In meinem Lebensumfeld gibt es keinen Schamanen, deshalb kann ich diese Aussage schwerlich nachvollziehen. Grundsätzlich kenne ich mehr Leute, die in ihrer Sippe oder Familie keinen Schamanen haben. Wie gestaltest du die Hilfsbedziehung zu so engen Bekannten und Freunden? Bei Freunden und Verwandten würde ich vorraussetzen, dass eine Begegnung auf Augenhöhe stattfindet. Das kann ich mir schwer vorstellen, wenn jemand Hilfe sucht und in enger Beziehung zu dem Hilfegebenden steht.
Es ist nicht immer "DER Schamane", in jedem Familienverband gibt es Menschen, bei denen man verstärkt um Rat sucht, Menschen die besondere Lebenserfahrung haben, gleiche oder ähnliche Erfahrung gemacht haben und dann ihre Empfehlungen aussprechen. Dazu zählen auch Ratschläge die gewisse Ärzte empfehlen (geh doch mal zu dem/der....). Das kann sich dann durchaus als interessantes Interessensgebiet entwickeln und der daraus erwachsende, sorgsame Umgang mit den Mitmenschen, die wachsende Verantwortung veranlassen dann auch, im Idealfall zur persönlichen, intensiven Weiterentwicklung, man lernt und informiert sich soweit es möglich ist, erlaubt ist, wichtig ist. Schwer ist es im persönlichen Umfeld erst dann, wenn ein naher Verwandter trotzdem seinen eigenen Willen durchsetzt und darunter leidet oder stirbt. Hier darf ich mich als "Hilfesteller" dann nicht mit meinem Ego in den Vordergrund drängen, ich habe die Verpflichtung diesen Menschen zu unterstützen, ihn in die Hände erfahrener Menschen zu empfehlen, ihn loszulassen - das ist bei den eigenen Kindern, Lebenspartnern und Eltern/Geschwistern der Supergau des Härtefalles!!!
Nicht umsonst behandeln Psychologen, Psychiater und z.T. auch Allgemeinärzte keine direkten Verwandten.
Ich denke mal, dass viele sich dies vornehmen, die Verwandten auch an Kollegen verweisen, aber auch das ist schon eine Beratung und da spielt im Hintergrund auch das Mitleiden die tragende Rolle.
Wurden von den Klienten die später hinzukamen später auch welche zu Freunden?
Ich bin da grundsätzlich sehr differenziert zu dem Ausdruck FREUND, man sieht sich hin und wieder, wechselt ein paar Worte, trinkt mal einen Kaffee, für mich ist ein Freund etwas anderes als befreundet zu sein. Ich kann mich jetzt nicht erinnern, dass in den Jahren zu einem Klienten eine wirkliche Freundschaft entstanden ist.
Ich denke du sprichst den Selbstschutz des Schamanen an, mir geht es auch um den Schutz der Hilfesuchenden. Inwiefern bist du in der Lage diverse Übertragungsmechanismen oder anderweitige Beziehungskonstellationen zu erkennen in deiner Praxis?
Der "Schutz" der Beteiligten, Seitens des Schamanen ist dies wichtig, um klar zu sehen, damit sein Geist nicht von Gefühlen vernebelt wird, sein Denken und Handeln dadurch nicht beeinflusst wird. Dabei ist noch nicht mal die Not weswegen er kommt oder deren Auswirkungen das "schlimmste" sondern auch die Möglichkeit der erotischen/sexuellen Anziehung (ich denke mal, dein Bemühen um Erkenntnis geht in diese Richtung). Ich komme aus einem handwerklichen Beruf und auch da stellt sich die selbe Frage, flirte ich mit jeder, die mein Produkt kauft? Nein, das ist wirklich unprofessionell und alles andere als Vertrauenserweckend. Andererseits dürsten viele Mitmenschen nach Anerkennung und Bestätigung auf vielfältige Art und Weise, beiderseits des Verhältnisses Hilfesteller:Klient. Hier ist Lebenserfahrung und Verantwortung gefragt, Regeln oder Reglementierung ist hier zwecklos.
Genauso zwecklos wie ein künstlich konstruiertes Abhängigkeitsverhältnis, jede/r KlientIn soll die Möglichkeit erhalten sich eigenverantwortlich selbst in die Lage zu versetzen, die Not zu bewältigen, ich kann nicht das Leben eines anderen für ihn leben!
Ist dieser Effekt nur wirksam für den Vertrauensaufbau oder auch für den Selbstwert für dich als Schamanen?
Beides, wobei Selbstwert hier nicht der richtige Ausdruck ist, es geht hier um das Entwickeln einer Glaubwürdigkeit, einer Sicherheit beiderseits. Diese ist nicht automatisch vorhanden, beim Schamanen vielleicht nach Jahren, was ich aber für bedenklich halte, den jeder Klient ist anders, wenn auch immerwieder, vordergründig ähnliche Probleme auftauchen, es ist immer ein Konglomerat aus unterschiedlichsten Einflüssen, das gefährliche Schubladendenken sollte dringlich ausgeschaltet werden.
Das Entwickeln dieser Glaubwürdigkeit ist notwendig um später, z.B. in Zuständen der Tiefenentspannung notwendige Suggestionen einfach platzieren zu können. Es ist eine Form der "Arbeitsvorbereitung". Ich sehe das so.
Was wäre ein Abhängigkeitsverhältnis für dich?
Immerwieder Gegenstände, Amulette, Esokram verkaufen zu wollen, Techniken, die ein/e KlientIn leicht erlernen kann und selbst durchführen sollte immerwieder zu verrechnen, difuse Konstrukte zu erschaffen, welche zu physischer oder psychischer Abhängigkeit führen, Ängste zu schüren.
Der Klient soll in die eigene Kraft kommen und dort bleiben, aus eigenem Antrieb - das ist das Ziel.
Ich danke dir für deinen Bericht, möge dem ein weiterer folgen.
thx,
T4T
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