Zen-Meditation

Rose2

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Ein großer Zen-Meister unserer Zeit, Zensho W. Kopp, schreibt: „Diese eine Wirklichkeit kann nur dann erfahren werden, wenn all das, was die Wirklichkeit des einen Geistes nicht ist, fällt. Aber wie kommt man dahin?“ Er gibt darauf die folgende, erstaunlich einfache Antwort: „Der Weg zur Erfahrung deines wahren Angesichts vor deiner Geburt, dieser Weg zur Erleuchtung ist nichts anderes als ‚der alltägliche Weg.“ Dieser Weg kann also überall gegangen werden, wo immer man sich gerade befindet und auch zu jeder Zeit. Wir brauchen deshalb nicht in ferne Länder zu reisen oder uns in eine Einsiedelei zurückzuziehen. Denn mitten im weltlichen Treiben, bei jedweder Tätigkeit, offenbart sich die göttliche Wirklichkeit.“ Quelle: http://www.zenbuddhismus.de/

Wenn ich die tiefe, göttliche Zen-Ebene auch im Alltag erfahren kann, warum habe ich dann nach einem stressigen "weltlichen" Tag das Gefühl, mich weiter denn je von meiner inneren Kraftquelle entfernt zu haben und erst durch erneute Meditation diesen angesammelten "Müll" entfernen zu können?

Hat jemand Erfahrung damit?
 
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Du kannst sie im Alltag erfahren, Rose, indem du eben in deine Meditation gehst. Das allein ist ja schon Alltag.
Die wenigsten sind in der Lage, im Alltag zu jeder Zeit das Göttliche in jedem Menschen und die Ruhe zu erfahren, eben weil wir Menschen die Zeit erfunden haben, um uns selbst das Leben schwer zu machen :)
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, "bei sich selbst" den Alltag zu erleben. Es gibt kleine Übungen, welche du anwenden kannst, wenn du zwischendurch mal 1, 2 Minuten Zeit hast: Deinen Atem erspüren, so tief wie möglich dabei atmen und versuchen, dein Herz schlagen zu hören. Das geht in der Bahn, das geht in einer Pause zwischendurch. So erhältst du die "Magie" in dir aufrecht, und bist nicht völlig "alle", wenn du abends zu Hause ankommst.

Wobei ich vom "Sitzen und auf Erleuchtung warten" absolut nichts halte; Meditation ist aber auch schon immer weniger mein Ding gewesen, ich bin eher der praktische Mensch.
Liebe Grüße,
Maurynna
 
Wenn ich die tiefe, göttliche Zen-Ebene auch im Alltag erfahren kann, warum habe ich dann nach einem stressigen "weltlichen" Tag das Gefühl, mich weiter denn je von meiner inneren Kraftquelle entfernt zu haben und erst durch erneute Meditation diesen angesammelten "Müll" entfernen zu können?

Hat jemand Erfahrung damit?
Die Antwort liegt darin, dass du Zen praktizierst. "Der alltägliche Weg" ist nicht dasselbe wie der Alltag. Der Alltag ist im Normalfall gar kein Weg, er führt nirgendwohin. Das heisst: Es ist notwendig, dass der Alltag zu einem Weg wird. Und das geschieht nur durch regelmässige die Zen-Praxis.

Darum liegen auch alle Menschen falsch, welche behaupten, sie könnten im Alltag meditieren, beispielsweise beim Geschirrspülen oder sowas, ohne dass sie einer regelmässigen Praxis nachgehen. Sie haben nicht verstanden, was der Unterschied zwischen Alltag und dem alltäglichen Weg ist.

Um auf dem alltäglichen Weg zu gehen, benötigt der Alltag einen Rahmen, eine Art Disziplinierung, die ihn heraushebt aus der Banalität des Seins und ihm ein Ziel verleiht. Es ist eine Herzensentscheidung vonnöten, sich aufzumachen oder aufzubrechen, sich also auf den Weg zu begeben. Ohne diese Herzensentscheidung passiert rein gar nichts. Und das äussere Merkmal besteht darin, dass man sich auf eine formale Zen-Praxis einlässt, diese nährt und aufrechterhält. Dann wird die Praxis zuerst zu einem Anker im stürmischen Alltag, die einem Stabilität und Sicherheit verleiht, und mit der Zeit zum alltäglichen Weg.

In der höchsten Form gibt es irgendwann keinen Alltag mehr, nur noch den alltäglichen Weg. Dann sind Zen und das Leben wirklich eins geworden.

Klingt toll, nicht? Es ist aber zu beobachten, dass viele Menschen noch nicht einmal bereit sind, für ihre Meditationspraxis auch nur regelmässig 15 Minuten am Tag aufzuwenden. Im Zentrum ihres Lebens steht keineswegs die Praxis, sondern Sicherheitsdenken, eine neue Liebschaft, das Samsung Galaxy S3, die Ferien auf Mykonos oder das eigene Körpergewicht. Jemand, der sich wahrhaft auf dem alltäglichen Weg befindet, sieht alle diese Dinge unter dem Aspekt der Praxis (ja, auch das Samsung Galaxy S3). Das Leben wird so zu einem ununterbrochenen Strom an Bedeutung mit unzähligen Gelegenheiten, die eigene Praxis in alle Richtungen auszudehnen, und egal, wo man hingeht oder was passiert, überall und in alle Richtungen ist nur noch der alltägliche Weg. Das Leben erhält so eine Tiefe an Bedeutung und Sinnhaftigkeit, die für einen normalen Menschen kaum vorstellbar ist.
 
Es gibt kleine Übungen, welche du anwenden kannst, wenn du zwischendurch mal 1, 2 Minuten Zeit hast: Deinen Atem erspüren, so tief wie möglich dabei atmen und versuchen, dein Herz schlagen zu hören. Das geht in der Bahn, das geht in einer Pause zwischendurch.
Genau das meine ich. Der alltägliche Mensch wünscht sich, dass er mit 1 bis 2 Minuten Aufwand am Tag den alltäglichen Weg beschreiten könne. Wenn man ihn darauf hinweist, dass damit rein gar nichts erreicht werden kann, dann wird er alles entrüstet von sich weisen mit dem Argument:
Wobei ich vom "Sitzen und auf Erleuchtung warten" absolut nichts halte; Meditation ist aber auch schon immer weniger mein Ding gewesen, ich bin eher der praktische Mensch.
Hier möchte jemand, dass sein Alltag genau derselbe bleibt, wie er schon ist. Er will den Weg zum Alltag machen, ihn also zu sich "herabziehen", nicht den Alltag zum Weg. Der Weg soll bitteschön keine grösseren Anforderungen an einen stellen, Hund und Haus und Ehemann möchte man schliesslich behalten, vielleicht ab und zu auch noch eine Schwitzhütte für das exotische Feeling.
Das ist aber nicht der alltägliche Weg, das ist nur Alltag.

Die Menschen glauben immer, sie könnten dieselben bleiben, wie sie schon sind. Es käme einfach zusätzlich noch die Spiritualität hinzu. Also ungefähr so: "Ego + Spiritualität = der alltägliche Weg". Das funktioniert aber keineswegs so, weil das Ego durch echte Spiritualität annihiliert wird. Also ausgelöscht. Und das ist im allgemeinen alles andere als lustig, und es ist auch nicht mit 1 bis 2 Minuten Atembeobachtung am Tag zu bewerkstelligen. Wie gesagt, es erfordert eine Herzensentscheidung. Und ohne diese passiert nun mal nichts.
 
Diese berühmten 1 bis 2 Minuten am Tag oder die Aufmerksamkeit beim Geschirrspülen, die trifft man übrigens immer wieder an. Ich amüsiere mich mittlerweile über solche Bemerkungen. Und wie schon erwähnt, die Leute sind dann fast immer beleidigt (wer ist eigentlich beleidigt? ein nicht-existentes Ego?), wenn man sie nicht ernst nimmt in ihrer 1-bis-2-Minuten-Spiritualität-am-Tag.

Die zentrale Frage lautet: Was tun diese Menschen in den restlichen 1438 - 1439 Minuten am Tag? Für Spiritualität wenden sie offensichtlich zwischen 0.0007% und 0.0014% ihrer Tageszeit auf, ergo sind sie am Tag zu 99.93% bzw. 99.86% mit anderen Dingen beschäftigt.

Was tun die eigentlich in all der Zeit?
 
Wenn ich die tiefe, göttliche Zen-Ebene auch im Alltag erfahren kann, warum habe ich dann nach einem stressigen "weltlichen" Tag das Gefühl, mich weiter denn je von meiner inneren Kraftquelle entfernt zu haben und erst durch erneute Meditation diesen angesammelten "Müll" entfernen zu können?

Wenn das weltliche Alltagsleben als stressig empfunden wird, könnte der (wohl ebenfalls aus der Zen-Richtung stammende) Ratschlag -so er denn praktisch umgesetzt und in das Alltagsleben integriert werden kann- eine Hilfe sein, welcher da lautet: Tue, was du tust.
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Was tun die eigentlich in all der Zeit?

Das erläutere ich dir gern. Mein Tag beginnt morgens mit der Abräucherung von mir selbst und meinem Schlafzimmer mit Salbei oder Beifuß.
Dann folgt die Runde mit meinem Hund durch den Wald, in dem ich allen Lebewesen und Pflanzen einen guten Morgen wünsche und fasziniert beobachte, wie sich die Natur im Laufe des Jahres verändert.
Ich komme nach Hause, die Sonne ist aufgegangen, eine halbe Stunde Yoga schließt sich an. Ebenso ist abends ab 17 Uhr, ersetze Yoga durch Tai Chi.
Soviel zu den 1 - 2 Minuten.
Wenn du richtig gelesen hättest, wäre klar gewesen, dass diese 1 - 2 Minuten zwischendurch stattfinden - undzwar regelmäßig. So kriege ich es jedenfalls hin, zumindest jede Stunde des "Alltags" einmal kurz ZU MIR zu kommen.
Wohlgemerkt: Zu mir, und nicht auf irgendeinen Weg, den du aus obigem Post von Rose interpretiert hat, den sie meint.
Ich suche keine Art, meinen Alltag zu verändern: Ich BIN mein Alltag, genieße meinen Alltag (welcher durchaus auch von Stress durchzogen ist) mit der Methode, mich nicht im Alltag zu verlieren. Und diese Methode ist, bei mir selbst zu sein.
Und das funktioniert wunderbar, auch ohne Entrüstung ;)
Wenn ich merke, dass mir das nicht reicht, ich nicht mit meinem Alltag zurechtkomme etc., dann komme ich nicht auf die Idee, zu meditieren, sondern arbeite, undzwar praktisch: Mit Schwitzhütten, mit heiligen Pfeifen, mit Trancereisen und Seelenrückholungen, mit dem Medizinrad und an mir selbst. Und setze mich nicht irgendwohin und entscheide, damit alles bloß schön von selbst zu mir kommt.
Ich denke, damit dürfest auch du verstanden haben, was damit gemeint ist.

Ich suche nicht deinen Weg, ich suchte meinen Weg. Und den habe ich gefunden. Und behaupte nicht, dass dieser die Erfüllung für den Menschen per se darstellt.
Du scheinst das von deiner Einstellung schon zu denken, und machst dich folgend lustig über Menschen, die andere Wege suchen als du - diese sollen dann aber bitte nicht beleidigt sein, dass du sie der Lächerlichkeit preisgegeben hast.
Dann sei auch du nach all diesen Worten nicht angegriffen, denn ich habe über das gesprochen, was du mir vorgeworfen hast - clever um den Rücken herum.
 
Also ich würd's so sagen, daß ohne eine eingeübte Basis im Bewusstsein, die jederzeit aufgesucht werden kann und die eben dieses Eine Bewusstsein ist, auch keine alltägliche Praxis gelingen kann. Und man muß eben erst mal üben - und das natürlich auch fortführen - diese Basis in der Stillemeditation zu erreichen. Dann kann man diese Basis auch alltäglich einnehmen.

Mit anderen Worten: det kömmpt durch Übung. Irgendwann ist's einfach eine Frage des Umschaltens. Irgendwann kann man sich konzentrieren auf das, was man wirklich will, und dann tut man es "einfach".

lg
 
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Ich habe in letzter Zeit die Erfahrung gemacht, es ist oft nur ein >winzig< kleiner Schritt. Du bist im Alltag, beschäftigt mit alltäglichen Dingen und bekommst die Illusion dich weit von deiner Kraftquelle zu entfernen, nur weil du dich nicht in der geistigen Leere und gedanklichen Sammlung der Meditation befindest. Aber ich glaube, es ist nur eine ganz kleine Korrektur nötig, keine meilenweite Reise. Und dann befindet man sich wieder in seiner Mitte und akzeptiert das Geschehen als Teil des >alltäglichen Weges<.
 
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