Winnenden - wer hat wirklich Schuld?

Melancholie

Mitglied
Registriert
29. August 2010
Beiträge
46
Ort
Nürnberg
Gestern waren ja die Zeitungen voll, von dem Prozess in Winnenden, wo man den Vater des Amokläufers vor Gericht stellte.
Bin da halt seit gestern am drüber nachdenken.
Zu sagen: "Papa hätte die Waffen besser verstecken sollen" macht die Sache dann doch zu einfach finde ich.
Schade, dass man den Amokläufer selber nicht mehr befragen kann, so kann man nur Mutmasungen machen.

Ich verbinde mal einige meiner Erfahrungen mit meinen Mutmasungen:
Gestern hat mein Kleiner draussen vor dem Haus gespielt, da kamen 4 Mädels aus der Nachbarschaft.
Sie gingen zu ihm, und plötzlich schlug das kleinste Mädchen auf ihn ein, und trat ihn... offenbar angefeuert von einer der größeren.
In der Klasse meiner Tochter war ein Junge, der von der vorherigen Schule geflogen war. Die komplette Klasse machte sich über den Jungen lustig, und "disste" ihn, also ärgerte, schlug und veralberte ihn, der Lehrer sah teilnahmslos zu.
Irgendwann schrie der Junge aus Angst? Wut? Er hätte eine Waffe zu Hause, und würde sie alle umlegen.
Einige Eltern liesen ihre Kinder am nächsten Tag zu Hause. Passiert ist nichts, außer dass der Junge wieder von der Schule flog.

Letztes Jahr hatte mein Sohn eine neue Lehrerin. Die erste Deutsch Probe wurde geschrieben, und ein Wort wurde von der Lehrerin als falsch angestrichen, obgleich es richtig war.
Wir (mein Mann und ich) haben im Duden nachgeguckt, haben wir ja beide noch die alte Rechtschreibung gelernt, und dachten, evtl hat sich ja was geändert.
Wir haben dann unserem Sohn gesagt, dass er das Wort reklamieren soll, und bekamen dann zur Antwort: Deine Eltern haben wohl die Rechtschreibreform verpasst.
Es folgten einige Mathe Proben, wo ebenfalls richtige Ergebnisse durchgestrichen wurden, auch "verrechnete" die Lehrerin sich mehrfach bei den Hausaufgaben, und beim Büchergeld.
Als wir wieder reklamierten, bekamen wir einen Zettel von der Lehrerin, sie könne unserem Sohn keine Proben mehr nach Hause mitgeben, weil er angeblich ein Diktat mit der Note 6 nicht abgegeben hätte.
Wir mussten bis aufs Schulamt gehen, bis die Lehrerin zugab, dass sie Fehler gemacht hat, und dass das Diktat aus "Versehen" in die Proben einer anderen Klasse gerutscht sei.
Als meine Tochter in die gleiche Schule ging, wurde sie ebenfalls in der vierten Klasse fleissig "herunter" korrigiert.
Offenbar hatten im Vorjahr etliche Eltern sich beschwert, da die Schule 6 Klassen hatte, und die Schule selbstverständlich daran interessiert war, so viele Kinder wie möglich auf ihrer Teilhauptschule zu behalten, und nicht an Gymnasium und Realschule abzugeben.
Am letzten Schultag war die Lehrerin "zufrieden", dass immerhin aus beiden Klassen 14 Kinder bleiben würden, und sie auch wieder eine 5. Klasse haben würden...

Also halten wir mal einfach fest: Menschen sind Menschen und machen Fehler, sowohl Lehrer als auch Schüler.
Wurde der Amokschütze in der Schule gedisst?
Sah er sich von seiner Lehrkraft unberechtigt benotet?
Warum schoß er in der Schule um sich, und nicht in einem Supermarkt oder im Elternhaus?

Weiter heißt es in manchen Berichten, der Amokläufer sei in psychischer Behandlung gewesen.
Wie weit ging denn diese Behandlung? Hat er da Medikamente wie Antidepressivum und / oder Ritalin bekommen?
Warum kam es zu den psychischen Problemen? Steckten doch Schulprobleme dahinter, oder evtl eine unerwiderte Liebe?
Welche Auswirkungen hatten die Medikamente auf ihn?

Was also hat den Amoklauf, den Wunsch nach diesem Amoklauf ausgelöst?
Ich sags mal so, wenn sein Vater keine Waffen zu Hause gehabt hätte, wäre es dann trotzdem zum Amoklauf gekommen?
Oder hätte er sich dann einfach eine andere Art Waffe besorgt?

Nur weil man an etwas herankommt, muss man nicht zum Verbrecher werden.
Letztes Jahr hab ich vor dem Supermarkt eine Kreditkarte gefunden. Ich bin in den Supermarkt rein, und habs der Fililalleiterin gegeben, und die Kassiererin hat gesagt, ihr käme der Name bekannt vor, die Frau wohne in der Nachbarschaft. Wenn ich eine Waffe finden würde, ich würde die gar nicht haben wollen. Was ich damit sagen will, wenn jemand NICHT töten will, dann wird er auch eine Waffe nicht anfassen, wozu auch?

Gabs nicht auch mal irgenwann einen Amoklauf mit einer Axt? Oder einer anderen Waffe?

Einfach nur zu sagen, die ganzen Leute sind gestorben, weil jemand seine Waffe nicht eingesperrt hat, ist wirklich zu einfach.

Schade, dass man von den Hintergründen kaum etwas erfährt.

Einfach mal so zum nachdenken...

Liebe Grüße
Melancholie
 
Werbung:
Hi, das hier

Einfach nur zu sagen, die ganzen Leute sind gestorben, weil jemand seine Waffe nicht eingesperrt hat, ist wirklich zu einfach.

sagt ja auch in dieser Einfachheit kein Mensch. Aber es ist eben eine Voraussetzung gewesen, die, wenn es sie nicht gegeben hätte, eben auch nicht zu diesen traurigen Resultaten geführt hätte.

:morgen:
 
Werbung:
Die Hauptverantwortung trägt mit Abstand natürlich klar der Amokläufer selbst.
Niemand hat ihn irgendwie dazu gezwungen, er wusste auch genau was er tat.
Aber darum geht es ja hier nicht mehr.

Ansonsten hat sicher der Vater dazu beigetragen, dass es dazu kommen konnte, und nicht unbedingt nur wegen der unsachgemäßen Lagerung der Waffe. Die Erziehung der Eltern wirkt sich auf das ganze Leben der Kinder aus.
Allerdings kann man ihn meiner Ansicht nach nur wegen Verstoß gegen das Waffengesetz verurteilen. Der Sohn war zwar in Therapie, offenbar war aber auch die Therapeutin der Ansicht, dass keine Fremd-oder Selbstgefährdung vorliegt, was nochmal Extra-Vorsicht gerechtfertigt hätte.

Und glaubt nicht, dass alle Eltern ihre Kinder in dem Alter kennen. Sie tun es oft nicht. Ich konnte schlechte Noten und Schulversagen in der 9.Klasse lange geheim halten. Einen blauen Brief bekamen meine Eltern auch nicht, weil ich zu dem Zeitpunkt gerade noch gut genug war, und ich habe nichtmal Unterschriften (unter den Klassenarbeiten) gefälscht. Wie ich das im einzelnen gemacht habe, weiß ich selbst nicht mehr so genau.

Falls der Amokläufer (ich habe da nichts eindeutiges gelesen) aber auch noch
exzessiv gemobbt und drangsaliert usw. wurde, haben auch diese Leute dazu beigetragen. Es ist durchaus möglich, dass das entscheidender war als die Erziehung und die unsachgemäße Lagerung der Schusswaffe. Aber letztlich bringt es nichts weitere Schuldige zu suchen,
der einzige wirklich Schuldige hat sich bekanntlich selbst erschossen.

Jedoch kann man sich schon Gedanken darüber machen, wie man Mobbing in der Schule durch Mitschüler, Überforderung durch Lehrer und Eltern sowie allgemein Vereinsamung und Radikalisierung aus der Welt schaffen kann, und keineswegs nur aus dem Grunde der Verhinderung von Amokläufen. Das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Zudem ist
es schon zu oft vorgekommen, dass Leute im Affekt ihre Waffe eingesetzt haben , meistens gegen Ehepartner oder Verwandte. Eine Waffe gehört nicht in den Privathaushalt.

LG PsiSnake
 
Zurück
Oben