Dann müsste man nur noch rausfinden, ob jeder unter Meditation das Gleiche versteht.
Denn aufmerksam im Alltag sein und Meditation sind meiner Ansicht nach zwei verschiedene Dinge.
Ich würde Meditation am ehesten mit Sex vergleichen.
Dabei konzentriert man sich ganz auf ein Gegenüber. In der Meditation ist das eben Gott. Man fällt dabei in einen tiefen, von der alltäglichen Welt entrückten Zustand.
Um sich so konzentrieren zu können, muss Ruhe und Abgeschiedenheit die Voraussetzung sein, denn sonst kann der Grad der Konzentration gar nicht entstehen.
Wenn ich mit einem Mann schlafe, kann ich auch nicht nebenher essen, Musik hören und auf die Kinder aufpassen.
Also das mit Meditation immer kann nicht gehen, wenn man wirklich Meditation meint.
Sie kann nicht statt finden, wenn man von irgendetwas abgelenkt wird, vor allem nicht durch Kinder.
Und es ist eine sehr berechtigte Frage, wie man Meditation mit unserem zivilisierten Leben verbinden soll- das sind nämlich zwei komplett entgegengesetzte Strömungen.
Die Welt reißt uns von Gott fort und die Willenskraft versucht, dem entgegen zu wirken und das ist sehr wohl ein Konflikt.
Ein anderes Modell des meditativen Bewußtseins hat dalai wohl im Sinn gehabt in seinen Posts. Das will ich dem mal gegenüber stellen, um dem Thema zu dienen - und nicht, um Dir zu widersprechen.
Wenn ein übergeordnetes Bewußtsein da ist, das kein Gegenüber von mir ist, sondern dessen Teil ich bin, dann kann ich beim Meditieren üben, die Bewußt
heit dieses übergeordneten Bewußtseins zu erlangen.
Beispiel: wenn ich meinen Geist als Affen betrachte, der sich in einem Fluß von Gefühlen und Gedanken von Ast zu Ast schwingt, weil es ihm so beliebt. Dann kann ich erkennen: ja, ich bin dieser Affe, denn bei allem Versuchen der Achtsamkeit springt meine Aufmerksamkeit dennoch von Ast zu Ast, klammert sich an diesen Halm, damit ich mich nicht vergesse oder sonst irgendetwas Schlimmes passiert. Mal sind es "sinnvolle" Gedanken, die lösend wirken, mal sind es aber auch blockierende Gedanken, in denen ich mich denkend und fühlend wiederhole.
Unter anderem wegen dieser Wiederholungen kann eine Übung sein, sich nicht mit dem Affen zu identifizieren, der dort im eigenen Geist zu bemerken ist. Sondern von einer Beobachterposition aus das Treiben des Affen zu bemerken. "Aha, jetzt denkt es (das Äffchen) mal wieder über die Arbeit nach und was es da und dort gesagt hat und wie die Umgebung das wohl fand." Oder so etwas. Das kann man bemerken, beobachten: was tue ich eigentlich innerlich? Was macht mein innerer Affe, wo turnt mein Geist herum auf der Suche nach Bananen?
Ich würde sagen: der Weg, mich in der Meditation an etwas oder zu etwas hin zu richten, ist ein integrierender Weg. Er setzt mich in Beziehung zu meinem Gegenüber, z.B. zu Gott, zu Buddha, einer Kerze oder meinem Atem. Der Weg, mich selber zu verlassen und mich zu beobachten als derjenige, der sich an oder zu etwas hin richtet, wäre ein zunächst eher deintegrierender Weg, denn er eröffnet mir durch Übung eine andere Form des Seins: eine übergeordnete Bewußtheit über das, was mein Bewußtsein gerade tut.
Beides kann man nebeneinander stehen lassen als Wege der Versenkung. Beide Wege führen dazu, daß ich mich erkenne und daß ich letztlich mehr von mir mitbekomme.
Das "Defizit" beider Wege ist oft beschrieben worden und ich will es mal mit eigenen Worten folgendermaßen zusammen fassen: das Defizit liegt in der Gefahr, Teile von sich zwar zu erkennen, jedoch andere Teile in sich zu verlieren durch die Hinwendung zu einem künstlich gewählten Inhalt, der einen beeinflusst. Zum Beispiel kann ein solcher Inhalt eine Religion oder eine spirituelle Praxis sein.
Daher würde ich nochmal dahin tendieren, persönlich zu raten, es mit Achtsamkeit zu versuchen. Nicht Achtsamkeit "für etwas" - z.B. für Gott oder für meine Gedanken. Sondern pure, freie Achtsamkeit. So mache ich's, ich gehe immer wieder in die purste und freiste Achtsamkeit zurück, die ich im Moment erreichen kann. Das bedeutet für mich eine stabile aber weiche Beziehung meines Geistes in einem menschlichen Körper, was eine Evolution des Geistes ermöglicht. Um diese zu bemerken muß ich dann aber die pure und reine Achtsamkeit ja wieder verlassen, denn dafür muß ich denken und fühlen, handeln, mir den Kopp andötschen, leiden, heilen und in trüben wie in klaren Gewässern fischen.
lg