Ich stell mir die "moderne" Version und die Reaktion darauf eigentlich eher so vor:
Mit der Politik wird das dann aber natürlich nichts.
Man muß aber dazu sagen, daß Kinski zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, er wäre Jesus. Wenn er während seines Vortrages zuweilen in die Ich-Form überwechselt, dann ist das ein Kunst-Ich. Er benutzt diese literarische Technik, um bestimmte Aussagen, die wichtig sind, zu unterstreichen. Danach wechselt er auch immer wieder in die 3.Person, wenn er über Jesus spricht.
Das hat diese Knalltüte, die als erstes die Bühne betritt, nicht verstanden. Seine Intervention ("Er ist nicht Jesus") geht am Vortrag vorbei und ins Leere.
Überhaupt, wer sich den Vortrag ganz anhört, wird rasch bemerken, daß im Publikum einige Leute saßen, die von Anfang an vorhatten. die Veranstaltung zu sprengen und aus einem künstlerischen Vortrag eine Podiumsdiskussion zu machen, und das bereits in den ersten Minuten.
Klar, Kinski war ein hoffnungsloser Choleriker, nahe am Rande des Wahnsinns (deshalb hat er die Rolle des Irren, etwa in den alten Edgar Wallace-Filmen, so meisterhaft gespielt, er brauchte nicht schauspielern
). Aber in diesem Fall ging die Provokation von Teilen des Publikums aus.
Kinskis Text selbst ist genial. Es handelt sich um eine aktualisierte und politisierte Jesus-Interpretation, auch legt er Jesus Zitate in den Mund, die dieser nie so gesagt hat. Das alles aber nur, um den satten und zufriedenen Wohlstandschristen den permanenten Selbstwiderspruch aufzuzeigen, in dem sie leben. Der Text hat bis heute an Aktualität nichts eingebüßt.