Diener brachten Datteln, Feigen, süβes Naschwerk und Tee, während Pasch in kurzen Zügen seinem Freund Salim, die Lage erläuterte:
„Stell dir vor, Salim! Sie kamen unbemerkt in dieses heilige Land und dürften offiziell nicht hier sein.“
„Wir wollten genauso, wie wir kamen, auch wieder verschwinden!“, warf Ali ein. „Aber dann kamen die Gotteskrieger und nahmen uns nach Dschidda mit.“
„Wir waren damit beschäftigt, intensiv zu philosophieren“, mischte sich nun auch der Shrenk ein. „Dadurch haben wir nicht auf Staatsgrenzen geachtet. Es ging um Immanuel Kant und seine verbotene Tür, und wie Ali meinte, dass diese Tür unbedingt durchschritten werden sollte!“
Salim-Al-Rashid war sprachlos. Schlieβlich war er lange Jahre Direktor des Hadsch-Forschungszentrums, wo ihm alles oblag, was mit den Pilgerfahrten zu tun hatte, aber so etwas war ihm in all den Jahren noch nicht unter die Augen gekommen.
„Nun.“ Salim räusperte sich. „Die einfachen Gläubigen, kommen zu Allah. Sie legen ein weißes Gewand an, rasieren sich den Schädel und marschieren mit Eseln, oder fahren mit
Bussen oder Limousinen nach Makka und Al- Madina, aber so weit es mir bisher zu Ohren kam, philosophieren sie nicht über Immanuel Kant.“
„Dass sie uns nicht missverstehen, edler Doktor Salim“, versuchte Ali den Shrenk zu korrigieren:
„Es ging vorrangig um Platons Ideenlehre und nicht so sehr um Immanuel Kant. Platons Ideen haben genauso auch etwas von Begriffen und von Naturkräften. Verstehen sie, edler Salim?“ Da Salim höflich nickte, fuhr Ali fort:
„Darüber waren wir am debattieren, es ging um die Urbilder Platons, dieser unmittelbaren Anschauung, zu der wir Menschen uns erheben sollten und da müssen wir durch Kants verbotene Tür, und manchmal auch Grenzen überqueren.“
“Aus meiner bescheidenen Sichtweise beobachtet, schreibt Plato seine Schriften in Form von Dialogen und verwendet oft poetische Metaphern“, antwortete Salim-Al-Rashid lächelnd. „Darüber hinaus ist sein Denken nicht fest argumentiert, wie es bei Aristoteles der Fall ist.“
„In der Tat, edler Salim“, rief der Shrenk erfreut aus. „Oh wie wunderbar, einen so kultivierten und verständnisvollen Menschen anzutreffen mit dem ich endlich einmal zum philosophieren komme. Stundenlang versuchte ich dies meinem Freund Ali, in der Rub-Al-Khali klarzumachen, aber Ali schmetterte alles kategorisch ab. Die mythischen Elemente alter Kultreligionen werden ja bei Platons Schriften noch in weit gröβerem Umfang, als bei Aristoteles verwendet!“
„Bei Allah, dem Allmächtigen und Barmherzigen!“, entfuhr es Ali. „Wollen sie hier etwa Plato als antiquierten Mystiker darstellen, Doktor? Ich habe ihnen, werter Doktor Shrenk, tagelang klarmachen wollen, dass ihre Art von philosophieren nichts bringt!“ Ali sah den Shrenk hitzig an. „Sie haben es einfach nicht begriffen, Platons Höhlengleichnis! Wir werden den Gottesbeweis nicht in den Worten finden, werter Doktor. Auch wenn irgendwelche Sophisten die Wissenschaft der Wortverdreherei anwandten. Aber Diskursives Denken verstärkt nur die Dualität. Wir brauchen die Stille, um die Schleier zu lüften!“
Der Shrenk wurde blass. „Bitte Ali, hört auf über auch nur irgendwelche Höhlen zu sprechen.“
„Das kann nur an der Baqr-Salim Höhle gelegen haben und der Kamelstampede unserer liebestollen Kamele“, platzte Ali raus. „Womöglich haben sie da eine Art Trauma mitbekommen?“ Der Shrenk nickte stumm und putzte sich umständlich seine Brille.
„Sie schafften es auch nicht, Akhbar zu beruhigen. Da hatte ich mit Hilfe des achtfachen Pfades mehr Erfolg als sie mit ihrer Zwillingstherapie.“
aus Kmeltreiber Ali beim Psychiater