Lieber Musical,
also DAS Judentum gibt es nicht. Genausowenig wie DAS Christentum oder DIE Kirche oder ähnliche Abstrakta.
Satan ist vor allem der Ankläger im göttlichen Gerichtshof, der die religiöse Integrität von Menschen testet und Sünden anklagt, wie es beispielsweise aus den biblischen Büchern Ijob (Hiob) und Sacharja bekannt ist.
Im Tanach ist "Ha-Satan" (=der Satan) ein Name, der verschiedenen Engeln gegeben wird, mit deren Hilfe Gott die religiöse Rechtschaffenheit und Integrität verschiedener Menschen auf die Probe stellt.
ok, der Tanach ist ein klarerer Bezug. Wobei man allerdings auch sagen muß, daß die Unterscheidung zwischen Heiliger Schrift und nichtheiliger Schrift nicht so eng getroffen wurde wie in der Geschichte der christlichen Kirchen.
Die "Ketubim" wurden mal enger, mal weiter gefaßt.
Im normativen Judentum ist Satan der Hauptankläger, Staatsanwalt, Gegner, Feind im Kampf und die spirituelle Kraft, die im Judentum die Neigung zum Bösen (jezer ha-rah) genannt wird. Satan ist dabei jedoch wie alle Engel unter vollkommener Kontrolle und Befehl von Gott, er ist keinesfalls ein Wesen von freiem Willen, das gegen Gott rebellieren könnte.
Freien Willen schreibt das normative Judentum nur den Menschen zu. In diesem Sinne ist "Ha-Satan" eher ein Titel, eine "Berufsbezeichnung", denn ein Eigenname eines bestimmten Engelwesens.
Normatives Judentum war eine Bestrebung, den "mainstream" im Judentum festzuschreiben. Leider muß so eine Bestrebung zwangsläufig ihren Inhalt verfehlen und ist höchstens geschichtslich interessant, welche der verschiedenen Richtungen jüdischen Glaubens den historischen Sieg als "mainstream" erzielen könnte. Die Geschichte beantwortet jedoch nicht die Frage, wer "recht" hatte...
So könnte man z.b. das "normative Judentum" als eine historisch durch bestimmte Bedingungen (Zerstörung des Tempels) im 1.-2. Jahrhundert gewachsene Festlegung auf "katholisches" Judentum beschreiben. "katholisch" im besten Sinne, katholisch bedeutet ursprünglich einfach "allgemein", also eben "mainstream" würde man heute sagen.
So versuchten ja auch in der christlichen Kirchengeschichte verschiedene Richtungen, ihre Art des Glaubens als "katholisch" festzulegen, und eine davon siegte dann über die anderen, nämlich die "katholische Kirche" samt Papst. Trotzdem bedeutet dies nichts außer einer historischen Tatsache, wer die härtesten Ellenbogen besaß...
Die übrigen etwa 450 christlichen Richtungen im Christentum würden jedenfalls mehrheitlich wohl protestieren, wenn Katholizismus als "mainstream"-Christentum interpretiert und festgeschrieben würde.
Genauso sieht es mit den zahlreichen Strömungen im Judentum aus. Wer sich mal ganz oberflächlich näher informieren möchte, kann gerne den Artikel in wikipedia zum
Judentum lesen.
Diese Begriffsbestimmung wird von den christlichen Glaubensrichtungen nicht anerkannt, weil die spätere Kirchengeschichte feststellte, dass Satan gegen Gott rebelliert habe, obwohl diese Rebellion in der heiligen Schrift nicht erwähnt wird.
auch das ist eine unzulässige Verallgemeinerung. "die christlichen Glaubensrichtungen"? Sollte wirklich ein Wunder geschehen sein und sich alle christlichen Richtungen auf einen Nenner diesbezüglich geeinigt haben?
Nebenbei bemerkt, kann ich auch dir nur das Studium von Ezechiel 28:12-19 empfehlen, wo sehr wohl Luzifer rebelliert und demzufolge eben als derjenige, der sich entgegenstellt, danach eben als "satan", als Hinderer und Ankläger charakterisiert ist.
Der Titel Satan wird sowohl für übernatürliche Wesen wie auch für Menschen verwendet. Im 4. Buch Mose, auch Numeri, ist Satan nicht negativ handelnd, sondern wird von Gott gesandt, um Schlimmeres für Balaam zu verhindern:
"Aber Gott war erzürnt über seinen Weg; deshalb stellte sich ein Engel Adonais in seinen Weg als ein Gegner (hebräisch: Satan).", (Numeri 22:22).
das ist richtig. Wobei es für Sprachen im Allgemeinen und Hebräisch im Besonderen nicht ungewöhnlich ist, dasselbe Wort in verschiedenen Kontexten zu gebrauchen, mal eher personifiziert, mal eher als wirksame Kraft.
So personifiziert Jesus den Petrus ebenfalls als "Satan", als dieser ihn versucht.
Das normative Judentum hat kein religiöses Konzept einer 'unheiligen Dunkelheit' in Opposition zu Gott. Es lehrt nicht die Vorstellung einer Verkörperung des Bösen als Gegenspieler bzw. Gegenkraft von Gott. Da Ha-Schem (=Gott) als Schöpfer von Licht und Dunkelheit verehrt wird, gibt es in jüdischer Tradition und Glauben keinen Ort oder Raum, der nicht von Gott erfüllt bzw. transzendiert ist.
das ist wie gesagt nur eine von vielen Spielarten von Judentum.
Satan, Teufel und Luzifer im Christentum
auch hier wäre die Frage, welches Arten des Christentum du als "alle", als "allgemeinverbindlich" darstellen möchtest.
Satan ist im Neuen Testament ein Eigenname und bezeichnet eine übernatürliche Wesenheit mit gottähnlichen dämonischen Kräften, die nicht von Gott kontrolliert wird und frei handelt. Satan ist der Versucher in den verschiedenen Evangelien.
das Neue Testament ist in sich selbst durch zahlreiche Bezüge auf das Alte Testament nicht als isolierte Einheit zu betrachten. Das funktioniert nicht. Und deshalb ist deine Interpretation von Satan als einer Kraft, die nicht von Gott kontrolliert wird, fragwürdig. Im Alten Testament stellt er sich als einer der Gottessöhne vor Gott hin und ruft hier, als gefragt wird: "Wer will gehen?" im Kontext einer "satanischen Aufgabe". Insofern dient "Satan" auf seine Weise genauso Gott wie jedes andere Geschöpf.
Goethe verstand dies und legte diese Worte im "Faust" dem Mephisto in den Mund: "Ich bin ein Teil der Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft."
Satan ist im christlichen Kulturkreis auch als Teufel, "der Herr der Finsternis", "der Herr der Hölle", "Höllenfürst", Beelzebub, Luzifer, Beliar und Mephistopheles bekannt.
es ist richtig, daß manche Menschen des christlichen Kulturkreises diese Bezeichnungen alle gleichsetzen. Allerdings unterscheiden andere Menschen dieses Kulturkreises diese Bezeichnungen wiederum sehr genau und sehen sie nicht als synonym.
Beelzebub bedeutet "Herr der Fliegen" und bezieht sich in der hebräischen Bibel auf einen antiken Gott der Philister. Er erscheint im Neuen Testament als Synonym für Satan, gibt hier aber augenscheinlich den Sprachgebrauch der jüdischen Gegner wieder. Mt 10,25;Mt 12,24-27
ja, das ist doch schön. Ich liebe es zu differenzieren. Wobei man - wenn man noch exakter sein wollte, schon noch zwischen den verschiedenen jüdischen Gegnern unterscheiden sollte. Da sind z.b. die Hauptgruppen der Sadduzäer und der Pharisäer. Beide verstanden sich als "katholisch", als "mainstream" und waren sich spinnefeind. Wenn man nun die später gewachsene Form des "normativen" Judentums über diese beiden Gruppen legt, dann bleibt mindestens eine der beiden Gruppen auf der Strecke, und so verwässert man die bestehenden historischen Unterschiede in einer Art globalisierenden Betrachtung, die keiner tieferen Einsicht mehr dienen kann.
Luzifer bedeutet "Lichtbringer" und ist eine Wortschöpfung, die auf einer Missinterpretation des hebräischen Urtextes und seiner Falschübersetzung beruht. Sie bezieht sich auf Jes 14,12-14. Jedoch hat die dort erscheinende Allegorie eines untergehenden Morgensterns (Venus), nichts mit dem christlichen gefallenen Engel Luzifer zu tun, sondern bezieht sich auf den Untergang des babylonischen Reiches und seines Königs Nebukadnezar, der mit dem Morgenstern verglichen wird, der von der Sonne, die Israel darstellt, überstrahlt wird. Dies bedeutet, dass das babylonische Reich untergeht, während das Volk Israel noch strahlt, trotz der Macht und der Grausamkeit, die Nebukadnezar dem Volk Israel angetan hatte, siehe Babylonisches Exil. Auf diese Untergangsgeschichte bezieht sich die Vorstellung, der Luzifer sei der gefallene Engel Satan, der aus dem Himmel verbannt worden sei.
Buchstäblich ja völlig richtig. Nur daß die Bibel weder im Alten Testament noch im Neuen Testament den Anspruch erhebt, historische Wahrheiten zu verkünden. Das ist ihr zwar von den "siegreichen" Richtungen sowohl im "Judentum" als auch im "Christentum" in den Mund gelegt worden. Trotzdem ist es nicht richtig. Denn auch eine häufig wiederholte Lüge wird nicht wahr.
Es sind Sinnbilder, die vermittelt werden. Sinnbilder esoterischen Inhalts. Insofern empfinde ich die Interpretation von Eli7 (auch wenn ich mit seiner Deutung nicht übereinstimme, aber das ist eine andere Geschichte) als angemessener, wenn er sich der Frage, wer Luzifer wirklich ist, aus der Sicht der Astrologie oder der Astronomie im mystischen Sinne nähert. Er ist zumindest auf der richtigen "Ebene" dafür und verliert sich (mal abgesehen von dem Unverständnis für Ezechiel 28:12-19) nicht in historisierende Fehldeutungen.
Eine andere Interpretation ist die, dass mit Luzifer der Mithraskult benannt und bekämpft werden soll. Im Mithraskult wurde Mithras als der Lichtbringer (Luzifer) als Erlöser der Menschheit verehrt.
das wäre allerdings auch wieder eine historisierende Betrachtung.