Hallo Handwerksprofis,
ich selbst hatte ueber 12 Jahre eine Angsterkrankung.
Es gibt nicht immer den Ausloeser - das macht ja das Ganze so schwierig.
Zusammenhaenge sind oftmals in der Kindheit zu sehen, doch bei vielen wird eine Ursache nicht gefunden.
Es muss nicht immer ein schlimmes einschneidendes Erlebnis sein.
Ja, genau das ist das Problem. Der Verstand ist ein Kontrollfreak und hängt an "Das ist so, weil..." Er übersieht dabei das Offensichtliche, nämlich das genau der Gedanke der Jetzt abläuft und abgelehnt wird, das Gefühl der Angst entstehen läßt. Wenn man z.B. etwas vor sich hat das Angst auslöst, angenommen eine Prüfung. Dann läuft das in etwa so ab, das man an die Prüfung denkt, darauf reagiert mit Gedanken wie "Schaffe ich nicht.", diesen Gedanken wiederum begründet, mit Erinnerungen die man wieder projeziert ("Soviel werde ich nie bis dahin lernen können") während man gleichzeitig übersieht das man das wieder durch Vergangenheit rechtfertigt. Das ist ein Spiel aus Reflektion und Reaktion, wobei einiges unter der Schwelle der bewussten Wahrnehmung abläuft. Kann man auch sehr gut am Willen sehen. Der Wille ist bewusst. Aber das "weil" ...bzw., das was danach kommt ist es oft nicht. Wenn man etwas will, dann ist das "weil" dahinter eine Begründung aus Mangel. Der ist nicht unbewusst, nicht wirklich, aber er wird als eine Wahrheit gesehen die ÜBER dem Willen steht. Das nimmt dem Willen wiederum die Kraft, anstatt einer klaren Absicht die sich frei entfalten und die man auch fühlen kann, "schickt" man sozusagen ein unklares Gemisch los, einen positiven Willen und einen "negativen", wobei letztere die höhere Intensität hat. Bei Ängsten ist es auch so. Jede Reaktion auf einen Gedanken der Angst, hat ein "weil" und während man den Angstgedanken zwar sieht, erkennt man aber nicht wie man ihn rechtfertigt. Ich glaube, das man da ansetzen muss... Die Gedanken dahinter.
Es gibt rote Faeden dieser Erkrankung. So haben viele Schuldgefuehle, wenn es ihnen wirklich gut geht, wenn sie etwas fuer sich tun usw. Da liegt natuerlich der Grund in der Kindheit.
Wenn man sich das Prinzip Schuld anschaut, dann ist es immer dann, wenn man eine Ursache für Leiden zu erkennen glaubt. Daher kann Leiden nicht ohne Schuld, die Leiden ist, ablaufen. Es geht darum alle Schuld zu beseitigen, indem man Ursache - Wirkung - Ursache ... die Reaktionen auf gedankliche Wahrnehmungen mitbekommt. Das Problem ist nicht, das man keine Ursache finden kann, das Problem ist das man immer glaubt eine oder mehrere gefunden zu haben. Letztlich läuft das dann darauf hinaus das man sagt: Das ist es nicht.... das auch nicht.... verdammt, ich kann nicht erkennen was das Problem verursacht und es somit nicht lösen. Das führt wiederum zu Selbstabwertung (Schuld), was aber ein positiver Prozess ist, weil man sich immer näher kommt. Die Schuld wird das Hauptproblem, man kommt dem "Weil" näher, während man glaubt, etwas Äußeres rufe das Angstgefühl hervor. Wenn man sich der Begründung widmet, die irgendwann ein reines "Verdammt, ich weiß es nicht." ist, dann kann man es lösen.
Die Meinungen ueber die Entstehung der Erkrankung gehen noch sehr auseinander. Die einen sagen, es sei eine Stoffwechselstoerung im Gehirn und die sei der Ausloeser - die anderen sagen, diese Stoffwechselstoerung folgt den psych. Problemen.
Das ist meiner Meinung nach eine Verwechslung von Ursache und Wirkung. Denn welches Konzept entsteht daraus? Man muss diese Störung in den Griff bekommen. Angenommen, das sie nur eine Wirkung ist... wie soll man das machen?
Wie dem auch sei, ich kann nun aus eigener Erfahrung berichten, dass man selbst einen grossen Teil zur Besserung beitragen kann. Dazu gehoert natuerlich die ehrliche Arbeit an sich selbst.
Mir haben da neue Zielsetzungen geholfen sowie Gedankenarbeit (negativ zum positiven) und Konfrontation.
Geduld ist sehr wichtig bei der Bewaeltigung dieser Erkrankung.
Ja, ich glaube das Du da den Schlüssel formuliert hast. Geduld braucht es erstens, weil man sich ständig Zeit präsentiert. "Ich schaffe es jetzt nicht, ich schaffe es nocht lange nicht... weil, so war es immer." Man macht also auch aus Zeit ein Ursache - Wirkungs - Konzept. Das mit positiv negativ ist noch interessanter. Es wird ja viel von "Annehmen" gesprochen. Man kann sich das ein bisschen so vorstellen, das man mental vor einem Spiegel steht. Zwischen dem "Selbst" und dem Spiegel findet Reflektion und Reaktion statt, in der Mitte ist der jeweilige Gedanke und ein Gemisch aus Gefühlen. Man ist nicht in der Lage "reinen" Willen zum Spiegel zu schicken und dadurch wahrzunehmen, weil man immer auch auf die Reflektionen reagiert. Damit meine ich, es gibt einen Status Quo. Man fängt ja nicht bei Null an. Es gibt in diesem Prozess sozusagen zwei Linien. Einmal die bewusste und positive Absicht und die eher unbewussten Reaktionen auf die Wahrnehmung. Man kann es sich so vorstellen das man ständig Gedanken auf sich zukommen sieht. Sieht man sie als eine Ursache für Leid an, ist man nicht fähig sie "anzunehmen"..."sein zu lassen".... nicht zu reagieren. Dadurch schickt man wieder welche los. Dadurch kommt es dann auch zu dem "Ich will.... (etwas), WEIL ich an diesem etwas Mangel leide"... Wenn man den Willen aber im selben Moment begründet, schickt man die Begründung los und nicht den Willen, und damit letztlich Angst.
Es gibt auch verschiedene Angsterkrankungen. So haben die einen grosse Panik vor Krankheiten und sind hypochondrisch veranlagt, die anderen haben eine soziale Phobie, d.h. sie haben Probleme mit Menschen und der Oeffentlichkeit usw.
Ich glaube, das es immer dasselbe Prinzip ist. Selbst bei Menschen die weit unter "Angsterkrankung" liegen wie ich etwa, bin ich sicher das die Ängste die ich habe, so profan sie auch sein mögen, demselben Prinzip folgen wie das bei jemandem der fast wahnsinnig aus Panik wird. Ich glaube, das es eine Frage der Intensität ist. Dieser Prozess den ich gerade zu formulieren versuchte kann sich extrem hochschaukeln oder auch umgekehrt.
Ich selbst bin nicht grade fuer Psychopharmaka. Sie mag kurzzeitig eine Verschnaufpause verschaffen, aber ich habe noch niemanden kennen gelernt, der wirklich dadurch geheilt wurde.
Ich glaube, das der Umgang damit sehr wichtig ist. Angenommen man nimmt welche und die Angst ist für diese Zeit weg oder erträglich, dann muss man anfangen auf das Absetzen hin zu arbeiten, das man ab dem Zeitpunkt, das Absetzen nicht mehr zu einer Ursache macht, damit sie wieder entsteht. Das Mittel hat keine objektive Wirkung die weg sein muss, wenn es abgesetzt wird, sondern hat einem geholfen die Aufmerksamkeit zu verändern. Das kann bestehen bleiben, wenn man sich klar ist, das die Wahrnehmung - Aufmerksamkeit die Ursache ist, nicht das Mittel (für die Besserung). Das eine kann man beibehalten, das andere kann man absetzen, wenn man es sozusagen als Gefährt betrachtet das einen vom Angst-Ort weggebracht hat. Wenn man es nur so betrachtet, als sei man eigentlich mitten drin, würde es aber nicht wahrnehmen, weil das Mittel die Angst die objektiv eigentlich da ist, nur blockiert, hat man schon Angst vor dem Absetzen. Ich kenne mich da nicht mit Angstmedis aus, aber mit Schmerzmitteln. Daher konnte ich das sehr gut bei mir beobachten.
Ebenso ist meine Meinung ueber die Therapieformen, die es bisher gibt. Kurzzeitige Linderung ja, aber langfristig kenne ich auch da noch keinen, dem es wirklich geholfen hat.
Kann es objektiv auch erst mal nicht geben. Weil alles ein Konzept ist das passen muss. Ich meine damit: Angst, der Prozess selbst, ist extrem subjektiv. Gerade der Anfang das in den Griff zu bekommen ist es auch. Und was Du eben sagtest.... Geduld.. Letztlich würde wohl alles funktionieren, wenn man die Kraft hätte es durchzuziehen. Wir gleichen oft jemandem der nach Wasser gräbt und viele 30 cm Löcher gräbt und dann aufhört, weil er kein Wasser findet (keine schnelle Verbesserung wahrnimmt) und dann denken es sei die falsche Schippe oder der falsche Ort.
So, nu hoere ich auf. Koennt ein Buch darueber schreiben, weil mich diese Erkrankung so interessiert. Nicht, weil ich selbst einmal darunter so lange gelitten habe und mein Leben mehr als eingeschraenkt verlief, sondern weil die Menschen mit dieser Erkrankung so furchtbar hilflos sind und meistens auf Missverstaendnis stossen.
Was seltsam ist... weil wir (fast) alle Angst-Kranke sind.

Die "Normalos" liegen nur bei einer Intensität die sie für normal halten, dabei sind auch die alltäglichen Ängste etwas das nicht so sein muss.
VG,
C.