Wut auf die Eltern

Meine Mutter hatte mir das Reiten verboten. Alles bitten und betteln nützte mir nix, sie blieb hart und log sogar meinen Vater an.
Lange Zeit habe ich innerlich sehr geschimpft darauf. Letztens erst traute ich mich und fragte ich nach ihren Gründen. Sie sah als Kind, wie ihr geliebter Onkel und Vaterersatz von einem Pferd totgetreten wurde und hatte seither fürchterlich Angst vor diesen Tieren.
Mehr brauche ich dazu wohl nicht sagen. :)
Nein....mehr brauchst Du nicht zu sagen.
Auch unsere Eltern haben Erlebnisse, die sie, oftmals im Gegensatz zu uns, nie verarbeitet haben.
 
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Ich habe jetzt nicht jeden einzelnen Beitrag gelesen, aber das Thema und deine Zeilen berühren mich sehr, @naglegt

Mich betrifft es auch und ich habe dazu teilweise ähnliche Sichten dazu.

Meine Eltern hatten aus Gründen zusammen gefunden, die wenig mit Liebe zu tun haben. Beide waren gebrandmarkte Kinder, hatten es nicht leicht. Meine ersten Jahre waren noch relativ friedlich. Dann kam mein Bruder mit Behinderung zur Welt und von da an wurde es schwierig. Soweit ich zurückdenken kann, wurde ich selten motiviert, gelobt oder getröstet. Strafe war das, was mich animieren sollte. Alkohol und Gewalt war ein großes Thema, ebenfalls übernahm ich die Verantwortung für meine Eltern und meinen Bruder. Weiter möchte ich dazu nicht eingehen.

Mit 19 Jahren begann ich meine erste Psychotherapie, da ich schwer depressiv und suizidgefährdet war, derzeit befinde ich mich in meiner 2. Therapie.
Die Auswirkung, die meine Kindheit auf mich hatte, war, dass ich für alles und jeden die Verantwortung übernahm, MICH hasste und mir die Schuld gab. In meiner Therapie sollte ich lernen, zu sehen, was wirklich passiert war. Das war sehr schwer für mich. Für mich fühlte es sich immer an, "Schuld" suchen zu müssen und so landete ich trotz allem immer wieder bei mir. Es dauerte wie bei dir sehr lange, bis ich auch nur annähernd an die Verletzungen meines inneren Kindes heran kam. Ich schämte mich, zu erzählen, wie meine Eltern mit mir umgegangen waren, weil ich das gefühl hatte, ihnen unrecht zu tun und sie anzuprangern. Und gleichzeitig rebellierte mein inneres Kind "doch sie sind Schuld!" Ich denke, dass vor allem dieses Wort der Schlüssel dazu ist, in einer Endlos-Schleife gefangen zu bleiben...

Nun, einer der bedeutendsten Schritte für mich war, als meine Mutter mal wieder auf mich losging, was ich doch für eine labile Person wäre, ihr zu sagen "und ihr habt euren Teil dazu beigetragen. Aber ich verurteile euch dafür nicht. Ihr hattet es selbst nicht leicht und wusstet es nicht besser. Ich habe jetzt die Chance, mich in einem anderem Bild kennenlernen zu dürfen und Heilung zu erfahren. Und ich hoffe, ihr findet selbst auch die Kraft dazu."
Wir sprachen über vieles. Ich machte ihr keine Vorwürfe, doch ich sprach von Fakten, ohne diese zu bewerten. Mit meinem Vater steht noch ein Gespräch aus, das irgendwann kommen wird, zum richtigen Zeitpunkt.

Ich habe immer noch Schwierigkeiten, zu mir zu stehen und mich zu lieben. Doch ich versuche es, täglich ein bisschen mehr.

Es macht keinen Sinn, die Vergangenheit zu ent"schuld"igen, genauso wenig von Schuld zu sprechen. Sie war eben wie sie war und das ist wichtig zu erkennen. Damit ich mein inneres Kind verstehen und für es da sein kann, macht es keinen Sinn, alles zu vergessen. Als Kind ist man hilfsbedürftig und dieses Gefühl des Ausgeliefertseins ist schwer, loszuwerden. Aber ich habe Verständnis für meine Eltern.

Ich bin dankbar dafür, dass man mir eine neue Brille gegeben hat, durch die ich erkennen kann, dass ich heute als Erwachsene selbst verantwortlich bin für mein Leben und ich mich selbst heilen kann. Meine Eltern brauche ich nicht mehr, auch keinen, der mich ermutigt oder bestärkt. Ich suche nicht mehr nach Bestätigung, die so oft als Kritik zurückkam, sondern ich versuche, von anderen möglichst unabhängig zu sein. Und ich denke, dass dieses Wissen und die Erfahrungen die ich gemacht habe, viel Potenzial bietet, mich selbst zu finden.

Was meine Eltern betrifft: ich liebe sie! Und ich besuche sie gerne. Wir verstehen uns soweit gut, doch ich grenze mich innerlich ab. Was nicht zu mir gehört und was ich nicht bin, versuche ich nicht mehr anzunehmen sondern es an meinem Kern abprallen zu lassen. Es tut mir leid für sie, dass sie die "Schuld" für ihr Leid immer noch im Außen suchen, aber dabei kann ich ihnen nicht helfen. Wo ich kann, versuche ich, sie zu unterstützen, jedoch ohne mich bzw einen Teil meiner Selbst dafür aufgeben zu müssen.
Verstehen, Liebe und vor allem Selbstliebe sind für mich die Schlüssel zur Heilung.

Das ist meine Geschichte und meine Sicht, die ich nun dazu habe.

Ich wünsche dir @naglegt, mir und allen anderen Betroffenen die kraft zur Heilung unseres verletzten inneren Kindes :)
 
Nein....mehr brauchst Du nicht zu sagen.
Auch unsere Eltern haben Erlebnisse, die sie, oftmals im Gegensatz zu uns, nie verarbeitet haben.

Jep. Meine Eltern sind ja noch die Kriegs-Nachkriegsgeneration. Was da an Verletzungen, Schmerz und Traumata tobt, das ist heftig. Mir blutet das Herz, wenn meine Mutter erzählt, dass sie im zarten Alter von 5 Jahren denken musste, sie werden nun allesamt erschossen. Damals und auch danach hat sich niemand dafür interessiert, Traumatherapie gabs doch noch gar nicht. Wie sollen diese Menschen denn gesunde Kinder erziehen??? Das dauert etliche Generationen, bis das mal komplett geheilt ist *denk.
 
Das stimmt mich sehr traurig, denn wenn du diesen Schutz nicht hattest, dann musst du jetzt lebenslang die Folgen tragen? Irgend etwas sträubt sich da aber (noch?) in mir, denn mir stellt sich an dieser Stelle die Frage: wer hat diesen Eltern soviel Macht gegeben?
Ich hatte diesen Schutz etappenweise, ich musste mich mehrmals trennen. Meine Großeltern gaben mir Geborgenheit, aber mit 4 Jahren zog ich zu den Eltern weg und von da an war es anders. Es war nicht so, dass man mit mir schlecht umsprang, aber subtil lief einiges falsch. ich habe meine Mutter nie geliebt. Sie war mir anfangs fremd irgendwie und dann litt ich unter ihrem Neid.
Ich denke Eltern haben viel Macht auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind und sich hilflos fühlen.
 
Jep. Meine Eltern sind ja noch die Kriegs-Nachkriegsgeneration. Was da an Verletzungen, Schmerz und Traumata tobt, das ist heftig. Mir blutet das Herz, wenn meine Mutter erzählt, dass sie im zarten Alter von 5 Jahren denken musste, sie werden nun allesamt schossen. Damals und auch danach hat sich niemand dafür interessiert, Traumatherapie gabs doch noch gar nicht. Wie sollen diese Menschen denn gesunde Kinder erziehen??? Das dauert etliche Generationen, bis das mal komplett geheilt ist *denk.
Genau....& das ist "nur" EIN Beispiel.
Mein Vater lebt nicht mehr, & ich konnte ihm lediglich verzeihen, als er schon gestorben war.
Bei meiner Mutter ist es ganz anders.
Ihre Verletzungen kann ich sehen, selbst die, die sie selbst nicht sieht.
Diese Generation hat oftmals noch nie so tief in sich selbst geschaut.
 
Ich hatte diesen Schutz etappenweise, ich musste mich mehrmals trennen. Meine Großeltern gaben mir Geborgenheit, aber mit 4 Jahren zog ich zu den Eltern weg und von da an war es anders. Es war nicht so, dass man mit mir schlecht umsprang, aber subtil lief einiges falsch. ich habe meine Mutter nie geliebt. Sie war mir anfangs fremd irgendwie und dann litt ich unter ihrem Neid.
Ich denke Eltern haben viel Macht auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind und sich hilflos fühlen.

Ja, eben das ist dann verdreht: sie fühlen sich hilflos, weil sie selbst un-rund sind und erkennen nicht, dass ihr Handeln einen Machtmissbrauch darstellt, der dann wiederum Folgen hat.
 
Genau....& das ist "nur" EIN Beispiel.
Mein Vater lebt nicht mehr, & ich konnte ihm lediglich verzeihen, als er schon gestorben war.
Bei meiner Mutter ist es ganz anders.
Ihre Verletzungen kann ich sehen, selbst die, die sie selbst nicht sieht.
Diese Generation hat oftmals noch nie so tief in sich selbst geschaut.

Das stimmt. Meine Mutter würde sich im tv nie einen Film anschauen, wo eine Familie vors Haus gezerrt und mit Waffen bedroht wird. Auf die Frage, wie sie das bei sich empfindet, zuckt sie die Schultern und meint, das mache ihr nix.
 
Stimmt. :thumbup:
Meine wusste es, hat es bewusst getan, dass ist schwer (für mich) zu vergeben.

Ich finde ja sowieso, dass niemand sich damit abplagen sollte, verzeihen zu wollen. Verzeihen kommt entweder von ganz allein oder es ist eben nicht da. Man kann es nicht künstlich ins Leben rufen, wozu auch? Dann ist man ja wieeeder mehr bei dem anderen als bei sich selbst mit seinen Gedanken und Gefühlen, das ist bloss hinderlich.
 
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Ich finde ja sowieso, dass niemand sich damit abplagen sollte, verzeihen zu wollen. Verzeihen kommt entweder von ganz allein oder es ist eben nicht da. Man kann es nicht künstlich ins Leben rufen, wozu auch? Dann ist man ja wieeeder mehr bei dem anderen als bei sich selbst mit seinen Gedanken und Gefühlen, das ist bloss hinderlich.

Wenn ich irgendwann abschließen möchte, führt kein Weg an der Vergebung vorbei, sonst finde ich nicht meinen Frieden.
 
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