Was macht Rechtsextreme aus?

KassandrasRuf

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Was macht Rechtsextreme aus? Was politisch konservative Rechte?
Gibt es einen Unterschied zwischen Rechtsextremen und (Neo-)Nazis?

Ich kenne niemanden der sich selber als Nazi bezeichnet – nicht mal die Nationalsozialisten taten das.
Und Nationalsozialist klingt fast zu klinisch in meinen Ohren für dieses Bündel an menschenverachtenden Vorstellungen und „Werten“.

Es bezeichnet sich auch niemand den ich kenne selber als (konservativen) Rechten/ Rechte. Im Grunde handelt es sich dabei zumeist um Fremdzuschreibungen.
Was macht also politisch Rechte aus? Was Rechtsextreme? Gibt es so was wie einen rechten „Wertekanon“? Einen kleinsten gemeinsamen Gesinnungsnenner, der, wenn verschiedenste Personen ihn teilen, ein Merkmal für Rechts-Sein darstellt?

Gibt es überhaupt so etwas wie ein homogenes Bild?
Lässt sich definieren, was einen Nazi ausmacht? Welche Ideen, welche Menschen- u. Gesellschaftsbilder vertritt so jemand, dass er/sie von anderen als Nazi wahrgenommen wird?

Alle Nazis sind Rechtsextreme, aber sind auch alle Rechtextreme Nazis (wobei der Übergang aus meiner Wahrnehmung häufig fließend ist)???



Mögliche Merkmale für

politisch konservative Rechte:
  • (soziale) Ungleichheit ist natürlich und normal, eine Hierarchie unabdingbar
  • Hoher Stellenwert von Autorität und Disziplin
  • Konservatives Familien- u./od. Frauenbild,
  • konservative Werte u. Normen (z.B. Bekenntnis zum „christlichen Abendland“)
  • Betonung des Nationalen
  • ....

Rechtsextreme
Konservativ rechte Haltung plus
  • Kultureller u./od. ethnischer Rassismus bzw. Kultur-Chauvinismus
  • Völkische Idee (Leitkultur, arteigene Religion...) und Überbewertung des Nationalen
  • Ablehnung von Werte-Pluralismus
  • Ablehnung bzw. Einschränkung des Gleichheits-, Gleichwertigkeits- u. Freiheitsgrundsatzes der Menschenrechte
  • Gegnerschaft einer sozialen, rechtsstaatlich liberalen Demokratie
  • Beschwörung äußerer Feinde, undifferenzierte u. unsachliche Pauschalierungen
  • ...

(Neo-)Nazi:
Rechtsextreme Haltung plus

  • Totalitäre antidemokratische Staatsstruktur, gerne auch mit Führer
  • Umsetzung „völkischer Ideale“, extremer Nationalismus
  • Ausländer u./od. Juden sind rassisch minderwertig,
  • ...
Dieses Sammelsurium basiert auf Einschätzungen des Deutschen Verfassungsschutzes, der Bundeszentrale für politische Bildung und (Selbst-)Zuschreibungen von Personen wie Ulrich Greiner („vom Recht, rechts zu sein“), Rupert Scholz uäm.
Diese Aufzählung ist keineswegs taxativ. Damit erhebe ich weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch auf Richtigkeit.

Für mich ist es eine Ausgangsbasis für meist recht angeregte Diskussionen und dient mir persönlich als Orientierungshilfe, wo Menschen mit ihren jeweiligen Haltungen, Handlungen und Äußerungen aus meiner Sicht ungefähr stehen könnten.
Dabei nehme ich mir das Recht heraus, Menschen die dezidiert Punkte aus z.B. der demonstrativen Auflistung Rechtsextrem erfüllen, auch als solche zu bezeichnen. Gleiches gilt für Nazis – z.B. Rechtsextreme mit völkischer od. totalitärer Attitüde...


Bin gespannt wie Ihr das seht!
Und ob, bzw. wie Ihr so eine Liste erweitern, kürzen, streichen, ändern, verwenden ... würdet!
 
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Je weiter man im politischen Spektrum nach links oder rechts geht umso realitätsfremder werden die aufgestellten Behauptungen, das geht bis hin zu völlig fiktionalen Verschwörungstheorien und objektivermassen bewiesenen Unwahrheiten.

Extreme politische Ideologien funktionieren ähnlich wie eine Sekte.
 
Sehr interessante Liste. In meinem Kopf sieht sie ein wenig anders aus, aber nicht viel.

politisch konservative Rechte:
  • (soziale) Ungleichheit ist natürlich und normal, eine Hierarchie unabdingbar
  • Hoher Stellenwert von Autorität und Disziplin
Diese beiden Punkte würde ich nicht alleine Rechts zuordnen. Hierarchien bilden sich fast überall heraus - was allerdings sehr viel nicht mit Fähigkeiten o.ä. zusammenhängt, sondern sehr viel auch mit "Glück" zu tun hat.

Und Disziplin ist auch etwas, dem die meisten Menschen Respekt geben.

  • Völkische Idee (Leitkultur, arteigene Religion...) und Überbewertung des Nationalen
Die "Leitkultur" sehe ich zwar durchaus auch sehr rechts, sie wurde allerdings auch schon von Menschen ausgerufen, die ich durchaus als nur moderat rechts einstufe.

Mir persönlich geht Rassismus sehr nahe. Darin sehe ich die a-priori-Bewertung von Menschen alleine basierend auf Herkunft, Religion oder anderen Merkmalen. Dabei sehe ich auch den sog. Positivrassismus problematisch.

Drm mal ein paar Beispiele, was für Ansichten ich Rassismus zuschreibe, bzw. welchen Ansichten nicht.

KEIN Rassismus ist es mMn z.B. wenn ein Arzt, der kein Deutsch spricht, in einem deutschen Krankenhaus nicht angestellt wird.

Rassismus wäre es aber einen Arzt, der ausreichend Deutsch spricht, alleinig deswegen nicht in einem Krankenhaus einzustellen, weil er nicht Deutscher ist.

Anderes Beispiel: KEIN Rassismus ist es zu beschreiben und zu bemängeln, dass in Schulklassen, in denen ein großer Anteil der Schüler nicht gut Deutsch sprechen/verstehen, der allgemeine Lernfortschritt beeinträchtigt ist.

Rassismus ist es mMn, ausländischen Schülern a priori die Lernfähigkeit abzusprechen - basierend auf der Herkunft.

In der Sendung "Leschs Kosmis" ging es eben um das Thema Hass. U.a. wurde darin ein Experiment beschrieben, dass zeigte, dass die Empathie zu Menschen abnimmt, wenn sie einer fremden Gruppe zugeordnet sind. Also sobald es eine Aufteilung "wir vs. die anderen" gibt, nimmt das Mitgefühl ab. Ich glaube nicht, dass wir das groß abstellen können. Ich denke aber, dass wir da gegensteuern müssen, zum Beispiel sobald sich abzeichnet, dass "die anderen" dann in Worten entmenschlicht werden. Wenn dann z.B. Ausländer mit Ogern oder Heuschrecken o.ä. verglichen werden, ist das nicht mehr ok, und da sollte man sich dagegenstellen mMn.
 
Die "Leitkultur" sehe ich zwar durchaus auch sehr rechts, sie wurde allerdings auch schon von Menschen ausgerufen, die ich durchaus als nur moderat rechts einstufe.



Das sehe ich jetzt nun absolut nicht so. Leitkultur bedeutet ja explizit nicht, dass eine Assimilation gewünscht ist. Leitkultur bedeutet, dass hier gewisse Grundregeln herrschen, die vom Gesetz her vorgegeben sind und wer damit absolut nicht leben kann, der ist hier einfach am falschen Ort. Zwingt ja niemand Leute aus Afrika oder dem mittleren Osten die die kulturellen Gegebenheiten hier unerträglich finden ausgerechnet in Deutschland leben zu wollen.

ZB dass die Gesetze und individuelle persönliche Freiheitsrechte die hier gelten immer über ggf vorhandenen anderslautenden kulturellen Normen der Herkunftskultur stehen.
Und das bedeutet eben, dass wenn jemand den Anblick eines offen schwulen Paares in der Öffentlichkeit absolut nicht abkann oder nicht damit leben kann, dass ein volljährige Tochter ihr Leben so gestaltet wie sie es möchte, dass man hier dann einfach nicht am passenden Ort lebt.

Dass hier die Umgangssprache Deutsch ist und jeder der hier leben und partizipieren will sich aktiv darum bemühen muss, sie möglichst gut zu beherrschen, incl der Kinder, ganz einfach weil das nötig ist um hier in Schule und Arbeit partizipieren zu können. Und ja, ich bin komplett dagegen, dass sich ganze Zuwanderersiedlungen bilden, wo Migrantengruppen aufeinanderhocken und nicht mal vernünftig Deutsch lernen, weil sie es da nicht brauchen.
 
Das sehe ich jetzt nun absolut nicht so. Leitkultur bedeutet ja explizit nicht, dass eine Assimilation gewünscht ist. Leitkultur bedeutet, dass hier gewisse Grundregeln herrschen, die vom Gesetz her vorgegeben sind und wer damit absolut nicht leben kann, der ist hier einfach am falschen Ort. (...)

Wenn "Leitkultur" so gemeint ist, kann ich Dir nur zustimmen.

Wie weit es immer von den Menschen, die die Leitkultur benennen, so gemeint ist, ist allerdings weiter unklar. Insofern streuben sich bei mir immernoch die Nackenhaare, wenn ich das Wort höre.
 
Wenn "Leitkultur" so gemeint ist, kann ich Dir nur zustimmen.


Naja, dass die alle zum Christentum konvertieren, Schweinebraten essen, Goethe rezitieren und Schuhplatteln lernen sollen meint ja wohl keiner.

Die extremeren Rechten wollen hier überhaupt keine "nicht ethnisch Deutschen", die wollen sie auch nicht, wenn sie hier perfekt integriert sind, einen Job haben, gut Deutsch sprechen usw (evtl gerade dann nicht, weil wenn der Deutschnationale Paketbote einen dunkelhäutigen Akademiker mit gutem Gehalt sieht bekommt er Minderwertigkeitskomplexe und eine Neidattacke).

Von daher gehört die Leitkulturdebatte eher nicht in die ernsthaft rechte Ecke.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Joey
Rechts, im Sinne von konservativ rechts, ist für mich Teil des normalen gesellschaftspolitischen Spektrums - auch wenn ich die Inhalte nicht teile.
Mit rechtsradikalen Einstellungen tue ich mir schon erheblich schwerer, auch im konstruktiven Austausch mit Personen, die rechtsradikale Einstellungen vertreten. Wenn Du mal die Kommentare auf der FPÖ Facebookseite verfolgst oder der AfD... diese Abwertung, diese Häme, ja dieser Hass der sozial Schwachen, MigrantInnen oder generell anders Denkenden entgegenschlägt ist beklemmend.
Im rechtsradikalen Spektrum würde ich persönlich zumindest weite Teile AfD und der FPÖ (sowohl was die Haltung von Personen, als auch das Parteiprogramm betrifft) einordnen.
Sie bewegen sich noch auf dem Boden demokratischer Werte - beginnen aber den Gleichheitsgrundsatz auszuhöhlen, arbeiten sehr stark mit Feindbildern und betonen den ethnisch-kulturellen Nationalismus sehr viel stärker als es moderate (konservative) Rechte bisher je getan haben.
Und sie beginnen aus meiner Sicht, die soziale, liberale Demokratie mit Mitteln eben dieser Demokratie anzugreifen.

Radikale Positionen müssen ja nicht per se antidemokratischt sein.
Egal ob es sich sich dabei um Rechtsradikale, Linksradikale, radikale Umwelt-, oder Tierschützer, radikale religiöse Positionen handelt...
Für mich ist der Maßstab, ob Radikale Einstellungen problematisch werden dort, wo sie Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben und die Wahl der Mittel implizite oder explizite Gewalt beinhaltet oder diese als notwendiges Übel „für den richtigen Weg“ erachtet oder solche (auch stillschweigend) gutgeheißen wird.
Die Grenzen zwischen Rechtsradikal und Rechtsextrem sind meiner Wahrnehmung nach fließend.
 
Naja, dass die alle zum Christentum konvertieren, Schweinebraten essen, Goethe rezitieren und Schuhplatteln lernen sollen meint ja wohl keiner.

Die extremeren Rechten wollen hier überhaupt keine "nicht ethnisch Deutschen", die wollen sie auch nicht, wenn sie hier perfekt integriert sind, einen Job haben, gut Deutsch sprechen usw. Von daher gehört die Leitkulturdebatte eher nicht in die ernsthaft rechte Ecke.

Wenn Leitkultur klar definiert ist, stimme ich Dir weiter zu. Das ist mMn aber nicht der Fall. Und so können die extrem Rechten auf das Trittbrett der Leitkulturdebatte mit aufspringen und eben das Wort in ihrem Sinne sehr streng auslegen. So können sie weiter gegen Ausländer hetzen und brauchen sich dafür nicht als Rassisten zu outen.

In diversen Diskussionen habe ich auch schon gefragt, was deutsche Kultur ausmacht. Darauf habe ich nur selten eine konkrete Antwort bekommen.
 
Das sehe ich jetzt nun absolut nicht so. Leitkultur bedeutet ja explizit nicht, dass eine Assimilation gewünscht ist. Leitkultur bedeutet, dass hier gewisse Grundregeln herrschen, die vom Gesetz her vorgegeben sind und wer damit absolut nicht leben kann, der ist hier einfach am falschen Ort. Zwingt ja niemand Leute aus Afrika oder dem mittleren Osten die die kulturellen Gegebenheiten hier unerträglich finden ausgerechnet in Deutschland leben zu wollen.

ZB dass die Gesetze und individuelle persönliche Freiheitsrechte die hier gelten immer über ggf vorhandenen anderslautenden kulturellen Normen der Herkunftskultur stehen.
Und das bedeutet eben, dass wenn jemand den Anblick eines offen schwulen Paares in der Öffentlichkeit absolut nicht abkann oder nicht damit leben kann, dass ein volljährige Tochter ihr Leben so gestaltet wie sie es möchte, dass man hier dann einfach nicht am passenden Ort lebt.

Dass hier die Umgangssprache Deutsch ist und jeder der hier leben und partizipieren will sich aktiv darum bemühen muss, sie möglichst gut zu beherrschen, incl der Kinder, ganz einfach weil das nötig ist um hier in Schule und Arbeit partizipieren zu können. Und ja, ich bin komplett dagegen, dass sich ganze Zuwanderersiedlungen bilden, wo Migrantengruppen aufeinanderhocken und nicht mal vernünftig Deutsch lernen, weil sie es da nicht brauchen.

Mir ist das Wort Leitkultur zutiefst suspekt. So wie dieses ganze nationale Gehabe.
Nicht nur, weil es einen so riesigen Interpretationsspielraum hat.
Ich halte es inhaltlich für Unsinnig -
was soll denn eine deutsche oder österreichische Leitkultur sein?
wer legt fest, was Bestandteil ist und was nicht?

Und wozu soll so ein statischer Begriff gut sein? Kulturelle Gewohnheiten und vermeintlich identitätsstiftende Rituale verändern sich - denk nur an Gleichbehandlung, Emanzipation, Ehe für Alle....

Gibt es möglicherweise verschiedene Leitkulturen, z.B. Je nach Altersgruppe????
Der Begriff Leitkultur ist entweder statisch (und willkürlich) oder wandelbar (oder gar pluralistisch) und damit als „Begriff der Zugehörigkeit“ beliebig.

Der von mir sehr geschätzte Heiner Geißler hatte zum Thema „Leitkultur“ schon im Jahr 2000 gewohnt polemisch-überspitzte Worte übrig:
„Eine Deutsche Leitkultur ist das, worauf sich jeder Skinhead abstützen kann, wenn ihm jemand nicht in sein Deutschland Bild passt und er meint, dass er ihn zusammenschlagen kann“

Das worüber Du am Anfang Deines Posts sprichst, ist das Einhalten der (Verfassungs-)Gesetze. Verfassungstreue und Respekt vor Rechtstaatlichkeit kann und muss ich von jedem verlangen. Daneben gehören ausreichende Sprachkenntnisse zur „Bleibepflicht“ und das Anerkennen der Grundwerte der Menschenrechte.
Geißler nennt das Verfassungskultur - als Antwort auf z.B. Maizières 10 Punkte-Programm der Leitkultur.
 
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