Das ist jetzt mal eine wirklich intelligente Frage. Hier meine paar Groschen dazu.
Wut ist nicht einfach gleich Wut, es gibt verschiedene Formen davon. Im tibetischen Buddhismus haben solche Emotionen eine reine und eine unreine Ausdrucksform. Die übliche Wut ist demnach unrein, weil sie eine starke Tendenz besitzt, einen destruktive Dinge tun und sagen zu lassen. Sie ist sehr ich-bezogen, auf eine persönliche Verletzung bezogen. Wenn Wut aber in ihre reine Ausdrucksform verwandelt wird, dann verbirgt sich dahinter eine einsgerichtete, konzentrierte und äusserst kräftige Bestimmtheit, eine Entschlusskraft, die entschieden ist, alles zu ändern, was geändert werden muss. Dafür ist es aber nötig, die persönliche Verletzung, die sich hinter der Wut verbirgt, loszulassen. Die Wut-Energie geht nicht zwingend weg, aber sie verwandelt sich in den Zorn, der nötig ist, um Änderungen im Leben vorzunehmen.
Wenn die Wut gross genug ist, dann nützt es oft nichts, zu versuchen, sie zu besänftigen, sondern es ist nötig, ihre reine Ausdrucksform zu finden. Der tantrische Buddhismus ist voller zornvoller oder halbzornvoller Gottheiten. Manjushri beispielsweise wird oft halbzornvoll dargestellt, er hält ein Schwert in seiner Hand, damit er alle Ignoranz der Welt durchschneiden kann.
Sengé Dradok ist extrem zornvoll, er macht kurzen Prozess mit allen, die in böser Absicht versuchen die Lehren zu verdrehen, zu verdrängen oder zu bekämpfen, indem er sie sich unterwirft.
Es gibt entsprechende Meditationstechniken im tantrischen Buddhismus, aber diese sind nur durch einen Lehrer und eine Autorisierung zugänglich. Glücklicherweise ist es heute im Westen nicht mehr allzu schwer, einen entsprechenden Lehrer zu finden.