Hm, Gegenfrage: "Was ist Treue?" Treue bedeutet, vieles am Gegenüber zu erdulden, seine Defizite zu akzeptieren, zusammenzuhalten, gemeinsame Kämpfe zu führen, ihm gegenüber loyal und aufrichtig zu sein. Treue bedeutet auch verzeihen. Verrat, Intriganz, Hinterhältigkeit, Verlogenheit sind Antonyme zur Treue. Sie zerstören ein soziales, kultiviertes Miteinander.
Die Bedeutung von Treue hat anscheinend durch die moderne Beliebigkeitsideologie an Konstanz verloren. Treue und Untreue werden heutzutage zumeist von der subjektiven Definition abhängig gemacht. Kurz: Ein Paar determiniert vorher, was in ihrer Partnerschaft tabusiert und was legitim ist. Verabredet ein Paar, dass außerpartnerschaftliches Küssen gestattet ist, kann selbiges offenbar nicht als Untreue verstanden werden. Die "offenen Beziehungen" schließen sogar außerehelichen Geschlechtsverkehr mit ein, womit selbst dieser nicht mehr zur Untreue gehört. Für andere wiederum ist das Delikt des Fremdgehens bereits mit lüsternden Blicken des einen Partners in Bezug auf eine andere Person begangen. Direkte und offene Kommunikation ist daher immer Basis einer soliden Partnerschaft. Sprich mit Deiner Zukünftigen ab, was tolerabel für Euch ist und was nicht. Entscheide anhand dieses Kriteriums, ob der Partner für Dich geeignet ist oder nicht. Die annähernde Kongruenz der Lebensphilosophien ist maßgeblich.
Ich spreche mich explizit gegen die Relativität kultureller Werte aus. Mein Verständnis von Untreue ist daher eindeutig. Körperliche Zärtlichkeit und Liebe sind ganz der Ehe vorbehalten, ansonsten entwickelt man sich nur allzu leicht auseinander und die Ehe wird ausgehöhlt und verspringt. Auch von häufigem Masturbieren während einer Partnerschaft ist abzusehen. Die Sexualität gehört IN die Beziehung und nicht isoliert in die Einsamkeit. Untreu ist auch derjenige, welcher nicht für seine Beziehung kämpft. Mit Beginn einer Partnerschaft sichern sich zwei Menschen ihre Treue = ihren Einsatz füreinander zu. Sie wollen das Leben zusammen durchschreiten und gestalten, in guten und in schlechten Zeiten. Bei der Heirat wird dieses Versprechen unter Zeugen gegeben. Das impliziert Gemeinsamkeit, Halt, und Struktur, aber auch Verantwortung, Kampfgeist, Geduld. Jemand, der dieses Versprechen gab, ist angehalten für seine Beziehung zu kämpfen, sobald etwas schief zu laufen droht. Zeigt ein Partner zu wenig Liebe und sexuelle Zärtlichkeit, so ist diese einzufordern. Verhält sich einer zu passiv bezüglich des gemeinschaftlichen Erlebens, so ist ihm sein langweilig-träger Charakterzug zu konfrontieren, anstatt fremdzugehen oder sich dauerhaft mit anderen der Ehe zu entziehen. Wer sich an dieser Stelle nicht engagiert zeigt und den Partner nicht zur Liebe und zum Sex erzieht, begeht allein deshalb schon Untreue, weil er die Mängel innerhalb der Beziehung erkennt, sie aber nicht überwinden will im Sinne der partnerschaftlichen Verbindung. Er hält sein Versprechen nicht, sondern lässt die Ehe verwahrlosen.