Liebe Ella,
dieses Thema berührt mich sehr
Ich persönlich halte diese Aussage des Arztes für außerordentlich wichtig und bedeutungsvoll:
ELLA schrieb:
Er weiß es nicht, weil der Arzt sagte, ich beantworte nur die Fragen, die Er selber stellt.
Denn jeder hier kann nur von seiner persönlichen Warte ausgehen und dieses heikle und schwierige Thema nach seinen Kriterien beurteilen, das höchste der Gefühle, man könnte eine Aussage bzw. Entscheidung bezüglich der eigenes Person treffen .
Denn niemand von uns war bisher in einer solchen Situation (hoffe ich zumindest) und ich kann mir vorstellen, wenn es tatsächlich bitterer Ernst wird, dann werfen wir nur zu gern alle früheren Sichtweisen über Bord, aus welchen Gründen auch immer.
Ich denke mal aus dem Arzt spricht Erfahrung
.das war zumindest mein spontanes Gefühl und ich habe ihm innerlich zugestimmt
.mit besonderem Augenmerk auf Fragen, die ER SELBER stellt.
Denn ich denke es gibt einfach Menschen, die es nicht wissen wollen und auch das sollte man respektieren. Kann dazu ein kleines Beispiel beitragen.
Mein Vater erkrankte an unerklärlichen Symptomen, er lief von Arzt zu Arzt und da man nichts fand, wurde ihm die Diagnose Simulant präsentiert. Es ging ihm immer schlechter, ich war ganz erschüttert als ich ihn nach einem längeren Auslandsaufenthalt wieder sah und ich kann mich nur zu gut daran erinnern, wie er ganz ernst zu mir sagte: glaube mir, ich habe Krebs. Das erschreckte mich fürchterlich und ich habe versucht ihm solche Gedanken auszureden
.obwohl mir mein Gefühl etwas anderes sagte. Ich wollte davon nichts wissen.
Nachdem dann eine Gallenerkrankung sogar jedem Laien ins Auge springen musste, wurde dann endlich eine Biopsie vorgenommen, Gallenverschluss. Am nächsten Tag wurde operiert, Diagnose: metastasierendes Pankreaskarzinom im Endstadium.
Er hatte also Recht gehabt. Während er noch schlief, sprach der Arzt mit mir und fragte mich, ob er es meinem Vater sagen könnte/sollte, schließlich hatte er vorher ständig damit genervt, wissen zu wollen was er hat, egal was es ist. Ich weiß nicht warum, aber ich habe ihm geantwortet, er solle es vorerst nicht tun
ich möchte erst mal abwarten.
Als mein Vater aus der Narkose erwachte und nun eine (todes)sichere Diagnose vorlag, habe ich eigentlich gedacht, dass es seine erste Frage sein würde. Ich hatte mir schon alles mögliche zurecht gelegt, wollte es sozusagen schonend versuchen (welch ein Blödsinn) und war auf alles gefasst doch stattdessen fragte er überhaupt nicht. Er hielt sich plötzlich an dem tags zuvor vermuteten Gallenstein fest und war frohen Mutes. Ich war total verunsichert und fühlte mich sehr schlecht.
Was soll ich sagen? Er hat nie wieder jemanden gefragt, weder uns noch die Ärzte, was er nun tatsächlich hat(te), stattdessen war er gut gelaunt und voller Hoffnung. Die Narbe verheilte bilderbuchmäßig innerhalb kürzester Zeit und bereits nach 5 Tagen wurde er nach Hause entlassen...inzwischen habe ich selbst an der Diagnose gezweifelt. Mit einer Großpackung Analgetika und dem Rat ihm noch eine schöne Zeit zu machen, fuhren wir nach Hause.
Wir hatten noch eine kurze Zeit zusammen, in welcher er ununterbrochen Pläne schmiedete, Zukunftspläne. Er tat alles für seine Genesung, nahm sogar Naturheilmittel, was vorher undenkbar gewesen wäre. Es war praktisch unmöglich ihm noch die Wahrheit zu sagen, denn er wollte sie nicht hören. Es war eine ganz eigenartige und nicht zu beschreibende Zeit. Selbst als er dann zuletzt im Morphiumrausch im Krankenhaus lag, so war das erste, was er in diesen wenigen, kurzen Bewusstseinsphasen tat, trinken. Trinken um nicht zu dehydrieren, obwohl die Speiseröhre auch schon längst dicht war. Es war vollkommen absurd. Er wollte wohl einfach nicht sterben. Vielleicht hatte er noch zu viele Pläne oder wollte meine Schwester noch aufwachsen sehen
.oder vielleicht hatte er einfach auch nur Todesangst.
Ich will damit nur sagen, dass in einer solchen Situation oft die eigenartigsten Dinge geschehen können, ich hätte schwören können, dass er es sofort wissen, sich dem stellen will
er war sein Leben lang stark und mutig gewesen. Und dann das.
Ebenso kann ich mir gut vorstellen, dass viele andere Menschen ebenso entgegen gesetzt reagieren, wie man es von ihnen erwarten würde, oft für schwach gehaltene Menschen können ungeahnte Stärken entwickeln usw.
Deswegen halte ich diese Aussage des Arztes für sehr bedeutungsvoll, denn er respektiert den Wunsch seines Patienten. Wenn er es wissen will, dann wird er fragen. Wenn er nicht fragt, sollte man das auch respektieren.
Und ganz im Ernst, ich glaube sowieso, dass wir es wissen werden, wenn unser Lebensende erreicht ist, ebenso wie es mein Vater wusste und nur verdrängt hat, ebenso wird es Dein Familienmitglied wissen. Man kann ihnen keine sinnvollere oder bewusstere Zeit schenken, denn sie spüren viel mehr, als sie manchmal zugeben und verbringen ihre Zeit auf die von ihnen selbst gewählte Weise, wie es für sie am einfachsten zu ertragen ist oder eben am sinnvollsten erscheint. Mancher möchte vielleicht alles noch ordnen und bis ins letzte Detail planen und ein anderer erfreut sich an Zukunftsvisionen und fröhlichen Gesichtern. Deswegen brauchst Du Dich auch nicht in der Verantwortung fühlen, wer oder wann man es ihm sagt er kann jederzeit fragen.
Liebe Ella, ich wünsche Dir für die kommende Zeit ganz viel Kraft und Stärke und umarme Dich ganz fest,
mitfühlende Grüße
Ceseena