Liebe heißt für mich auch erkennen, den anderen erkennen wollen, wie er wirklich ist, nicht wie ich immer dachte, dass er ist, erkennen, was er wirklich wollte, nicht was ich immer dachte, dass er wollte. Darum hört sie für mich auch nicht auf, nach dem Ende einer gescheiterten Beziehungskiste voller Meinungsverschiedenheiten und Diskrepanzen.
Und was, wenn der andere selbst nicht (mehr) weiß, was er will?
Die Zauberwörter sind jedenfalls
Akzeptanz und
Toleranz. Darauf kommt es an. Dann kann man jemanden auch gehen lassen.
Das setzt aber voraus, dass man die Andersartigkeit verstehen
will. Dir traue ich das durchaus zu. Ihr weniger bis ganz und gar nicht.
Mich hat die psychische Disposition meines besten und liebsten Freundes ebenfalls mal in den Wahnsinn getrieben.Ich muss bis heute damit leben, dass er mich brauchte, um durchzudrehen, genauso wie ich damit leben muss, dass unsere (seine und meine, die zu dir noch nicht ganz
) ehemals sehr intime Freundschaft einen Knacks für dir Ewigkeit abbekommen hat. Im Gegensatz zu dir und deiner Freundin waren wir dennoch immer ehrlich zueinander und es gab niemals wirklich böse zwischenmenschliche Ausraster. Wir hielten uns sogar im größten Desaster fest. Ich zähle ihn heute noch, nach so vielen Jahren und nach all den Katastrophen, die wir gemeinsam erlebt haben, zu den Menschen, die mir am meisten bedeuten - und das obwohl er mich wirklich krank gemacht hat. Trotzdem bin ich froh, nicht mehr in seiner Nähe sein zu müssen. Er hat mich ausgesaugt.
Letztens hab ich erfahren, dass mein Ex-Mann wegen ihm seinen Festnetzanschluss aufgegeben hat, weil er auch ihn mit apokalyptischen Botschaften zu unmöglichen Zeiten belästigt hat, auch jetzt noch, Jahre später.
Ein Bild von ihm hängt hier dennoch gleich neben mir und manchmal würde ich ihn so gerne in den Arm nehmen. Einfach so. Doch dann fällt mir ein, dass diese verrückte Liebe am besten auf Abstand funktioniert. Die Liebe fragt nicht nach der Anwesenheit des anderen. Sie ist. Unabhängig und frei von metrischen Maßen.
Kurzum: Eine tatsächlich verrückte Liebe (wie in deinem und meinem Fall - wobei es sich bei meinem Freund um einen schwulen Freund handelte) sollte man besser so konservieren wie frisches Obst und Gemüse, falls man es noch irgendwann genießen will: füge ihr ja keinen Sauerstoff mehr zu, wenn der Deckel einmal zu ist! Frischluft beschleunigt nur die Fäulnis.