Warum leiden die meisten Magier an Selbstüberschätzung?

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Passiert das weil die Sicherungen durchbrennen vor lauter Magie oder ist es einfach das übermächtige negative Ego. Was meint ihr dazu?

Bereits fünfzig Jahre, seitdem ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, die Grundprinzipien der Magie, der Kabbala und des Okkultismus im allgemeinen gründlich kennenzulernen und an andere weiterzugeben, beschäftigt mich vordringlich das Problem des Widerspruchs zwischen der Lehre des Golden Dawn und der Charakterstruktur des Durchschnittsschülers, ja sogar der Leiter okkulter Gruppen. Eine Zeitlang machte mich das recht besorgt, einfach deswegen, weil ich meinte, daß ein gewisser Grad an Übereinstimmung zwischen der Lehre und dem Lernenden vorhanden sein sollte.
Erst viele Jahre später erkannte ich die Funktion der Therapie. Zum Bekanntenkreis einiger guter Freunde in London, wo ich damals wohnte, zählten auch Psychotherapeuten. Bei der Diskussion dieses Widerspruchs zwischen Lehre und Schüler kam ich manchen von ihnen persönlich nahe. Der eine oder andere von ihnen pflichtete mir bei, daß es nur eine einzige Möglichkeit zur Aufhebung dieses Widerspruchs gäbe, nämlich sich als Patient einer Psychotherapie zu unterziehen. Ich tat das mehrere Jahre lang, und ich kann sagen, daß mir die Therapie außerordentlichen Gewinn brachte. Selbst heute noch, dreißig bis vierzig Jahre nach dieser Zeit, erhalte ich immer wieder aus allen Himmelsrichtungen Briefe von Schülern, in denen festgestellt wird, daß ich einer der wenigen geistig normalen Schriftsteller sei, die über Magie schreiben. Es sei dahingestellt, ob die Verfasser dieser Briefe recht haben, aber immerhin spüren sie, daß es einen Unterschied macht, ob sich jemand einer Therapie unterzogen hat oder nicht.

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Bei der Durchführung der Therapie kommt es nicht darauf an, ob ihre Inhalte und Grundlagen geistig, seelisch oder sonst etwas sind, sondern einzig und allein darauf, ob die Therapie einen dazu bringt, mit der eigenen latenten Infantilität, mit der man unaufhörlich konfrontiert wird, fertigzuwerden.

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Seit den letzten fünfzig Jahren lege ich großen Wert darauf, daß der ernsthafte Schüler die Magie sich zum Schutz gegen gewisse katastrophale Folgen, die bei vielen unserer hoffnungsvollen Studierenden zutagezutreten scheinen, einer Psychotherapie unterzieht. Die Schwierigkeiten scheinen aus folgendem zu erwachsen:

Das Über- Ich und der Höhere und Göttliche Genius

A. Die Verwechslung des Freudschen Über- Ichs (das unbewußte infantile Gewissen) mit dem Ordensbegriff des Höheren und Göttlichen Genius.
Zahlreiche Schüler der Magie, aber auch solche, die keine Beziehungen zur Magie haben, setzen einen der Inhalte ihres infantilen Gewissens häufig mit einem der Inhalte des »Höheren Selbst« oder mit sonst irgend etwas gleich. Das kann nur zum Unheil und Verderben führen. Anstatt von einem höheren Genius geleitet zu werden, ist diese Person tatsächlich in der Gewalt von infantilen »Stimmen« und Werten, schlicht und einfach: von Hirngespinsten. Das führt nicht nur zu maßlosem persönlichen Leiden und zur Selbsttäuschung, sondern auch zum völligen Stillstand jedes tatsächlichen Fortschritts in den theurgischen Künsten und Wissenschaften. Diese zu beobachtende geistige oder seelische Verwirrung trägt in großem Umfang zum »schlechten Ruf«, der den Schülern des Okkulten häufig anlastet, bei. Kennern der Ordensgeschichte sind treffliche Beispiele für solche Torheit nicht fremd. Es besteht hier jedoch keine Veranlassung, darauf näher einzugehen. In fast jeder Ordensgruppe gibt es Mitglieder, häufig genug auch geistige Führer, die kopfüber in die Grube fallen. die sich Übereifrigen und allzu Sorglosen auftut.

B. Es gibt erschreckend viele Fälle, wo sich das Ego aufbläht und überhöht — ein Zustand,der zuweilen auf eine infantile Megalomanie (Größenwahn) zurückgeführt wird. Um dem Schüler durch Begreiflichmachen dieser Problematik zu helfen, wollen wir uns das gesunde Ego als einen Computer vorstellen, der so eingerichtet ist, daß er Entscheidungen trifft.
Ebenso ist die Funktion des Ego die, der einzelnen Person zu helfen, Entscheidungen zu treffen, die auf festen, starren, vorgegebenen Daten gegründet sind. Ziel dieser Funktion sollte die Ermöglichung des Überlebens und der persönlichen Erfüllung in allen ihren Bereichen und Wünschen sein. In einem gewissen Sinne ist das gesunde Ego mehr oder weniger unpersönlich. Es realisiert Ursache und Wirkung in Malkuth und kennt seine Grenzen.
Andererseits ist die infantile Megalomanie in der frühen Kindheit eine ganz natürliche Erscheinung, der das gesunde, erwachsene Ego bei ordnungsgemäßer Entwicklung entwächst und die sich so verliert. Da das ein Idealfall ist, ereignet er sich in der Praxis nur selten, und um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer »Therapie«, sei diese nun östlich oder westlich orientiert. Praktiziert man nun Magie oder sonst etwas, das ungewöhnliche Energiemengen aus dem Unbewußten freisetzt, wird der infantile megalomanische Unterbau reaktiviert, und alle die Illusionen und Selbsttäuschungen hinsichtlich der Selbstüberhebung und des Hochmuts der frühesten Kindheit kommen wieder an die Oberfläche. Von diesen Schmeicheleien wird das Ego überwältigt. Die Person, sei sie Mann oder Frau, sieht die unpersönliche und universale Natur der Kräfte, die sie erfährt, so an, als habe sie die Kräfte, Erfahrungen, Erlebnisse und Fertigkeiten durch ihr eigenes sogenanntes »Ich« geschaffen. Hält diese von Jung »Mana- Persönlichkeit« genannte Erfahrung bei einer Person zu lange an, wird diese abnorm ichsüchtig und völlig selbstzentriert. Das kann sowohl bei Patienten beobachtet werden, die sich einer Psychotherapie unterziehen, als auch bei sogenannten normalen Menschen auf der Straße. Diese maßlose Selbstbewunderung oder diese, um mit Jung zu sprechen, »naive Konkretisierung von primordialen Bildern«, verursacht eine Überaufblähung des Ego, was zum Unheil führt und im Widerspruch zum Großen Werk steht. Dem Studierenden muß aber auch gesagt werden, daß eine butterweiche Bescheidenheit und Passivität nicht etwa das Gegenteil der infantilen Megalomanie ist. Bescheidenheit und Passivität sind das sine qua non einer tief eingekerbten und potentiell noch gefährlicheren Form infantiler Megalomanie.

C. Es liegt eine Gefahr in dem ungebändigten Herausbrechenlassen infolge Unterdrückung und Verleugnung verzerrter und verformter Instinkte ebenso wie in ihrer erzwungenen Verdrängung, deren Folge ein ausgehöhltes und unerfülltes Geschlechtsleben ist. Fast jeder, der in der Welt der allgemeingültigen jüdisch- christlichen Moralvorstellungen aufgewachsen ist, leidet unausweichlich unter der restlos verrenkten und verdrehten Einstellung zum Geschlechtlichen wie überhaupt zu sämtlichen biologischen Funktionen ganz allgemein. Aus diesem Grunde ist ein erfülltes Geschlechtsleben, das nicht nur die körperliche Lust befriedigt, sondern ebenso zur Entwicklung der Seele beiträgt, völlig ausgeschlossen. Eine gesunde Einstellung zu allen körperlichen Funktionen tut not; wobei man stets dessen eingedenk sein muß, daß Kether in Malkuth und Malkuth in Kether ist, wenn auch in anderer Weise. Diejenigen, die sich mit dem Großen Werk befassen, erfahren an sich selber häufig genug den Sturz in Exzesse dieser oder jener Art, nämlich in ein Zuviel oder in ein Zuwenig. Für die Entdeckung und Entwicklung des Höheren Genius spielt rechter Gebrauch und Freude am Sex eine wichtige Rolle. Einer der sehr wenigen, welche die Realität dieses Problems erkannt haben, war Aleister Crowley, obwohl er selber infolge seiner Plymouth BrethrenErziehung von Zeit zu Zeit in dieselbe Falle gelaufen ist. Den meisten von uns machen Hemmungen im Bereich des Geschlechtlichen ein wenig zu schaffen, oder noch schlimmer, sie leiden unter einem zwanghaften Abreagieren ihres verdrängten Geschlechtstriebs. Eine solche Einstellung trägt allerdings nicht zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, zu tiefer und völliger Entspannung oder als ein Hilfsmittel zur Öffnung der tief im Innern liegenden Kanäle bei.

[...]

Egotismus

Eine der großen Gefahren, die der Praxis der Magie wie gewiß auch aller anderen okkulten Künste anhaften, ist die Entstehung eines durch messianische Gefühle, infantile Allmachtsvorstellungen und den Verlust aber auch jeden Vermögens zu effektiver Selbstkritik charakterisierten, gewaltigen Egotismus. Es ist festzustellen, daß der Studierende in dem Maße, in dem er in der Meditation, beim Hellsehen oder bei den Zeremonien Fortschritte macht, von einer Überhöhung des Ego bedroht wird. Sie taucht langsam und schleichend auf, ohne erkennbare Warnung. Gewahr werden dieser Veränderung nur die dem von dieser Überhöhung seiner selbst Bedrohten sehr Nahestehenden oder seine Gefährten. Der davon Befallene ist sich seiner ihm selbst nicht auffallenden Verwandlung nur selten bewußt. Jeder Versuch, ihn auf diesen Egotismus aufmerksam zu machen, ist zum Scheitern verurteilt; es ist, als versuche man, gegen eine Wand anzurennen.
Dieser Hybris scheinen vor allem solche Aspiranten zu verfallen, die außerhalb eines okkulten Ordens oder außerhalb einer anerkannten Schule der Magie auf sich allein gestellt tätig sind. Gerade »Einzelgänger« sind dagegen nur in den seltensten Fällen gefeit. Hingegen scheinen solche, die ihr okkultes Werk unter der Obhut einer legitimen Gesellschaft oder unter der Leitung eines erfahrenen und weisen Gurus oder Lehrers ausüben, vor diesen Anmaßungen sicherer — es sei denn, der Guru ist selber ein Opfer seiner eigenen messianischen Phantasien und seiner eigenen Überheblichkeit geworden. Dann nämlich steckt er selber die Schüler mit seiner persönlichen Krankheit an; wobei er den Zusammenbruch seiner ihn umgebenden Schüler nicht einmal wahrnimmt.
Aus:
Israel Regardie
Das magische System des Golden Dawn Band l
 
Werbung:
Zitat:Wenn es um Magie und magische
Tätigkeiten geht, dreht es sich immer um Tun/Sein, welches
faktisch nicht dem Magier vorbehalten ist.


Insgesamt ist die ganze Welt durch das absolute Subjekt konstruiert
(allerdings nicht aus der individuellen Perspektive heraus).
Dadurch wäre dann jeder Magier, bzw. es ist nur EIN Magier.
Aber irgendwo wollten wir doch was anderes definieren?

Zitat:So sind Erfolge immer dem Zufall
unterlegen, weil die eigene kontraproduktive Kraft nicht
berücksichtigt wird


Naja, es ist wohl sicher so, dass man auch unbewusst (im Sinne von unabsichtlich) Veränderungen in der Welt hervorrufen kann. Allerdings
würde ich sagen, dass "Magier" impliziert, dass Absicht und Verantwortlichkeit
essentiell sind, und dass man weiß was man tun muss, damit irgendwas so geschieht, wie man das haben will. Auch insofern, dass es nicht reines Glück ist ob man Erfolg hat oder nicht.
 
Zitat:die Frage ist offensichtlich obsolet, da "wir" existieren.
Und das nicht nur 30 Minuten.


Weil "wir" uns jederzeit selbst erschaffen. Gut, aber tut nicht ein Magier noch etwas anderes als irgendeine x-beliebige andere Person?
 
Aus:
Israel Regardie
Das magische System des Golden Dawn Band l



wow
hochinteressannt...

gerade heute fragte ich mich
was ist das Ziel der Magier?

ich hatte sogar Lust einen thread aufzumachen

nehmen wir mal die Macht aus der Gleichung
so geht es doch vornehmlich um das Gleichgewicht
die MAAt im alten Ägypten genannt...


aber durch den Egoismus, oder wie dort steht Egotismus
gerät das dann wohl aus den Fugen


so wie beim Krebs, wo die Zellen sich abkapseln
und ein eigenes Reich gründen (Tumor)


der Magier sollte so sehr lieben
dass er diese Liebe unter den Willen
von Thelema stellt


letztendlich frage ich mich
was will der Magier eigentlich?
was meint er glauben zu müssen zu beeinflussen?

geht es nicht letztendlich nur um sich selbst?


ich frage das alles, weil ich schon immer
eine grosse Liebe zur Magie habe
somit ist das hier von mir keine Anklage

ich will es verstehen...


wie ist es in der Natur?
viele machen sich auf den Weg
nur einige kommen durch


Beispiel Fischeier
Krokodilseier
die Natur ist verschwenderisch


aber ist es nicht so
dass das Boot erst dann aus dem Hafen fährt
wenn der letzte Passagier auch an Bord ist?




LG Ali:kiss4:


 
Zitat:psi, ich denke, mit dieser Sicht bist du hier im MUF sicher nicht allein. Ich sehe nicht, wie das, was du Geist nennst bewusst sein könnte.

http://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein#Bedeutung

im Sinne von
1. Ja (allerdings sagt uns das wenig)
2. Nein
3. Definitiv Ja (sonst fällt Idealismus in sich zusammen)
4. Nein
5. Nein
6. Nein

Das absolute Bewusstsein ist eben phänomenales Bewusstsein.

========================================================

Interessanterweise fällt mir gerade auf, dass ich gerne den Gesamtprozess als eine Art von übergeordneter Kausalität aus den Augen verliere und die Welt auf meine (egoistische) Sicht, die letztlich im Nichts wurzelt reduziere, die sich in einer potentiell "unkooperativen Welt".

Dadurch, dass mir das klar wird verändert sich gefühlsmäßig der "Ego-Begriff", dadurch, dass ich nicht mehr ein Prozess neben vielen bin, sondern diese zusammen einen Gesamzprozess erzeugen.

Eigentlich ändert sich nicht wirklich viel, aber letztlich hast du gerade zu so einem "Ach-Klar"-Moment beigetragen, die ich, um ehrlich zu sein, schon länger nicht mehr hatte.

Vielen Dank.

P.S.:
Ich würde hinsichtlich des Gesamtprozesses aber nicht von Bewusstsein oder Geist, sondern Ordnung sprechen. Das scheint mir klarer.
 
Passiert das weil die Sicherungen durchbrennen vor lauter Magie oder ist es einfach das übermächtige negative Ego. Was meint ihr dazu?

Ich sehe dass es hier so einen tollen Austausch gibt und bin auf eure hochgeschätzten meinungen wirklich gespannt

liebe ist das gesetz
das sagt doch alles oder?
liebe unter willen heisst :
bewusste selbstannahme
so wenn dann das ego sich aufblähen sollte ist das ja meistens aus angst davor
dass man was angstellt hat
einer der stärksten schwarzen magien ist ja die urschuld
und jesu hat diese elemeniert
indem er daran erinnerte
dass der mensch gott ist...sein wesen reine liebe ist:)
und wenn er sich wieder im paradies erlebt
wird allerdings die schlange auch wieder da sein
na und?:D
 
liebe ist das gesetz
das sagt doch alles oder?
liebe unter willen heisst :
bewusste selbstannahme
so wenn dann das ego sich aufblähen sollte ist das ja meistens aus angst davor
dass man was angstellt hat
einer der stärksten schwarzen magien ist ja die urschuld
und jesu hat diese elemeniert
indem er daran erinnerte
dass der mensch gott ist...sein wesen reine liebe ist:)
und wenn er sich wieder im paradies erlebt
wird allerdings die schlange auch wieder da sein
na und?:D

hier beginnt für mich dann die eigentliche magie
ohne angst und ego #denn ego ist einfach nur ein scharlatan da gebe ich dir recht
imgrunde gibts allerdings ego nicht
magie geschieht durch die liebe
wie sonst ...?
 
Weil "wir" uns jederzeit selbst erschaffen. Gut, aber tut nicht ein Magier noch etwas anderes als irgendeine x-beliebige andere Person?

Hallo,
nein, er weiß er nur dass er tut.
Und das in dem Moment wo er
Sein und Tun auf eine Ebene bringt.
-----
Ihr Fokus liegt zu viel auf dem Tun.

Jvs
 
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