kannst du bitte zwei mal Topfenschaum für Tisch sieben zubereiten?, bat Silvie, während sie Orangenscheiben in eine Auflaufform gab und mit Grand Marnier beträufelte.
Dann schichtete sie vorsichtig die Eier Mandelmasse darüber und schob die Formen in den Ofen.
Was ist mit dem Soufflee?, erkundigte sich Thomas inzwischen besorgt.
Marschiert! Silvie holte die Souffleeformen aus dem Ofen und überstäubte sie dick mit Puderzucker.
Los, Chico lauf zu!, mahnte sie und überreichte die Formen rasch dem Kellner.
Ich verstehe kein bayrisch. Grinsend entschwand Chico mit dem luftigem, aber so hochsensiblen Dessert aus der Küche.
Ricardo? das Lamm! , rief Silvie ihm zu.
Noch zehn Minuten.
Gut. Solange schicke ich die Vorspeisen für Tisch 8 heraus.
In Windeseile bereitete sie Honigmelonen mit Gambas und Cocktailsauce zu. Nachdem die Vorspeisen raus waren, überprüfte Silvie die weiteren Bestellzettel.
Rosario, zwei mal Lasangna für Kinder, Tisch 11.
Lamm marschiert! verkündete Ricardo.
Rosario, acht Teller, bat Silvie und klingelte nach den Kellnern.
Bevor sie mit Ricardo die Teller anrichtete, wischte sie sich den Schweiß mit einem nassen Handtuch von der Stirn.
Kartoffelgratin, Gemüse als Bouquet und Lammrücken in der Kräuterkruste. Dazu kam etwas Lammglace mit frischer Minze parfümiert auf den Teller.
Oh Leute, rief Silvie laut, als die acht Teller raus waren. Ich bin reif für die Insel...
Bora-Bora antworteten Rosario und Ricardo wie im Chor.
Ja, Bora-Bora!, rief Silvia laut in den Küchenlärm hinein. Dort muss ich hin, sonst überstehe ich das heute nicht mehr.
Ja, Bora-Bora. Sie schaffen es Senhora, meinte Ricardo. Sie werden dort hin reisen.
Vier Enten a lOrange, bestellte Thomas gerade
Geht klar Chef rief Ricardo aufgeräumt. Wird mich beeilen, wollen schließlich alle heute noch nach Bora-Bora!.
Alle lachten und Ricardo begann einen Hula-Hula Tanz zu vollführen, dann ging er schleunigst nach den Enten schauen.
Der Durst war zu groß. Silvie hatte endlich Zeit, einen halben Liter Wasser runter zu kippen.
Dann half sie Maria, Chicos Verlobten, die sich tapfer hielt. Aber es war einfach zu viel Geschirr, sie half ihr beim Teller abtrocknen.
Silvie schaute auf ihre Pinnwand. Dort prangte ein riesengroßes Foto von Bora-Bora.
Die Südsee... dachte sie. Kleine Bungalows, auf Holzstegen über dem Wasser der Lagune gebaut. Von der Terrasse springt man direkt in das türkisfarbene Wasser des Atolls.
Schnorcheln in der Lagune mit Thomas, Spaziergänge, um die Insel zu erkunden. Paradiesische Ruhe, nur das Singen der Vögel in den Bäumen und das Rauschen des sanften Windes. Klare Sternennächte, wo sie alles mit ihrem geliebten Göttergatten nachholen wollte, was sie jetzt so vermisste. Da blieb einfach keine Zeit für nichts, bei einem sechzehn Stunden Tag sechs mal die Woche...
Donna Silvia, die Enten; holte Ricardos Stimme wieder in ihre Küche zurück, wo sie dringend gebraucht wurde.
Zusammen richteten Silvie und Ricardo die Enten an. Die Stimmung in der Küche war jetzt locker. Alle waren in Höchstform. Ricardo stimmte das Lied Bora-Bora an:
Bora-Bora
Bora-Bora
hey hey hey
Bora-Bora.
Und alle sangen mit. Leise, damit die Gäste nicht gestört würden.
Thomas kam und bestellte acht verschiedene Desserts für den zehner Tisch.
Was soll ich machen?, er hob hilflos die Arme. Unsere Nachspeisen sind berühmt.
Silvie und Rosario arbeiteten zusammen an den Nachspeisen: Apfelstrudel, Mousse Blanc,
und Marilleneisknödel. Der Japanische Garten, war ein Ingwerkrokant Mousse aus weißer Schokolade mit einer filigran Schokoladenbrücke, die von einer Mousse Nocke zur anderen herüber führte, Orangensauce und Kiwi Scheiben mit winzigen Minzeblättchen dienten als Dekoration. Passionsfruchtsorbet, Erdbeeren auf eisgekühltem Champagnerschaum und Lavendelhonigeisparfait.
Dann kam Thomas in die Küche.
Silvie, du hast gerade eines deiner Bilder an Mister Clark verkauft. Der *Sternenreiter* . Thomas strahlte.
Hast du ihm den Preis gesagt?
Ja.
Zehntausend Euro?
Ja, sicher. Thomas lächelte sie an. Der Mann hat Geld genug. Der Kauf ist bereits beschlossene Sache. Er will dich nur noch wegen dem Verpacken sprechen, die Clarks reisen morgen ab und wollen das Bild mitnehmen.
Silvie ging zu ihm rüber. Dann klatschte sie ihre Hand gegen seine.
Give me a five!
Give me your hand, antwortete er glücklich. Komm jetzt bitte, Mister Clark erwartet dich.
Silvie wischte sich nochmals den Schweiß sorgfältig von ihrem Gesicht.
Bora-Bora, sagte sie zu sich leise. Ja, im November fliegen wir hin... Ihre Augen leuchteten.
Dann ging sie aus der Küche zu Mister Clark.
Text von Karuna

Sept. 2004