Warum gibt es so viele Menschen, die nicht an die Sterne glauben?

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Das liegt daran, das sich mal wer finden müsste, der eine so groß angelegte Forschung finanzieren würde. Außerdem müsste man von tausenden Menschen die genaue Geburtszeit zur Rate ziehen und jedes einzelne Horoskop für sich untersuchen. Das würde sehr lange dauern.
Das seh ich nicht so - es müsste ja überhaupt erst einmal definiert werden, welche Spielart von Astrologie da untersucht werden soll. Die Frage, ob Astrologie "stimmt" oder nicht, bringt noch gar nichts - mal dahingestellt, wie da ein Experiment angelegt werden kann. Die bisherigen Ansätze scheinen vor allem zu belegen, dass Astrologie hinsichtlich überzeugend und nachprüfbar exakter Ergebnisse nicht zu beweisen ist. Und selbst wenn - würde das auch nur einen kleinen Schritt näher an die Antwort auf "Wie funktioniert Astrologie?" bringen?

Mit meinem chaostheoretisch-konstruktivistischen Background sehe ich das nicht als Manko, sondern als selbstverständlich - mir ist aber klar, dass andere mit anderem Zugang die Hoffnung weiterhin hegen, man könnte doch irgendwann mal beweisen, dass... und auch das ist nicht nur in der Astrologie so, sondern auch in vielen wissenschaftlichen Disziplinen, wo die einen auf der Basis eher herkömmlicher Wissenschaftsmodelle meinen, wenn man nur exakt genug und umfassend genug messen, Daten sammeln und auswerten könnte, wäre so ziemlich alles in den Griff zu kriegen. Während eine andere Fraktion mit komplexer angelegten erkenntistheoretischen Prämissen (was keine Wertung bedeutet, sondern einfach einen Unterschied markiert) solche linearen Denkmodelle aufgegeben hat und neue Wege geht, um Wirklichkeiten zu beschreiben (konstruieren): Fraktale, Attraktoren, Holarchien, selbstreferenzielle Schleifen etc. pp.

In solchen Modellen ist auch der Kausalzusammenhang, den zum Beispiel Wittgenstein als "den Aberglauben schlechthin" bezeichnet, keineswegs mehr ein konstituierendes Element heuristischer Modelle - im Gegenteil: eine "Sichtweise ist umso systemischer, je mehr sie von kausalen Begründungsmodellen absehen kann". Das ist nicht Astrologie, das ist nicht irgendeine unscharfe Synchronizität, (auch) das ist zeitgenössisches wissenschaftliches Denken.

Und ich meine, da zeichnet sich eine ganze Reihe hochspannender Berührungspunkte mit Astrologie ab, die fruchtbar werden können, wenn man von beiden Seiten die hohen Rösser verlässt und sich auf ein Bier zusammensetzt. Und da ginge es dann nicht mehr so sehr um die Frage, WARUM Astrologie funktioniert, sondern WIE ihre Modellierungen von Wirklichkeit konstruiert sind und auf welche Weise sie brauchbar und nützlich (und auf eine kommunikative Basis für einen nüchternen Diskurs gestellt) werden können.

Ich finde da den Ansatz von Christopher Weidner recht spannend - hier -, und ein wenig habe ich selber hier zu beschreiben versucht. Um mal aufzuzeigen, wo offene Schnittstellen für neue Qualitäten von Begegnung wissenschaftlich denkender und neugierig gebliebener Menschen möglich sind.

Alles Liebe,
Jake
 
Hi @ all,

nur ganz kurz.. hab in diesen Tagen wenig Zeit, aber trotzdem danke erstmal für eure Antworten, vor allem an Ouranos für die Detailanalyse. Ich hab zwar verstanden, wie das funktioniert, aber bis man sich das aus dem Ärmel schüttelt und gewisse Zusammenhänge sofort sieht, vergehen wohl einige Jahre der Erfahrung. Ich muss mir das jetzt erstmal sorgsam und strukturiert aufschreiben (Ja, ich bin doch AC Jungfrau :D) und das ganze Horoskop daraufhin durchgehen. Außerdem gehts ja eigentlich um ein anderes Thema hier...

Bis in ein paar Tagen dann :)


Lieben Gruss,
D
 
Danke Ouranos! Werd ich mir mal ansehen... Und danke Jake! Dass es gar keine Kausalzusammenhänge geben kann, so weit hab ich tatsächlich noch nie gedacht. Das Essay ist echt cool, deines hab ich noch nicht gelesen (Zeitmangel), werd ich aber noch tun... Du sagst, Astrologie kann ein Werkzeug sein, wie setzt du das ein? Ich habe Weidner so verstanden, dass A. subjektiv ist und daher auch nur sujektiv eingesetzt werden kann. Dass heißt, es kann eine Art Inspiration sein, die nur ich umsetzen kann (jeder für sich)=>??
 
Du sagst, Astrologie kann ein Werkzeug sein, wie setzt du das ein? Ich habe Weidner so verstanden, dass A. subjektiv ist und daher auch nur sujektiv eingesetzt werden kann. Dass heißt, es kann eine Art Inspiration sein, die nur ich umsetzen kann (jeder für sich)=>??
Subjektiv heißt, wenn ich's richtig verstehe, bei Weidner, dass Astrologie auf der Basis von Deutungen funktioniert, und Deutungen sind per se zunächst einmal subjektiv (auch wenn sie dann von irgendwem übernommen werden, weil sie sich stimmig anfühlen - da macht dann einer mein Deutungskonstrukt zu seinem Deutungskonstrukt, und das ist ebenso subjektiv). Und insofern kann ich Astrologie durchaus als Werkzeug einsetzen, (größeren)Teils Deutungen übernehmend, teilweise neu ableitend, astrologische Verfahren überprüfend und adaptierend... um meinerseits aus astrologischen Bildern/Horoskopen/Konstellationen Deutungskonstrukte abzuleiten. Das kann ich für mich selber tun, das kann ich im Dialog mit anderen tun. Etwas weiter gefasst: Objektiv könnte allenfalls - wenn ich denn auf Objektivität Wert lege - die Astrologie an sich sein. Jeder Blick auf die Astrologie und jede Arbeit mit Astrologie ist hingegen a priori subjektiv (auf dem Boden des Konstruktivismus, der davon ausgeht, dass unser Zugang zu Wirklichkeiten nur über unsere subjektiven Konstrukte, aber nicht unmittelbar erfolgen kann. Ich sehe das nicht ganz so radikal - unterschreibe es aber, sofern es Begriffbildung, Denken und Sprache anlangt. Im transverbalen Bereich halte ich schon auch andere Formen der Erfahrung bzw. des Gewahrwerdens von Wirklichkeiten für möglich - vom "wissenden Feld" in Systemischen Aufstellungen bis hin zu tiefen Meditationserfahrungen.)

Alles Liebe,
Jake
 
Hallo MarenCora,

ich möchte nochmal auf deine Eingangsfrage zurück kommen.
Ich denke, dass viele Menschen Astrologie ablehnen, weil sie Zeitungshoroskope als Sinnbild für Astrologie nehmen. Und da ist m.E. nur zu verständlich, dass eine ablehnende Haltung angenommen wird.
Nur wer sich tiefer einläßt, wird erkennen, dass es kein "Glaubenssystem" ist, sondern ein System, dass die "Wirklichkeit" (nicht unbedingt die Realität) abbildet.
Ich kenne kein anderes Systgem, das dies kann, selbst in der Psychologie brauchts ettliche Sitzungen, bis z.b. eine Mond / Pluto-Thematik herausgearbeitet wurde. Für einen Astrologen ist dies auf einen Blick zu erkennen.

lg
Gabi
 
Hallo...
ich bin neu hier und möchte mich gleich mal als nicht sehr informiert outen. Das soll heißen, ich kenne mich mit Horoskopzeichnungen nicht gut aus, glaube aber, dass es eine Verbindung zwischen Mensch und Kosmos geben muss. Wäre nicht alles sonst sinnlos? Wenn ihr (die ich auch als derart "gläubig" ansehe) mit anderen Menschen diskutiert, redet, welche Argumente benutzt ihr um ihnen die Astrologie näher zu bringen?
Mein Hauptargument habe ich schon genannt...wenn es keinen Zusammenhang/Einfluß gäbe dann wäre der Mensch abgeschnitten vom Universum und seine Existenz recht sonderbar... bin gespannt auf eure Meinung.

Grüße Maren

Man soll nicht an die Sterne glauben, man soll Bescheid wissen. ;)
 
Man soll nicht an die Sterne glauben, man soll Bescheid wissen. ;)

Aber worüber kann ich bescheid wissen, wenn es keine Grundlage gibt? Dann muss ich ja doch irgendwie daran glauben, damit ich mir erst einmal die Mühe mache, mich einzuarbeiten. Vielleicht reicht auch einfaches Interesse aus, da komme ich auch wieder auf meine Frage zurück. Es ist schade, dass so "wenig" Interesse an diesem Thema besteht...
 
Hallo MarenCora :)

Aber worüber kann ich bescheid wissen, wenn es keine Grundlage gibt? Dann muss ich ja doch irgendwie daran glauben, damit ich mir erst einmal die Mühe mache, mich einzuarbeiten.

Viele wissen es zwar nicht, doch die Grundlagen der Astrologie sind nicht irgendwie zusammengeflickt, da steckt ein System drinnen. Und auch die mathematischen und astronomischen Grundlagen sind korrekt.

Ob es für Astrologie Grundlagen gibt oder nicht, ist auch davon abhängig, was für ein Bild die Gesellschaft hat. Der momentane Trend liegt ja bei den Naturwissenschaftern, man glaubt nur an "Ursache und Wirkung", und alles, was man nicht messen kann, existiert nicht. Nur was rational und technisch begreifbar ist, stimmt.

Doch wenn man eine andere Perspektive einnimmt, und man sagt, es gibt Zusammenhänge, die haben durchaus System und richtige Grundlagen, auch wenn man es nicht messen kann. Das Leben besteht auch noch aus anderen Dingen wie aus dem, was man angreifen kann.

Warum glaubst du, suchen so viele Menschen in der Astrologie zuflucht? Sie suchen nach den Dingen, die hinter dem stehen, was man angfreifen und "beweisen" kann. Es macht auf die Dauer nicht glücklich, wenn man immer nur Naturwissenschaftlichen Bahnen denkt.

Trotzdem ist die Astrologie deswegen nicht weniger logisch wie andere Dinge auch ;)

LG Ouranos
 
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Hi, Ouranos.

Warum glaubst du, suchen so viele Menschen in der Astrologie zuflucht?

Zuflucht sucht, wer Angst hat. Angst war aber noch nie ein guter Ratgeber, und deswegen wird, was aus Angst geschieht, weder dauerhaft noch erfolgreich sein. Schon dieser eine Satz deines Beitrags macht jede weitere Diskussion fruchtlos.

Um bei deiner Metapher der Zuflucht zu bleiben: jene, die Zuflucht suchen, sind die armen, verängstigten Schäflein, denen man alles erzählen kann, weil sie in ihrer Not jeden Strohhalm benutzen wollen, um sich aus dem Sumpf zu ziehen. Das was Maren m.M. meint sind die "Priester", jene, die tiefer graben und die Astrologie rechtfertigen.

Und da meine ich, dass eine gewisse Portion Distanz zu jeder Forschung dazugehört. Wer sich für seinen "Glauben" aufopfert, ist nicht allzu weit vom Fanatismus entfernt -- was man ja hier im Forum immer wieder gut beobachten kann. Astrologie ist ein Werkzeug, das nur durch Übung beherrscht wird und ob man sich dieser dauernden Übung unterzieht, hängt wie immer von der davor liegenden Nutzenüberlegung ab. Niemand kauft sich eine Sense und übt deren Beherrschung, wenn er keinen Quadratmeter Grasland besitzt. Oder er doch Gras besitzt, aber einen Rasenmäher oder Schafe zum Mähen verwendet. Werkzeuge müssen etwas leisten, das sie effizient -- zumindest in den Augen ihres Benutzers -- macht. Und da sind wir wieder bei der "Glaubensfrage" -- es gibt noch keine Tests in irgendwelchen Eso Zeitschriften, was glücklicher macht und mehr Erkenntnis verströmt, Karten legen oder Sterne schauen, Kaffeesud lesen oder Pendeln. Das muss jeder für sich entscheiden und zu einem guten Teil zuerst mal "glauben" (richtiger: eine Hypothese aufstellen), welches der Werkzeuge der Lage am angemessensten ist. Die Hypothese kann man immer noch verwerfen, die Kreise auf den Müll werfen und sich Tarotkarten besorgen… Es ist der Wechsel des Werkzeugs also weit weniger aufwändig als der Wechsel des Glaubens…
 
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