Ich zünde ein Licht an.....

Das hat mich jetzt sehr an meinen Sohn erinnert.
Auch wir haben vor seinem Tod noch viel über Gott und die Welt geredet. Und er sagte in seinem letzten Gespräch, dass er weiß, dass er nicht alt wird.
Kurz darauf war er tot, knapp vor seinem 30. Geburtstag.
Ich wüsste heute auch gerne, wie sein Leben wohl verlaufen wäre.
Er stand knapp vor der Beförderung zu einem Superjob in einem großen Autokonzern. Das erfuhr ich von Firmenchef und Betriebsratsobmann, die mich beide besuchten, um zu kondolieren.
Sein Vater, der damals auch nicht mehr lebte, wäre wohl megastolz auf ihn gewesen...


Es ist so unbegreiflich traurig, wenn Menschen ein Leben nicht leben dürfen. So viele Erfahrungen, Höhen, Tiefen und Entwicklungen, die ich erleben durfte, andere jedoch nicht. Was es für eine Mutter bedeutet, den Lebensweg ihres Kindes nicht miterleben zu dürfen, kann ich mir kaum vorstellen.

In meinem Leben sind schon viele Menschen sehr jung gestorben. Mit einigen hatte ich eher nur am Rand Kontakt - erschüttert hat mich ihr Tod immer.
 
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Und jetzt muss ich gerade an Udo denken. Ich war sechs und er sieben als er starb. Er war so ein freundlicher und lustiger Junge. Andere Jungs waren immer so doof zu uns Mädchen. Aber mit Udo habe ich gerne gespielt. Und dann hat uns die Lehrerin eines Morgens erzählt, dass er gestorben sei. Wir waren zwar erschrocken, kapiert haben wir das aber nicht. So erschrocken waren wir auch, als uns die Lehrerin Monate vorher erzählte, dass Marlene am Blinddarm operiert wurde. Und in der Pause haben wir schon wieder fröhlich gespielt.

Zwei Jahre später sind wir von dem Dorf weg gezogen. Ich habe Udo nie vergessen und um so älter ich wurde, um so mehr habe ich begriffen, welche Tragödie sein früher Tod war. Als ich vierzig war bin ich in das Dorf gefahren und zum Friedhof gegangen. Sein Grab war nach 34 Jahren noch sehr gepflegt. Als ich vor seinem Grab stand ist mein Leben vor meinem Auge entlang gezogen. Alles, was ich zwischen meinem sechsten und vierzigsten Lebensjahr erlebt hatte. Alles, was er nie erleben durfte, weil sein Leben schon nach sieben Jahren vorbei war.

Auch für dich eine Kerze, Udo.

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Für meine Mama. Dreißig Jahre schon bist du nicht mehr da.

Ich habe eine Nachbarin, die ist im gleichen Jahr geboren wie du, 1935. Sie ist mit ihren 86 Jahren geistig und körperlich fit. Flitzt die Treppen hoch, besser als ich.:D Und ich denke oft wie schön es wäre, wenn ich jetzt noch eine Mutter hätte, die genauso gesund und munter wäre.

Aber wünschen hift nichts. Du warst schon mit Ende dreißig nicht mehr fit, hast mit Anfang vierzig im Rollstuhl gesessen und warst mit Anfang fünfzig nur noch bettlägrig, ein Schwerstpflegefall. Aber geistig warst du klar bis zum Schluß und ich bin dankbar, weil ich nie erleben musste, dass meine Eltern verwirrt sind und mich nicht mehr erkennen. Und das ist schon verdammt viel mehr, als andere "Kinder" hatten - finde ich.

Die letzten Jahre wolltest du sterben, die Schmerzen einfach nicht mehr ertragen müssen. Und trotzdem hast du mich immer strahlend begrüßt und nichts war für dich wichtiger, als dass es mir gut ging. Auch wenn du nur noch den Kopf ein bißchen bewegen konntest, war deine Liebe der größte Halt in meinem Leben. Weil sie immer da war - das wußte ich.

Weg ist sie auch jetzt noch nicht - deine Liebe - danke dafür.
 
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