Es ist wieder mal an der Zeit, einen Brief zu schreiben.
Weißt Du, liebe unbekannte Schöne, die Du eine Glückliche noch dazu bist, da unerschaffen, ungezeugt und ungeboren,
wir, die wir ins Fleisch geboren sind, sind Abhängige von unserem ersten Atemzug an, nein, ab dem Moment der Zeugung, wenn wir im Leib der guten Mutter heranwachsen. Der Entschluss, ins Dasein zu treten ist ein Entschluss zur Unfreiheit, Zeugung und Geburt sind der Sprung in ein Dasein der Machtlosigkeit und das darauf folgende Leben ist eine Wanderschaft durch einen riesigen, fast unüberschaubaren Marktplatz der Abhängigkeiten. In einem scheinbaren Gefühl von Macht baden können all Jene, die es verstehen, die Abhängigkeiten anderer erfolgreich zu nutzen und zu vermarkten und dabei die eigenen zu verdrängen. Das ist die Basis der menschlichen Macht in dieser Welt. Natürlich braucht es dazu die Menschen, die hier mitspielen, doch hier gibt es keinen Mangel.
Was dabei gerne in Vergessenheit gerät, ist der Umstand, dass die natürlichen Abhängigkeiten in erster Linie die physische Existenz des Menschen betreffen. Wir brauchen Menschen, die sich um den Transport von Nahrungsmittel kümmern, diese auf dem Markt feil bieten und diese wieder brauchen uns, die Kundschaft, um überleben zu können. Wir bekommen Schnupfengrippe, Ohrensausen oder Blähungen und brauchen den Arzt und die Pharmazie, die uns wieder gesund machen oder zumindest unser Leid ein wenig lindern. Und genauso brauchen sie uns, die Kranken. Als Arbeitnehmer brauchen wir einen guten, korrekten Arbeitgeber um unsere Miete bezahlen zu können und der Unternehmer braucht uns, wenn es sich nicht gerade um einen Einmann-Betrieb handelt. Einseitige Abhängigkeiten gibt es nicht. Einseitige Abhängigkeiten sind eine Hirngeburt herrschsüchtiger Wahnsinniger, denn immer war ein Geben und Nehmen in ausgeglichener Weise gefragt. Und wenn der Charakter des Menschen dem Angebot und der Nachfrage auf dem freien Marktplatz unterliegt, dann ist das nur ein weiteres Zeichen menschlicher Ohnmacht, denn hier wird offensichtlich, dass der Mensch nicht mal Kontrolle über seine eigenen Konstrukte hat.
Wie auch immer sich das mit diesen Abhängigkeiten weiterentwickeln mag, liebe ungeborene Schöne: du solltest nie vergessen, dass die natürlichen Abhängigkeiten nur die physische Existenz betreffen. Im Geist sind wir frei und waren immer frei und unabhängig von Anerkennung. Wir haben es nur vergessen, so wie wir unseren Ursprung vergessen haben. In uns aber sind wir ungebrochene Kinder Gottes und unser Selbstwert ein Mitbringsel in dieses Leben und wir brauchen ihn nicht erst zu erschaffen, konstruieren oder verdienen, sondern uns einfach nur an uns selbst erinnern, wenn wir Selbstvertrauen gewinnen wollen, in unserem Werken und Sein.
Selbstwert entsteht nicht durch Anerkennung, die man im Laufe des Lebens von seinen Mitmenschen sammelt, Selbstwert ist ein Gottesgeschenk, das jedem Neugeborenen ins Herz gelegt ist und Selbstvertrauen entsteht nicht, wenn man glaubt, was einem andere über einen erzählen, sondern allein, wenn man sich wieder an sich selbst erinnert.
Der Mensch mag ein soziales Wesen sein und er ist auch ein Abhängiger von Geburt an, doch wenn er sich geistig abhängig macht, dann hört sich das ganze soziale Rumgeficke auf. Das wollte ich Dir nur gesagt haben, liebe unbekannte Schöne, für den Fall, dass du doch noch in Erscheinung trittst und meinen Weg kreuzt, denn geistig waren wir imer frei wie der Wind und wir gedenken, es auch zu bleiben. Wir brauchen keine Markt und Meinungsforscher, die unseren Auswurf vergolden, denn wir husten aus einem offenem, vor Liebe brennendem Herzen und wir wissen, woher wir kommen und wer wir sind, auch wenn wir es über weite Strecken gerne vergessen, denn das erhöht die Spannung ungemein.
Sei herzlichst gegrüßt, du Gestalt meiner Phantasie.
p.s. das wir im Geist frei bleiben, ist natürlich nur wichtig, wenn es uns um Authentizität geht.
Geht es uns um unseren Marktwert, dann schaut die Sache ein wenig anders aus.