Aufstehen und gehen würde noch in Ordnung sein. Aber ansonsten, wenn ich laut werde, dann gibt es richtig Streit. Meine Familienangehörigen nehmen das nicht so hin. Dann gibt es direkt beim Essen Diskussonen, Streit und schlechte Stimmung. Deshalb unterdrücke ich das dann eher. Natürlich nicht immer. Wenn es ein gewisses Maß überschreitet, dann werde ich schon laut und energisch bzw. breche das Essen ab.
Leider bin ich ein Typ, der bei geringsten Mißstimmungen schon Bauchweh kriegt. Ich bin überempfindlich. Und ich bin nicht der Meinung, dass ich diese Überempfindlichkeit nun unbedingt an den anderen abreagieren sollte.
Daß Du ausgerechnet das Beispiel vom Essen wählst, erinnert mich an das "Etwas-In-Sich-Hineinfressen". Dieser Aspekt des Umgangs mit dem Gefühl kommt zu Tisch natürlich doppeldeutig... und erinnert mich zugleich an das Übergewichtsproblem unserer Gesellschaft. Nicht umsonst sagt man, daß Essen eine Ersatzbefriedigung für unerfüllte Gefühle darstelle. Mir scheint Du bist da nah dran an dieser Thematik?
Wenn ich mich da in Deine Situation hinein versetze, dann würde ich es so empfinden: "in mein Gefühl hineingehen" würde für mich heissen, daß ich in einer Situation, in der ich alleine bin, meinem Gefühl auf die Spur gehe. Wenn man Gefühle oft genug hat, dann kann man sie erinnern und sie so in sich herstellen. Ich würde also genau das tun, daß ich mir nochmal die Situation beim Essen, die mich wütend macht, vorstelle und mich in diesen Gefühlszustand nochmal hinein versetze.
Dann kann ich "in das Gefühl hineingehen", indem ich z.B. in mir suche, wo und wann ich überhaupt dieses Gefühl verspüre. Was sind die Anlässe für das Gefühl? Heißt das Gefühl wirklich Wut? Oder ist es eher der Zustand, in dem man nicht befriedigt wird durch das Verhalten der Umgebung und daher in den inneren Zustand des "Ungeliebtseins" verfällt? Gerade dieses Ungeliebtsein ist es ja, das die vielen Emotionen auslöst, z.B. Sehnsucht, Eifersucht, Wut, blockierte Trauer, Geiz, Neid usw: all dies sind Effekte/Farben des Grundgefühls "Ich werde nicht geliebt" und es gibt viele weitere.
Oft entdecke ich dann, daß dieses Gefühl öfter in mir ist, als ich es bisher wahrgenommen habe. Es wird in mehreren Situationen ausgelöst und bestimmte Verhaltensweisen in meiner Umgebung sind dazu geeignet, das Gefühl auszulösen. In einem Erinnerungsprozeß kann ich dann ja vielleicht diejenigen Situationen in meinem Leben herausfinden, die mir das Fühlen auf diese Weise beigebracht haben. Je mehr und besser ich die Situationen erinnere, umso aktiver kann ich das Entstehen meines Gefühls dann in der Gegenwart bemerken. Je genauer ich sein Entstehen bemerken kann, umso eher kann ich mein Gefühl steuern und sein Entstehen verhindern, wenn ich es nicht will.
Ein Beispiel für die Tiefe der Beobachtung kann z.B. sein den Prozeß zu beobachten, in dem das Gefühl auf den Körper übergreift. Die Muskulatur des Körpers muß in eine Spannung gebracht werden, damit Gefühle aufsteigen können. Die Organe müssen teilweise "anders ticken", wenn ich mein Gefühl haben soll. Daher schüttet der Körper zunächst Hormone aus, welche all diese Prozesse erst verursachen. Daß die Hormone überhaupt ausgeschüttet werden ist eine Reaktion meines Gehirns, und nicht meines Körpers. Der Körper befolgt nur die Befehle, die er vom Gehirn bekommt und "fühlt" dann so, wie das Gehirn es letztlich verursacht.
Daher ist doch wichtig zu beobachten: was genau ist gerade auf meine Wahrnehmung getroffen, wenn ich die Gefühlsentstehung an irgendeinem Punkt bemerke? Und wie genau ist der Prozeß danach abgelaufen: habe ich mein inneres "Nein" gehört, als ich meine das Gefühl auslösende Wahrnehmung hatte? Habe ich gespürt, wie ein kleiner Schauer mich erfaßt, weil die Organe und die Muskulatur auf die Hormonausschüttung reagieren und sich daher das Energieniveau des Körpers in Richtung "Achtung" und "Gefahr" begibt? Oder sind mir diese körperlichen Abläufe noch gar nicht bewußt?
Die Meditation kann, denke ich, ebenfalls helfen. In der Meditation kann ich doch beobachten: was nehme ich wahr mit meinen Sinnen? Und was passiert unabhängig davon gerade in meinem Inneren? Was denke ich z.B. für Worte? Welches Gefühl entsteht, während ich diese Worte denke, wie heißt es? Was spüre ich im Körper, welche Tendenz in mir will dieses Gefühl ausdrücken? Eine hohe Achtsamkeit für diese Kleinigkeiten, die so ein menschlicher Geist in einem Körper erleben kann, kann eben helfen, den Gefühlsaufstieg und auch die Entstehung der Reaktion auf eine Wahrnehmung zu unterbinden.
Vielleicht erinnert man sich auf diese Weise irgendwann dann noch beim Essen: "oh, da an dieser Stelle habe ich mich früher so und so gefühlt". An diesen Punkt will man ja kommen, daß man weiß, was früher in einem abgelaufen ist. Daher ist es - als dritter Tip - gut, sich von jetzt an als die andere zu fühlen, also nicht als diejenige, die diese Gefühle hat, sondern sobald wie möglich - das geht auch von jetzt auf gleich per Entscheidung - diejenige zu werden, die das eigene Gefühl noch beobachtet, aber nicht mehr in jeder Situation aus ihm schöpft. Es gibt ja auch noch den Geist, und der will sehr oft eigentlich anders als das Gefühl es will. Man sollte es ihm gestatten. Der Körper wird sich dran gewöhnen.
lg, das "viel" mir dazu ein.