Was zum Gruseln!

K

Koenigskind

Guest
Ein Mord ist kein Mord
Bereits am frühen Morgen passierte ihr dieses Missgeschick. Beim Aufschneiden des Brötchens rutschte sie ab und im Nu ratschte die gut geschliffene Brotsäge ihr einen tiefen Schnitt in die rechte Hand, genau zwischen Daumen und Zeigefinger. Es klaffte eine ordentliche Schnittwunde aus der in Strömen das Blut floss. Paula griff nach dem Küchenhandtuch und wickelte es fest um ihre Hand. Auf dem Küchenschrank und weißen Bodenfliesen glänzten aber bereits große Blutlachen. Paula wurde in ihrer Panik leicht hysterisch.
Sie rannte ohne den Wagen abzuschließen in die Praxis hinein. Während sie Frau Thomas, an der Rezeption ihr Missgeschick schilderte, hielt sie demonstrativ den blutgetränkten Verband hoch. „Oh mein Gott, kommen Sie sofort mit, ich rufe den Dokter!“ Sagte Frau Thomas, die seit Jahren hier arbeitete und Paula schon als kleines Mädchen kannte. Auf dem Weg zum Operationssaal erzählt Paula dem Doktor ihre ganze Geschichte, von Vaters schwerer Krankheit und dem Kummer den sie hatte. Aber heute würde sie einfach hinfahren und Bernadette vor vollendete Tatsachen stellen. Sie wird schon öffnen, sonst würde sie ein Schauspiel abliefern, an das die Leute in der Straße noch lange denken.

Seit dem Sommer letzten Jahres bekam die Vater-Tochter-Beziehung dann den endgültigen Knacks. Aus seinem Urlaub auf den Seychellen kehrte Vater verändert zurück. Er habe sich verliebt, in eine jüngere Geschäftsfrau aus dem süddeutschen Raum und sie haben beschlossen, das Bernadette direkt nach dem Urlaub hierher ins Haus zieht. Sie lebe in Scheidung und er wolle nicht, dass sie daheim den entsetzlichen Attacken des Exmannes ausgesetzt sei. Das Gästezimmer, wie Vater es bescheiden nannte, befand sich im Eingangsgeschoss und bestand aus mehren luxuriösen Räumen, Wohn- und Schlafraum, Bad, Toilette und Ankleidezimmer und war fast eine eigene Wohnung. Paula war mit Frau König einer Meinung, dass eine Bernadette hier im Haus nichts zu suchen hätte. Sie könnten es nicht verhindern, würden es aber auch nicht begrüßen. Mit den entsprechenden Verhaltensmaßnahmen müssten sie die Dame beizeiten vertreiben können, dachten sie. Paula entging nicht, wie nahe sich Vater und Bernadette offensichtlich standen. Von seinem Schlaganfall vor einigen Wochen hatte er sich rasch erholt. Inzwischen leitete er die Firma wieder von seinem Arbeitszimmer aus. Paula bereitete es ein irrsinniges Vergnügen, immer wenn die beiden das Zimmer verließen, Bernadettes überzogene Fürsorge zu karikieren. Frau König war es eher unangenehm und sie übersah die Grimassen diskret. Was wollte diese Frau von ihrem Vater? Zugegeben, dass er sich in sie verliebt hatte, das wollte sie noch verstehen, aber was in aller Welt versprach sie sich von diesem, dem Tode geweihten Mann? Er war gut und gerne 28 Jahre älter als sie. War in den letzten Wochen deutlich gealtert und zeitweise in hohem Maße pflegebedürftig. Diese Gedanken ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Eine Mitgiftjägerin! Ein junges Ding, die sich auf diesem Weg eine gute Portion Luxus an Land ziehen wollte. Anders konnte es nicht sein. Wie sie aus Gesprächen heraus hörte, hatte Bernadette ihren ersten Ehemann bereits vor 8 Jahren geheiratet. Sie hatte keinerlei Ausbildung, keinen Beruf und würde auch Zukunft von seinem Geld abhängig sein. Und dann war da dieses mysteriöse Geschichte:
Mit dem Arm in der Schlinge und der Wut im Bauch war sie längst auf dem Weg
in die alte Villa am Luxemburger Ring. Sie stoppte den Wagen bereits am Rande
der Fahrbahn, damit Bernadette sie nicht schon vorher hörte. Paula sprang mit einem Satz die dicken Steinstufen empor und läutete. Während ihre Hand nicht von dem messingfarbenen Klingelknopf wich, drückte sie ihre Nase gegen die Bleiverglasung neben der schweren Holztür und versuchte irgendwelche Lebenszeichen zu erkennen. Doch es rührte sich nichts. Den dumpfen Ton, den der Gong bei jedem Schlag von sich gab, vernahm man hier draußen ebenfalls. Nach kurzer Überlegung entschloss sich Paula durch den Garten zu gehen. Über die Veranda käme sie evtl. ins Haus. Sie machte also einen sportlichen Satz über das Gartenmäuerchen und lief den schmalen Weg entlang, zur Rückseite des Hauses. Auf der Terrasse lagen die edlen hölzernen Gartenmöbel und das schwere gusseiserne Grillbesteck kreuz und quer verteilt und dazwischen die Glasscherben der riesigen Schiebetür. Für einen Moment stockte ihr der Atem. Mitten in der großen Tür klaffte ein sternförmiges Loch und überall sah man größere Mengen Blut auf dem Boden verteilt. Paula rief nach ihrem Vater, und schrie Bernadettes Namen in die Stille. Aber niemand antwortete. Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg und begann auf Zehenspitzen gehend, im inneren des Hause die Zimmer abzusuchen. Dabei folgte sie vom Korridor aus einer Blutspur, die direkt in Vaters Schlafzimmer führte. Der Feuerhaken, den jemand hinter die beiden Griffe der Doppeltür gelegt hatte um sie damit zu verriegeln, den legte sie auf den Boden und öffnete zitternd die beiden Flügeltüren, deren Griffe ebenfalls mit Blut
verklebt waren. Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld. Vaters und Bernadettes Körper lagen fein säuberlich nebeneinander, reglos auf dem Ehebett. Die weißen Laken und der cremefarbene Teppich waren voller Blutflecken, überall größere und kleine Blutspritzer. Jemand hatte ihnen die Schädel eingeschlagen. Paula stand da. Einen Moment lang schaute sie entsetzt vom Fußende des Bettes und betrachtete die beiden Leichen. Ihr Herz schlug bis zum Hals und es schien, als habe in dieser Zeit ihr Verstand seine Arbeit aufgegeben. Plötzlich schoss ihr durch den Kopf, der Täter könnte sich theoretisch noch im Hause befinden und panisch vor Angst schaute sie sich nach einem geeigneten Versteck um. Da, man konnte deutlich das Knarren der alten Holztreppenstufen vernehmen, so als ginge jemand langsam die Treppe zu ihrem ehemaligen Mädchenzimmer hinauf. Sie wagte kaum Atem zu holen, traute ihrem eigenen Gehör nicht mehr. War es jetzt wieder da, das Geräusch, oder bildete sie sich das alles nur ein? So sehr sie sich auch bemühte, außer ihrem eigenen Herzschlag und dem zarten Säuseln, welches durch die Aufregung beim Einatmen durch die Nase entstand, konnte sie nichts anderes wahrnehmen. Vielleicht hatte sie sich geirrt. Minuten vergingen, Minuten, die ihr vor kamen wie Stunden. Es blieb alles still. Sie überkam eine unbeschreibliche Angst. Immer noch hockte sie in der Nische zwischen Spiegelkommode und der Wand in der sich die beiden Fenster befanden. Hier hätte sie sich notfalls noch hinter den schweren samtenen Vorhängen verkriechen können, klein und zierlich wie sie war, niemand würde sie entdecken. Das hatte sie als Kind oft genug getestet.
Tausend Gedanken sammelten sich nach und nach in ihrem Gehirn. Wer hatte dieses Unheil angerichtet, warum vor allen Dingen? Wie lange war das alles her, war das der Grund, warum Bernadette sie gestern nicht zur Türe hinein lassen wollte oder konnte?
Wie kam sie jetzt nur an das Telefon heran? Obwohl es bereits eine ganze Weile still im Hause blieb, traute Paula dem Frieden nicht. Was, wenn doch noch jemand irgendwo in einer Ecke stand und man ihr als dritte den Schädel eingeschlagen würde. Nein, das konnte sie nicht riskieren. Doch würde sie jetzt an einem der vielen Hausapparate den Hörer abheben zum Telefonieren, würde an allen übrigen Telefonen im Haus dieses kleine rote Signallicht blinken und wer auch immer im Hause ist, er würde es sehen können.
So ginge es nicht. Aber was, wenn keiner hier war, sie hatte doch an sämtlichen Gegenständen ihre Fingerabdrücke hinterlassen und ein Alibi hatte sie auch nicht. Man würde garantiert sie als erste verdächtigen. Genau! Draußen die Fußspuren auf der Veranda, an den Resten der Glastüre hatte sie sich krampfhaft abgestützt um vorsichtig über den unteren Teil des Rahmens ins Haus hinein zu gelangen. Überall waren Fuß- und Fingerspuren von ihr. Selbst die potentielle Tatwaffe trug bereits ihre Fingerabdrücke. Oh, mein Gott, was hatte sie nur getan? Wer würde ihr glauben?
Paula war verzweifelt, sie weinte jämmerlich und war einem Nervenzusammenbruch nahe. Ihre einzige Chance war, diese verfänglichen Spuren zu beseitigen und alles übrige so herzurichten wie es war. Dazu verließ sie nun endlich ihr Versteck. Die Furcht als Täterin überführt zu werden, besiegte selbst die Angst davor, doch noch selbst Opfer werden zu können. Sie sprang hoch und öffnete die beiden Fenster sperrangelweit. Für den Fall, das plötzlich jemand hinter ihr stand, würde sie wie eine Wahnsinnige schreien. Aus dem Kämmerchen im Flur zum Keller, besorgte sie sich einen Putzeimer, den Schrubber und die Gummihandschuhe von Frau König. Mehrfach füllte sie den Eimer mit kochendheißem Wasser und goss ihn in weitem Bogen über die Veranda. Über Möbel und Scherben. Die Gartenmöbel stellte sie soweit möglich, ordentlich zusammen und deckte sie mit der Plane zu, die als Witterungsschutz diente. Hierunter würde niemand die Beschädigungen entdecken. Die Scherben tauchte sie einzeln in das Wasser und begann sie wieder auf den Boden in die Nähe der Glastüre zu legen, so wie sie gefallen sein könnten. Das restliche Blut vom Boden schrubbte sie von den glatten Fliesen ab und mit Hilfe des Gartenschlauchs war nach kurzer Zeit alles Blut entfernt. Optisch zumindest. Doch wo kein Verdacht besteht, würde doch auch keiner nach mikrobiologischen Spuren suchen, oder?
Das Parkett im Haus war ebenfalls relativ pflegeleicht und nach knapp 3 Stunden hatte Paula die gruseligen Spuren auch dort beseitigt. Sie säuberte die Handschuhe, den Eimer und verbrannte den Putzlappen im Heizungsofen und fast war sie erleichtert, obwohl sie doch mit der ganzen Sache hier nichts zu tun hatte, sie fühlte sich schon, als sei sie die Täterin.
Draußen war es bereits finstere Nacht und ein Gewitter braute sich über Aachen zusammen. In den wenigen Bäumen vor dem Haus, rauschte gespenstig das Laub. Dann ein ohrenbetäubender Schlag, klirrendes Glas und wieder Totenstille. Paula lehnte mit dem Rücken gegen die Kellerwand, für den Bruchteil einer Sekunde schien ihr das Ende nahe. Wer war da? Was war das? Zentimeter für Zentimeter ging sie, weiter mit dem Rücken an der Wand entlang rutschend, die Treppe hinauf.
Die Kellerwand, die hier einen sanften Bogen machte, ermöglichte etwa auf der Mitte der Treppe den Blick auf die Eingangstüre. Paula hob den Kopf und sah hoch zur Türe Das Licht aus dem Korridor schien nur schwach hier herunter. Fuß für Fuß stieg sie weiter langsam die Stufen empor und während sie den Kopf wieder gesenkt hatte, schlug mit einem mal wie von Geisterhand oben die Türe zu. Sie fiel mit einem gewaltigen Knall ins Schloss. Und Paul schrie und zitterte am ganzen Körper. „Wer ist da,“ schrie sie panisch vor Angst. Keine Antwort. Sie rannte in einem Zug hoch bis zur Türe und wollte nur raus, raus aus dem dunklen Keller. Vergeblich bemühte sie sich, es ging nicht. Dieser Türknauff liess sich von innen nicht öffenen.

Durch die Türe hindurch vernahm sie leise Schritte, die sich mal näherten und dann wieder entfernten. Sie war hin und her gerissen, sollte sie um Hilfe brüllen? Oder war es nicht besser still zu sein? Vielleicht hatte sie noch niemand bemerkt und sie wäre hier im Keller sicherer als oben im Haus. Sie entschied sich zunächst einmal abzuwarten und lauschte weiter dem Geschehen im Hausflur. Es vergingen wenige Minuten und sie hörte wieder Schritte. Diesmal hektisch und eilig. Sie kamen offensichtlich die große Treppe hinunter.
Also war doch jemand oben? Es müssen zwei Leute sein, sie glaubte zwei verschiedene Stimmen zu hören, es würde doch niemand Selbstgespräche führen? Dann ein Schluchzen, so als jammerte jemand, sie glaubte auch das Klicken zu erkennen, das ertönte, wenn jemand den Telefonhörer aufnimmt. Jede Minute die verging, kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Sie war erschöpft und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Paula machte sich klein, wie sie es als Kind tat, sie rutschte mit dem Rücken und dem Po die weiß gekälkte Wand hinab und wieder hinauf und blieb in der Hocke sitzen. Die Hände vor ihr Gesicht geschlagen überlegte sie kurz, wie sie überhaupt in so eine Situation geraten konnte. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, weil sich von außen erneut Schritte der Türe näherten. Sie hielt den Atem an, so nahe wie jetzt die Schritte zu hören waren, würde sie die Stimme erkennen können, wenn es jemand war, den sie kannte. Doch es blieb ruhig. Dann plötzlich, mit einem heftigen Ruck, als hätte jemand gegen die Türe getreten, öffnete sich die Kellertür. So plötzlich und unvorhersehbar, das sie Paula von der Tür am Kopf getroffen, bewusstlos Stufe für Stufe die gesamte Kellertreppe nach unten fiel. Jemand machte das Licht an.
Unten angekommen, lag Paula auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet, sie hatte eine Schürfwunde an der Stirn und regte sich nicht mehr.
Schritte hörte sie, ganz weit weg, leise Schritte, die langsam, ganz langsam immer näher kamen. Es dröhnte in ihrem Schädel.
So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte die Augen nicht aufschlagen. Sie wollte schreien, doch selbst der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken. Sie brachte keinen Ton heraus. Sie spürte, wie sich jemand ganz dicht neben sie hockte und erstarrte vor Angst. Von beiden Seiten gleichzeitig legten sich zwei Hände an ihr Gesicht. Doch sie war immer noch nicht in der Lage sich zu wehren. Sie dachte nur bei sich, ich bin so müde, so unendlich müde. Nun muss ich auch sterben.
Ihr Kopf tat ihr weh. Sie spürte die beiden Hände, die ihren Kopf fassten und sie zu schütteln begannen. Jemand schrie sie an:“ Paula, Paula, Kind komm zu dir. Was machst Du denn für Sachen?“
Paula griff wie im Reflex nach den fremden Händen und wollte sie abwehren.
Doch es ging nicht. Mit aller letzter Kraft bäumte sie den Oberkörper noch einmal auf, sie wollte wenigstens wissen, wer der Mörder war.
Sie schlug die Augen auf und erkannte Frau König. Dann sagte sie mit schwacher Stimme, leise: “Martha, wir müssen fort von hier. Hilf mir!“ Dann fiel sie zurück und schlief wieder ein.

Frau König blieb an ihrem Bett sitzen, Dr. Böcker schaute Frau König beruhigend an und tröstete sie. „Keine Sorge, sie träumt.“ Auch er konnte sich nicht erklären wieso Paula auf die Narkose so heftig reagiert hatte. Die Schnittwunde der rechten Hand war längst genäht und war mit einem frischen weißen Verband umwickelt. „Sie sollte die Klinik erst in ein paar Tagen verlassen, wenn geklärt ist, was diesen Zusammenbruch herbei führte“, sagte Dr. Böcker. Solange würde sich Frau König ihrer annehmen.
 
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Hallo an alle Leser meiner Geschichte!
Ihr dürft mir gerne mal ein Feedback hinterlassen. Würde mich freuen!!!:weihna1
 
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