Original geschrieben von Namo
Fortsetzung
Das Hohelied der Liebe
aus dem Alten Testament der Bibel
"Küsse mich
mit dem Kusse deines Mundes,
denn lieblicher als Wein
ist deine Liebe!
Es duften deine Salben köstlich,
der Klang deines Namens
duftet wie frische Salbe
zur Wonne der Mädchen,
die dich lieben!
Nimm mich mit dir!
Eilen lass uns!
Mein König, mein Liebster,
führe mich in deine Kammer.
Braun gebrannt bin ich, aber doch lieblich,
ihr Töchter Jerusalems!
Dunkel wie die Zelte der Hirten
in der Wüste,
wie die Zeltdecken in der Steppe.
Verachtet mich nicht,
weil ich so dunkel bin,
weil die Sonne mich sah!
Zu viel verlangten
die Söhne meiner Mutter von mir:
Zur Hüterin der Weinberge machten sie mich -
meinen eigenen Garten
konnte ich nicht behüten!
Sage mir an, du,
den meine Seele liebt,
wo du die Schafe weidest,
wo du sie lagerst am Mittag,
sonst muss ich dich suchen
wie ein verirrtes Schaf
bei den Herden deiner Gefährten!
Weißt du es wirklich nicht,
du Schönste unter den Frauen?
Folge deinem Herzen!
Folge den Spuren der Schafe!
Du wirst mich finden,
wenn du deine Zicklein weidest
bei den Zelten der Hirten!
Einer Stute an Pharaos Wagen
vergleiche ich dich, meine Geliebte!
Schön sind deine Wangen,
mit Schnüren geschmückt
dein Hals mit den Muschelkettchen.
Gehänge aus Gold wollen wir machen
für dich mit silbernen Perlen!
Wenn mein Geliebter im Kreis ist,
mein König im tanzenden Ring,
verströmt meine Narde ihren Duft.
Ja, ein Duftbeutelchen,
das zwischen meinen Brüsten ruht,
ist mein Geliebter für mich.
Eine Rispe von Zyperblumen
ist mein Geliebter für mich
in den Weingärten von En-Gedi.
Schön bist du, meine Geliebte,
schön bist du, und wie Tauben
sind deine Augen.
Auch du bist schön, mein Geliebter,
ja, lieblich!
Unser Lager ist grün von Laub,
die Balken unseres Hauses sind die Zedern,
unsere Dachsparren die Zypressen.
Ich bin eine Narzisse von Scharon
und eine Lilie im Tal.
Wie eine Lilie unter den Dornen,
so ist meine Geliebte unter den Mädchen!
Wie ein Apfelbaum
unter den Bäumen der Wildnis,
so ist mein Geliebter
unter den jungen Männern.
In seinem Schatten möchte ich sitzen,
und seine Frucht ist meinem Munds süß!
In ein Haus führte er mich,
ein Haus aus Reben,
und alles an ihm ist Liebe zu mir.
Mit Traubenkuchen erquickt er mich
und labt mich mit Äpfeln,
denn krank vor Liebe bin ich.
Seine Linke liegt unter meinem Haupte,
und seine Rechte umfängt mich.
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems,
bei den Gazellen,
bei den Hinden auf dem Feld,
dass ihr nicht wecket,
ja, nicht wecket die Liebe,
bis es ihr selbst gefällt!
Horch! Mein Geliebter! Schau! Da kommt er!
Leichfüßig gleich der Gazelle,
stark wie ein Junghirsch!
Schau! Er steht hinter der Wand!
Schon sieht er durchs Fenster!
Er blickt durchs Gitter!
Und horch! Er ruft:
"Steh auf, meine Liebste!
Meine Schöne, komm heraus!
Sieh, der Winter ist vergangen,
der Regen ist vorüber, vorbei!
Blumen blühen aus der Erde,
die Stimme der Turteltaube
gurrt über dem Land!
Am Feigenbaum färben die Früchte sich,
die Reben blühen und duften,
es ist Zeit zu singen!
Auf nun, meine Geliebte!
Meine Schöne, komm heraus!
Meine Taube, versteckt in den Felsklüften,
in den Ritzen der Bergwand.
Lass deine Schönheit schauen!
Lass hören deine Stimme!
Denn deine Stimme ist süß
und lieblich deine Gestalt!"
Nachts, auf dem Bette liegend,
suchte ich ihn,
den meine Seele liebt.
Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
Da sprach ich:
"Ich will aufstehen, umherstreifen
in den Gassen der Stadt,
auf den Plätzen will ich ihn suchen,
den meine Seele liebt."
Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
Ich traf die Wächter,
die die Stadt durchstreifen:
"Habt ihr gesehen,
den meine Seele liebt?"
Ich eilte weiter, da fand ich ihn.
Ich hielt ihn fest
und ließ ihn nicht mehr los,
bis ich ihn brachte ins Haus meiner Mutter,
in ihr Gemach.
Was kommt dort herauf
aus dem Tal,
duftend von Myrrhe und Weihrauch?
Schau! Salomos Sänfte!
Sechzig Helden rings um sie her
schützen sie, Helden Israels.
Mir hat der König
eine Thronhalle gebaut
aus Stämmen vom Libanon,
mit Säulen aus Silber,
mit einem Thronsitz
aus Gold und Purpur.
Ihr Töchter Jerusalems,
kommt und seht
den König Salomo,
den König von Israel
mit der Krone,
mit der seine Mutter ihn gekrönt hat
am Tag seiner Hochzeit,
am Tag der Wonne seines Herzens!
Du bist schön, meine Freundin,
ja, du bist schön!
Wie Tauben blicken deine Augen
hinter dem Schleier.
Dein Haar ist einer Herde gleich von Ziegen,
die herabwogt vom Gebirge Gilead.
Weiß wie eine Herde geschorener Schafe,
die aus der Schwemme heraufsteigen,
sind deine Zähne.
Alle haben sie ihren Zwilling,
jedes hat sein Kind bei sich.
Wie eine scharlachfarbene Schnur
leuchten deine Lippen,
lieblich ist dein Mund.
Wie eine Scheibe,
geschnitten aus einem Granatapfel,
sind deine Schläfen,
zart hinter dem Schleier.
Aufrecht wie der Turm an der Burg Davids
reckt sich dein Hals,
die Schutzwehr umgibt ihn,
tausend Schilde hängen daran,
wie Rundschilde der Helden.
Wie Kitzchen sind deine beiden Brüste,
wie Zwillinge von Gazellenkindern,
die unter den Lilien weiden.
Wunderbar schön bist du, meine Geliebte,
ganz ohne Makel.
Wenn der Tag kühl wird
und die Schatten über das Land fallen,
will ich zum Myrrhenberge gehen,
zum Hügel, da der Weihrauch duftet.
Du hast mich betört, meine Geliebte,
verzaubert mit einem einzigen Strahl
deiner Augen,
mit einer einzigen Perle deiner Halskette.
Wie schön ist deine Liebe, geliebte Braut,
wie viel kostbarer als Wein,
wie viel herrlicher der Duft deiner Salben
als aller Balsam.
Süß wie Honig sind deine Lippen,
süß wie Honig und Milch dein Mund.
Der Duft deiner Gewänder beraucht
wie der Duft des Libanon.
Ein verschlossener Garten bist du,
meine geliebte Braut,
ein verriegelter Garten,
eine versiegelte Quelle.
Ein Lustgarten bist du, ein lieblicher.
Granatbäume wachsen darin
mit köstlichen Früchten.
Zypressensträucher und Narden,
Safran blüht darin, Würzrohr und Zimt
und köstliche Weihrauchbäume.
Eine Gartenquelle bist du,
ein Brunnen mit frischem Wasser.
Steh auf, Nordwind! Komm, Südwind!
Wehe durch meinen Garten,
dass seine Düfte verströmen.
Mein Geliebter komme in seinen Garten
und esse von seinen Früchten!
Ja, ich komme!
Ich komme in meinen Garten, geliebte Braut.
Ich pflücke die Myrrhe, den Balsam,
ich esse die Wabe und den süßen Honig.
Ich schlief.
Mein Herz aber wachte:
Horch, da klopft mein Geliebter!
"Öffne mir, Liebste, meine Freundin,
meine Taube, meine Reine!
Nass ist mein Haupt vom Tau,
mein Haar von den Tropfen der Nacht!"
"Ich habe mein Kleid schon abgelegt,
wie sollte ich's wieder anlegen?
Meine Füße habe ich gewaschen,
wie sollte ich sie wieder beschmutzen?"
Durchs Riegelloch
steckte mein Geliebter die Hand,
mein innerstes Herz bebte ihm entgegen,
So stand ich auf, dem Geliebten zu öffnen,
mit Händen, die die Liebe trieb,
mit Fingern, die von Myrrhe troffen
am Griff des Riegels.
Ich öffnete meinem Geliebten,
da war er verschwunden!
Verzweifelt war meine Seele, erschreckt,
dass er mich verlassen hatte.
Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
Ich rief nach ihm - doch keine Antwort.
Mich stellten die Wächter,
die die Stadt durchstreifen.
Sie schlugen mich wund.
Es nahmen mir den Schleier
die Wächter auf den Mauern.
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems:
Findet ihr meinen Geliebten,
so sagt ihm, krank sei ich vor Liebe!
Was hat denn dein Freund voraus
vor anderen Freunden,
du Schönste unter den Frauen,
dass du uns so beschwörst?
Mein Geliebter glänzt weiß und rot
wie Milch und Blut,
schöner als Zehntausend!
Sein Haupt ist wie Gold,
seine Locken fallen wie Dattelrispen,
schwarz wie das Gefieder der Raben.
Seine Augen sind sanft wie Tauben am Bach,
sein Zähne weiß, wie gebadet in Milch.
Seine Wangen blühen wie ein Balsamgarten,
seine Lippen leuchten wie Lilien,
Seine Hände sind wie reines Gold,
seine Hüften sind ein Kunstwerk
aus Elfenbein,
seine Schenkel wie Säulen aus Alabaster
anzusehen wie die Zedern des Libanon!
Sein Mund ist süß und voll Schönheit
und sein ganzes Wesen ist Wonne.
So ist mein Geliebter, ja, so ist er,
ihr Töchter Jerusalems!
Wohin ist dein Geliebter gegangen,
du Schönste unter den Frauen?
Wohin hat sich dein Liebster gewandt?
Wir wollen suchen mit dir!
Nein, sucht nicht.
Mein Liebster stieg hinab
in den Garten seiner Wonne,
zu meinen Balsambeeten,
nach den Reben zu sehen,
Lilien zu pflücken.
Bleibt fern unserem Garten!
Ich bin meines Liebsten,
und mein Liebster ist mein,
unter den Lilien ergeht er sich.
In den Nussgarten stieg ich hinab,
zu schauen die Knospen im Tal,
zu schauen, ob der Weinstock treibt,
ob die Granatbäume blühen.
Meine eigene Seele
kannte ich nicht mehr,
so verwirrte mich der Gott,
der die Liebenden treibt.
Wende dich hin! Wende dich her!
Schulammit!
Wende dich hin, wende dich her,
dass wir dich schauen!
Warum seht ihr Schulammit an,
die friedliche, stille,
als wäre sie eine Tänzerin?
Wie schön sind deine Schritte
in deinen Sandalen,
du Fürstentochter!
Deiner Hüften Rund
ist ein Werk aus Künstlerhand,
wie ein Halsgeschmeide.
Dein Schoß ist ein verborgenes Tal,
wie ein Krug,
dem es nie fehlt an frischem Trank.
Dein Leib ist weich und rund,
ein heller Berg aus Weizen,
umsäumt von Lilien.
Dein Haupt steht hoch
über deinen Hals,
schön wie der Karmel.
Die Haare deines Haupts
prächtig wie der Purpur
eines Königs.
Wie schön bist du, wie lieblich,
du Geliebte, du Wonnevolle!
Dein Wuchs gleicht der Dattelpalme
und deine Brüste den vollen Trauben!
Ich dachte: Ich will die Palme besteigen,
greifen nach den Rispen der Datteln!
Ich dachte: Deine Brüste sollen mir munden
wie die Trauben des Weinstocks,
dein Hauch mich beglücken
wie der Duft der Äpfel!
Dein Kuss sei mir wie edler Wein;
der meinem Kuss begegnet
und die Lippen mir netzt, meinen Mund!
Ja, Wein, der dem Trinkenden Kraft giebt,
Wein, der über die Lippen
des Schlafenden huscht,
das bin ich für meinen Geliebten,
für ihn, der nach mir verlangt.
Komm, mein Liebster,
lass uns auf die Felder gehen,
über Nacht bleiben unter duftenden Blüten.
Früh lass uns aufstehen,
in die Weinberge wandern,
sehen, ob der Weinstock treibt,
ob die Knospen sich öffnen,
die Granatbäume blühen.
Dort will ich dir meine Liebe schenken.
Es spenden die Liebesäpfel
ihren Duft.
Köstliche Früchte liegen vor unserer Tür,
frische vom Baum
und vom vorigen Jahr bewahrte.
Dir, mein Liebster,
habe ich sie aufgespart.
O Geliebter, wärst du mein Bruder,
den meiner Mutter Brust genährt!
Träfe ich dich auf der Straße
würde ich dich küssen,
und niemand dürfte mich verachten!
Ins Haus meiner Mutter brächte ich dich,
und du könntest mich lieben!
Deine Linke läge unter meinem Kopf,
und deine Rechte liebkoste mich.
Du lehrtest mich die zärtliche Kunst,
und ich tränkte dich mit Würzwein
und dem Saft meiner Granatäpfel!
Lege mich wie ein Siegel an dein Herz,
wie eine Spange an deinen Arm.
Denn stark wie der Tod ist die Liebe,
mächtig die Leidenschaft wie die Unterwelt.
Ihre Gluten sind Gluten Gottes,
ihre Flammen Flammen aus Gott.
Starke Wasser können sie nicht löschen,
Ströme schwemmen sie nicht fort.
Wollte einer Liebe kaufen
um alle Güter seines Hauses -
er würde vor der Liebe zu Spott.
Ein Schwesterlein haben wir, ein kleines,
das hat noch keine Brüste.
Was sollen wir tun mit unserer Schwester,
wenn einer kommt, um sie zu werben?
Ist sie eine Mauer,
so bauen wir eine silberne Zinne auf sie
mit Zedernbrettern.
"Heute aber", spricht die Schwester,
"bin ich selbst eine Mauer.
Wie Türme sicher
sind meine Brüste.
Und doch bin ich wehrlos vor ihm
wie eine, die sich ergibt."
Die du in den Gärten weilst,
wo die anderen alle
deine Stimme hören,
komm! Sprich in der Stille mit mir,
in der Einsamkeit!
Ja, gerne will ich dich finden,
allein, nur du und ich.
So eile fort, mein Liebster,
und finde mich wieder!
Eile wie die Gazelle
und der junge Hirsch
auf den Balsambergen!"