Hallo,
zur Wut würde ich beide Seiten sowie die Situation betrachten.
1. Es stellt sich dann zunächst die Frage, worauf basiert die Wut? Sie basiert auf Schmerz. Und der Schmerz hängt mit Situationen aus der Kindheit zusammen - Misshandlung, Vernachlässigung, Vergewaltigung etc. .
2. Es gibt Menschen, die in vielen Situationen wütend werden, selbst wenn die Zeitschrift falsch auf dem Tisch liegt, die also lediglich Anlässe suchen, um ihre Wut an Sündenböcken auszulassen.
Es gibt aber auch Menschen, die nur in ganz speziellen Situationen wütend werden, weil diese traumatisch besetzt sind. Bei Scheidungskindern, deren Trennung sehr unglücklich lief, kann man z.B. oft beobachten, dass in derartigen Situationen die alte Wut reaktiviert wird. Dass die Freundin dann geht, wird vor dem Hintergrund erlebt, dass die Mutter damals ging; und in diesen Schmerz fließt dann all die noch unverarbeitete Wut auf die Mutter ein. In anderen Kontexten hat man es hier vielleicht mit einem lieben, einfühlsamen Menschen zu tun, aber in dieser Situation "rastet er aus".
3. Die Frage ist dann, wie man mit Wut umgehen sollte. Man kann 3.1 auf das System, das der andere anbietet re-agieren und Wut dagegen setzen. Man kann dies 3.1.1 naiv und unmittelbar tun, was meist zu schlimmen Situationen führt. Man kann dies aber 3.1.2 auch gezielt tun, indem man dem anderen klar macht, dass man so nicht mit sich reden lässt.
3.2 Man kann versuchen, gar nicht zu reagieren. Problematisch ist hieran, dass, wenn man selbst Schmerz verspürt, weil der andere wütend ist, diese Wut unterdrückt und sich anstaut. Besonders dramatisch ist das, wenn diese Person selbst in der Kindheit mit derartigen Szenen Erfahrungen gemacht hat, so dass der eigene Schmerzköper zusätzlich aktiviert wird.
3.3 Man kann, wenn man in sein Herzen öffnet, sehen und fühlen, dass die Wut des anderen eigentlich meist ein Ruf nach Hilfe, nach Liebe ist. Da ist ein "kleines Baby" das schreit und getröstet werden möchte - auch wenn es ganz anders aussieht. Das Trösten ist natürlich nicht immer möglich, aber letztlich hilft das Bewusstsein schon weiter, dass man einfach distanziert sieht: ok, dort hat jemand Schmerzen und schreit eigentlich nach Hilfe. Wenn es möglich ist und das Vertrauen besteht, dann kann man in solchen Momenten den anderen durchaus auch in die Arme nehmen und die Wut in Trauer und Weinen transformieren. Anschließend kann man dann mit dieser Person ruhiger sprechen, weil die Anspannung gewichen ist.
Wenn man die Wut des anderen verurteilt und dadurch selbst im Schmerzkörper bleibt, dann hält man lediglich an diesem Ereignis negativ fest. Man kann im Prozess klagen und Geld gewinnen, aber innerlich heilen wird man dadurch nicht. Indem man dem anderen verzeiht, löst man auch in sich den Schmerz auf. Oft sieht man das nicht und glaubt, dass man dem anderen auf keinen Fall verzeihen möchte, weil er es nicht verdient habe, obwohl man damit nur sich selbst schädigt. Indem man für die eigenen Gefühle Verantwortung übernimmt, löst man sich aus der Opferrolle und vermag die Schmerzen aufzulösen. Niemand anderes kann das tun und das Festhalten generiert lediglich eine Opfer-Identität.
Liebe Grüße,
Energeia