Weltenwandern

TanjaKrienen

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22. Dezember 2007
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Weltenwandern

Rasch huschen Schatten übers Land
Auf Feld und Wald und Wänden,
Des Tages Spiel nun zu beenden,
Das still erstarrt und ausgebrannt
Verrinnt im losen Zeitensand.

Mir ist, als bräche heute Nacht
Ganz leis´ herein ein Ende,
Das sich bei mir einfände;
Heimtückisch, bittersüß und sacht
Wie ich es niemals hab erdacht.

Fast scheint, ich sehne es herbei,
Doch sitzt die Angst mir im Genick,
Sie ist das halbe kalte Stück,
Denn Glück hat jeder der dabei
Erlebt was letztlich einerlei.

Es scheint, als ob die Menschen-Schlange
Die schon zuvor verschwand hinüber,
Sich auf ein Zeichen bei mir wieder -
Mit brausend wirrem Todes-Sange -
Findet und spielt nun ewig lange.

Hintergrundrauschen, wie tobendes Meer.
Im tiefen Schlaf merkst du es kaum.
Weil Bild um Bild rast durch den Raum.
Sie ziehen die Fäden, ihre Augen sind leer,
Wenn du sie ansprichst: “Du lebst doch nicht mehr!”

Aber wenn du erwachst, fieberdurchnässt
Und lässt ihre Taten bei Lichte passieren,
Dann denkst du, kein Geist kann das kreieren!
Wie sollst du bestehn diesen Tagesrest
Da dich der Schlaf nicht mehr frei sein lässt?

Denn du kannst dich nicht rühren.
Noch spürst du ihre Blicke,
Den Atem, ihre Schritte,
Siehst sie tuscheln und weit öffnen die Türen.
Sie lassen im Traum, Dich Leibhaftiges spüren

Sie bringen Gefahr, sie entfachen die Glut.
In unendlichen Weiten wähnst du dich allein,
Doch die Weite kann bald auch die Enge sein.
Du stürzt endlos tief, in dir wächst große Wut,
Dann ist einer da, sagt: Komm mit, es wird gut.

Wenn du Feuer fängst, so ist auch das wahr,
Manchmal riechst du die eigene Asche.
Wer bist du jetzt? - die Hand an der Flasche.
Auf der Straßenbahn fährst du jetzt schon ein Jahr,
Und die Masse, sie grölt: Hier zahlt man in bar!

Und plötzlich, du siehst sein Gesicht ganz klar,
In sich gekehrt wie inkognito,
Abwesend und scheu, unwirklich, unfroh -
Dein Freund, der schon gestorben war,
Als wir schrieben ein 19hunderstes Jahr.

Dann erblickst du die Frau, sie ist jünger als du.
An deiner Seite geht sie - den Blick stets gesenkt.
Jemand kommt dazu, weiße Lilien ihr schenkt.
Sie redet sehr viel, aber hört dir nicht zu.
„Das war deine Mutter, sie ist so tot wie du!“

Sagt ein Weib, das unbekannt an Jahren
Jüngst zu mir kam und lächelnd offenbarte,
Was ich nicht zu sagen, nicht zu fragen, wagte;
Mit ihren langen schlohweißen Haaren
Und den jungen Augen, den blitzenden wahren.

„Sie sind schon drüben und du bist noch hier.
Doch du wanderst zwischen den Welten.
Denke nicht, dass sei so selten.
Aber hüte dich, ich sage dir,
Nimm diesen guten Rat von mir:

Wenn sie es schaffen deine Seele zu stehlen,
Dann bist du gestorben für unsere Welt.
Doch niemand weiß, wann das Stichwort fällt.
Drum gebe Acht, damit sie Dir nichts nehmen.
Es hilft Dir dein ständig lebendiges Sehnen.

Und verlierst du den Kampf, so werde nicht traurig,
Der Tod ist – so höre - in Wirklichkeit
Nur die schlimmste der menschlichen Eitelkeit.
Es gibt ihn nicht, er ist gar nicht schaurig.
Drum lache darüber, es ist doch nicht traurig.

Und was dir auf dieser Seite geglückt,
Es ist nicht vernichtet auf der anderen Seite.
Uns trennt doch nur eine Haaresbreite,
Über Schönes ist man grad dort entzückt
Und ein Toter gilt niemals als ganz verrückt.“

So sprach das Weib und blickte verschmitzt.
Ach, wenn sie wüsste, was sie tat,
Denn diese schwere, bittre Saat,
Hat meine Seele verknickt und verblitzt
Und Löcher in mein Herze geschnitzt.

Nun fürchte ich mich vor jeder Nacht,
Wer weiß schon, was da passiert?
Denn bin ich dort mit dem Tode liiert,
So halte ich doch besser Wacht,
Bevor ich versinke im ewigen Schacht.

Und doch, süßlich ist der Gedanke:
Kein Schmerz, keine Plag, kein Streit,
Nur die schwerelose, die sel´ge Ewigkeit.
So fühle ich, wie ich halbschlafend schwanke,
Hoffend, die schwarze Blume den Leib umranke.

So gab ich mich hin, dieser dunklen Sache.
Schnell sah ich sie kommen, sie ergriffen mich.
Im letzten Augenblick, da sah ich dich!
Und du riefst mir laut zu: „Schnell erwache!
Du musst doch leben, denk an die Rache!“

Mit eisernem Willen, mit letzter Kraft,
Durchstieß ich die dicke Nebelwand,
Geführt wie von unsichtbarer Hand.
Ein Lichtstrahl lebendigster Himmelsmacht -
Noch einmal hatte ich es geschafft.

Tanja Krienen
 
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