Genau! Du sprichst mir aus der Seele! Es ist immer wieder die totale Quälerei und es hört nur auf, wenn man es schafft, sich samt dem ganzen Mist anzunehmen und zu lieben! Und man rutscht immer wieder raus aus der Selbst-Akzeptanz. Ätzend!
Weißt Du, es gab vor kurzem ein sehr gutes Beispiel, welches meinen Zustand verdeutlicht. Und zwar zeigte es mir ein Zahnarztbesuch
Letzte Woche war eine echt sehr heftige (naja, eigentlich hat sie sich nicht großartig von denen davor unterschieden, auch nicht von dem, was danach kam).
Dienstag und Mittwoch waren zwei Tage, an denen ich kaum was gegessen hatte, kaum geschlafen hatte und mich mit meiner inneren Hölle auseinandersetzte. Donnerstag früh hatte ich dann einen Zahnarzttermin. Total übernächtig, nur ein wenig Jogurt gegessen marschierte ich dann dort hin, bekam meine Betäubungsspritze und er begann zu bohren.
Allerdings stimmte was nicht, und ich wußte, daß mir eine Wurzelbehandlung bevorsteht, als er diese herrlich langen Nadeln hervorholte und in den zahn schob. Sie röntgen den Zahn und gingen aus dem Raum, um sich in der zeit, wo das Bild sich entwickelte, dem Nachbarpatienten zu widmen.
Und da saß ich nun und plötzlich brach mir aus allen Poren der Schweiß, blaue Sterne tanzten vor meinen Augen. Das war ja so übel, so übel. Denn ich konnte nichts, überhaupt nichts tun. Aufstehen änderte nichts, auf dem Stuhl zusammenkauern änderte nichts, schnell atmen änderte nichts, vor sich hinstöhnen änderte nichts. Augen zu oder auf - egal, egal. Ich flehte innerlich, daß ich in Ohnmacht fallen möchte, doch ich wurde nicht erhört. Nicht mal das konnte ich. Ich konnte nicht mal zusammenbrechen, obwohl ich wußte, jetzt müssen sie den Notarzt holen, da ich hier nicht mehr lebend raus komme.
Das war die absolute Hilflosigkeit. Und ich konnte mir nicht entfliehen, so sehr ich es auch versuchte. Ich konnte es einfach nur ertragen, zulassen, beobachten, erdulden.
Das hat mich wahnsinnig schockiert. Denn wie kann es sein, daß ich sowenig Macht über mich selbst habe, daß ich nicht mal mein Bewußtsein ausschalten kann? Und es hat mir gezeigt, wie wenig ich meinen Körper beherrsche, wobei in mir eine große Achtung entstand vor den "Meistern", die sich ohne Narkose operieren lassen, indem sie einfach etwas in sich umschalten und den Schmerz nicht mehr spüren. (was vermutlich nicht mal eine so große Kunst ist von dem, was sonst noch so möglich ist)
Und so ist auch dieser innere und äußere alltägliche Prozeß, in welchem ich mich grad befinde. Ich kann ihn momentan nicht beeinflussen, er hat sich verselbstständigt und tut, was er will. Ich kann versuchen, wegzusehen, es wird mir nichts nützen. Ich kann versuchen, wegzulaufen, er wird mir folgen. Momentan kann ich da einfach nur durchwaten, ich komme nicht mehr drumrum.
Und so passiert einiges. Auch interessante Sachen. Habe die letzten Tage ein wenig gefastet und spüren können, wie es ist, den Körper nicht mehr so recht wahrzunehmen (obwohl ich ihn in diesem Fall dann wahrnehmen wollte). Und dennoch, bin ich, auch ohne dieses Körpergefühl.
Ich sehe all diesen Unrat und auch das Schöne in mir - und dennoch bin ich nicht nur das.
Ich bekomme ab und an ein Gefühl dafür, was es bedeutet, daß man nicht dieses Ich ist, von dem man glaubt, daß man es ist. Sondern einerseits viel mehr, und andererseits auch viel weniger.
Ich schlafe ein und nehme wahr, wie ein Teil von mir ins Reich der Träume geschickt wird, während sich der rest irgendwo anders hin zurück zieht.
Und wenn ich meditiere spüre ich oben auf dem Kopf ein kribbeln, als würde mir jemand durch die Haare streicheln (oder nach Läusen suchen
). Manchmal ist es auch ein Druck, als würden sich die Schädelplatten verschieben.
Ich bin wie ein Orkan. Stehe in diesem Zentrum und kann nur zusehen, was er alles vernichtet, vernichtet hat - aber auch was er reingt und ordnet.
Es fliegt alles von mir davon, ohne das ich es halten kann und kommt gleichzeitig zurück. Wie lose Fäden, die in alle Richtungen davonflattern und dennoch mit mir verbunden sind, aber nichts und niemanden erreichen.
Es gibt Momente, da heule ich los und denke, ich sterbe gleich, weil ich diese seelischen Schmerzen, diese Sehnsucht nach jemanden nicht mehr ertrage. Und dann ist mein einziger Wunsch auch einfach nur der Tod, das Vergessen. Doch wie auf dem Zahnarztstuhl - es ist mir nicht vergönnt.
Dann gibt es Momente, wo ich über alles lachen kann. Diese sind zwar noch etwas zaghaft und selten, doch dann und wann durchaus zu spüren.
Es ergeben sich Antworten, die nicht wirklich Sinn machen und dennoch richtig sind.
Bestimmte Ereignisse in meinem Leben kann ich auf allen möglichen Ebenen betrachten. Grad was meine tiefste Verletzung ausmacht, meine verlorene (scheinbar verlorene) Liebe zu jemanden. Ich sehe es auf seelischer Ebene, auf psychologischer Ebene, auf okkulter Ebene, auf menschlicher Ebene, auf abstrakter Ebene - und immer macht es Sinn, wenn dieser mit dem Verstand auch nicht wirklich zu begreifen ist.
Ich sehe aus wie ein Gespenst, blass und bleich. Ich weiß, daß mein Umfeld sich Sorgen macht. Vor allem auch, weil ich mich grad krankhaft in mir selbst verschließe und die Außenwelt von mir stoße. Ich würde es ihnen ja so gerne erklären, was in mir vorgeht, ich würde es so gerne mit jemanden teilen. Ja, ich hätte vor allem wahnsinnig gerne einen ganz starken Halt, jemand der mich jetzt begleitet oder mit dem ich das teilen könnte. Aber das ist nicht möglich. Momentan fühle ich mich wie der einsamste Mensch auf Erden (wobei ich natürlich nicht verschont werde mit dem Wissen, daß ich es selbst verursacht habe, was diese Einsamkeit und Verzweiflung nur noch mehr vergrößert). Und gleichzeitig weiß ich, daß ich da jetzt durch muß, komme was wolle. es geht eben nicht mehr anders.
Und so kämpfe ich mit mir selbst. denke mir Sachen aus und verwerfe sie gleich wieder, weil ich weiß, wie sie enden werden. Denke mir andere Sachen aus, und verwerfe sie wieder, weil ich sehe, daß es aus meinem Zorn heraus entstehen und nicht ehrlich sind. Andere setze ich dann doch in die Tat um, obwohl ich weiß, daß sie aus inneren Leidenschaften heraus entstehen, nur um diesen Druck los zu werden.
Einerseits habe ich das Gefühl, dem Wahn zu verfallen und vollkommen den kontakt zu Realität zu verlieren. Andererseits gehe ich dann doch auf Arbeit, widme mich den Menschen dort und tu so, als wäre überhaupt nichts geschehen und alles bestens.
Dann und wann tauchen seltsame Fetzen in meinem Geist auf, die ich nicht wirklich zuordnen kann. Ich kenne sie, kann sie aber nicht fassen, und immer wenn es sie gibt, weiß ich, daß alles richtig ist, was grad geschieht und empfinde für einen winzigen Bruchteil Erleichterung und Ruhe. Oder ich tu etwas und habe eine Art Dejavu. Und weiß auch: aha, es macht wohl alles doch irgendwie Sinn, denn Du kennst es schon.
Ob dies nun ein Erleuchtungserlebnis sein soll, vermag ich nicht zu sagen. Viel eher holen sie mich vielleicht demnächst mit der Zwangsjacke ab. Und zwar dann, wenn ich es nicht schaffen sollte und an dem ganzen Chaos in mir zerbreche, da ich vielleicht doch irgendwas übersehen habe. Der Pfad erscheint mir sehr sehr schmal und um ihn rum ist es finster.
Danke euch, daß es hier eine Möglichkeit gibt, all dies mal los zu werden. Das ist wie ein heilender Balsam, der mir kurze Ruhe schenkt, bis dann die nächste "Höllenfahrt" beginnt. Mittlerweile weiß ich ja, was mich erwartet und das noch sehr viel Arbeit nötig ist.
*seufz*
Kaji