Was kommt da von wo, von wem wirklich rein? Bedient sich eines selbst? Oder würde das ohnehin keine Rolle spielen, weil ja ohnehin alles eins ist? Schwierig festzustellen, aus menschlicher Sicht, nehme ich mal an.
Ja, das festzustellen ist wohl schwierig.
Ich persönlich halte es da mit der Naturwissenschaft. Sie stellt mir die Vision als ein Ergebnis meiner Hirnchemie vor. Und als Solches kann ich das, was ich visionär wahrnehme, gut so lassen.
Ich persönlich will mal unterscheiden: was ist Geist und was ist Vision. Geist stellt sich mir dar als eine Art Gefäß, das sich mit Inhalten füllt und auch füllen läßt. Beides ist möglich: ich kann beobachten, wie sich mein Geist z.B. mit Gedankengefühlen füllt. Aber ich kann natürlich auch mir etwas bewußt hernehmen und darüber zumindest das Thema bestimmen, mit dem sich mein Geist beschäftigt.
Wenn jetzt eine von mir ungesteuerte, ungefragte Vision erscheint, dann ist das zunächst ja mal - hmmmm - zumindest ungewöhnlich oder ungewohnt für mich. Sie paßt nicht zu meinem sonstigen Gedankengefühl und auch nicht zu meinem Bild-Erleben im Inneren, das ich habe wie jeder Mensch. Und ich meine damit jetzt nicht die empathische Vision, die mir ein Bild zu meinem empfundenen Gefühl gibt, das ich dann z.b. im Gespräch äussern könnte: "wenn Du das so erzählst, dann fühlt sich das in mir so und so an. Ich sehe es innerlich als (...)". Diese Art von Vision meine ich jetzt nicht, sondern ich meine die "grosse" Vision, wie Maria schrieb.
Wie fühlt sich das wiederum an- hm.... schwierig, das zu beschreiben. Es fühlt sich so an, als würde ein Hirnareal, das sonst vor sich hinschlummert, aktiviert und als machte es mir eine andere Ebene des Erlebens. Ich weiß dann, daß ich auf einem Bett liege oder auf einem Stuhl sitze. "Ich" bin also durchaus noch da, als Beobachter. Aber: was meine Wahrnehmung dann während der Vision beinhaltet, scheint nicht mein eigenes Leben zu sein. Es scheint auch mein eigenes alltägliches Leben nicht zu betreffen, was ich dann sehe und erlebe.
Ich erlebte z.B. einen Teil dessen, was wohl Jesus Christus erlebt hat an dem Tag seiner Kreuzigung. Es war im Jahr 2001 im November: ich saß in der Küche, meine körperliche Gesundheit war vollkommen aus den Fugen und heute weiß ich, daß mein Leben damals insgesamt krank war. Ich war am Leben erkrankt - so könnte ich das sagen. Ich war in genau der Situation, die, wie ich heute weiß, oft Auslöser für solche Visionen sind, wie ich sie damals hatte: ich war es nicht gewohnt, mich an Gott zu wenden, weil er mich nicht interessierte, aber damals konnte ich nur noch heulen über mein Leben und laut schluchzend sagen: "Herr, ich kann nichts daran ändern. Bitte hilf mir." Mir war damals klar, daß ich so, wie es war, mein Leben nicht weiter führen konnte, weil mein Körper es so nicht mitmachte. Ich war wirklich verzweifelt, weil ich eigentlich dachte, immer alles so gut zu machen, wie ich es vermochte. Ich verstand nicht, woher "die Strafe" kam, so krank zu sein.
Es mögen nur einige Sekunden gewesen sein, in denen ich dann so real wie im wirklichen Leben bemerkte, daß ich auf ein Kopfsteinpflaster blickte und eine kleine Straße entlang ging. Ich wunderte mich, was so unendlich laut war in meiner Umgebung und hob die Augen. Ich sah die Menschen, die mich umgaben. Einige von ihnen gingen vor mir her, andere waren hinter mir. Aber die, die mich zu Beginn interessierten, standen am Rand des Weges. Sie schrien nach mir - es war ein solches Getöse, daß ich nicht verstand, was sie riefen. Sie bewarfen mich auch mit Steinen und mit Dreck, sie blickten mich haßerfüllt an und schrien etwas. Sie lachten mich aus - Gottes Sohn.
Ich fiel, als ich das bemerkte. Ich mußte sie dann nicht mehr sehen. Ich wendete meinen Blick nach rechts in eine Gasse, die einen Berg hinaufführte. ein enges Sträßlein mit einem Rinnsal, gebildet aus niedrigen Häusern, an denen Wimpel wie Wäschestücke angebracht waren.
Ich war natürlich verzweifelt. Ich stand wieder auf, aber bemerkte, daß es mir kaum gelang. Ich realisierte, daß das an dem Kreuz lag, das ich auf meiner linken Schulter liegen hatte und das ich mit mir mitschleppte. Aber ich schaffte es dann und ging weiter. Ich verlor dann beinahe das Bewußtsein als Gehender, hörte nur noch ein unendlich lautes Geräusch, welches das Universum zu machen schien. Es schien mir gleichzeitig, als könnte ich hören und sehen, wie etwas geschieht, das ganz weit weg geschah, egal was es war.
Ich fiel wieder. Es kam dann jemand, der mir das Kreuz abnahm und es für mich trug. Und dann war diese Vision auch schon vorbei und ich nahm mich wieder wahr auf meinem Stuhl in der Küche sitzend. Von dem ich dann erst mal herunterfiel. So heulend, so hilflos schluchzend, wie ich das in meinem Leben noch nie getan hatte, auch und gerade nicht beim Tod meines Vaters.
Was dann in der Folgezeit geschah war, daß ich "nichts halten konnte". Genauso fühlte es sich an. Ich konnte nichts halten - das heißt, daß ich nichts mehr bestimmen konnte in der Folgezeit, was mit mir geschah. Wollte ich etwas, dann wurde mir gezeigt, daß das aber so nicht geht, wie ich es will. Körperlich, geistig und seelisch wurde mir das gezeigt. Und die Kraft, die mir das zeigte, und die ich dann auch mit und mit übernahm und immer noch übernehme, um mein Leben zu gestalten, ist noch immer 1:1 in mir fühlbar. Ich hüte sie - unter anderem indem ich kaum über dieses Erlebnis spreche. Das muß ich auch nicht - normalerweise. Aber im Moment ist's wohl nötig, um damit einen Schritt weiter zu gehen in meinem eigenen Leben.
Dann kam eine zweite Vision, 5 Jahre später. Ich saß schreibend am Tisch - mich thematisch eben diesem Thema nähernd. Es war hier im Forum - ich war gerade böse wegen dem Unverstandenen, das ich las. Es lag thematisch nahe bei meiner geschilderten Kreuzweg-Vision und der Klärung, die sie in mir verursachte. Was ich las, beinhaltete das nicht und das machte mich sauer. So bin ich gewesen.
Dann passierte es wieder: Ruuumps, es ist als wenn man auf einmal in einen ganz anderen Raum eintritt, in dem man ein Erleben hat. Ich vergleiche es gerne mit einem Traum, in dem ich Stimmen viel lauter und präsenter, Bilder viel deutlicher auf mich bezogen wahrnehme als beim Betrachten meiner alltäglichen Umgebung. Allerdings kam diese Vision anders daher: die erste Vision kam wie mit Pauken und Trompeten, sie erschien mit einer umfassenden Wahrnehmung der Situation eines Menschen Jesus Christus, mit einem Seh-, Riech-, Schmeck- und Fühlerleben. Nun war es anders:
es war, als hätte jemand aus einem Bild ganz viele Pixel ausgeschnitten und als sähe ich nur immer jeden 20. Bildpunkt. Die Vision war optisch zwar klar, weil ich den Inhalt erfassen konnte: ein großer, aufrechter Mann ging, in einem roten Umgang gekleidet, einen Weg entlang. Ich sah ihn von hinten, die ganze Zeit, und war nicht "Teil von ihm", so wie in der ersten Vision.
Der Mann war gefolgt von anderen Menschen. Sie gingen mit ihm und hinter ihm her, in großer Zahl. Sie gingen gemeinsam in die Zukunft, die hell war und licht, auf einen Regenbogen zu. Alles war Friede, alles war Freude. Und ich, ich ging vermutlich mit, das weiß ich nicht genau.
Dann fiel ich wieder vom Stuhl, wobei ich froh bin, daß wieder niemand zuhause war. Und ich war froh, daß der Stuhl es ausgehalten hat, denn es war eher wie ein Ritt auf einem ungehobelten Gaul, es schüttelte mich. Aber ich wollte diese Vision sehen, hatte ja bereits die Angst davor verloren und hatte längst in mein eigenes Vertrauen gefunden darüber, daß mir so etwas passiert. Ich sehe es als ein Geschenk Gottes und in mir entsteht auch kein Widersprechen darüber, daß Gott sich dafür meiner Hirnchemie bedient. Ich bin dankbar, daß mich Gott solange auf dem Stuhl sitzen läßt dabei, daß ich bewußt danach auf die Erde gleite und mich nicht verletze. Und mehr denke ich dazu auch nicht, frage mich dazu nichts, und lasse es so. Es ist einfach nur ein herrliches Geschenk, letztlich egal, wo es herkommt.
In den Folgejahren seit 2006 passiert es mir, daß ich mich mit diesem Jesus Christus anfreunde. Ich bin dankbar, daß er mir 2001 die Augen geöffnet hat für sein Leid und mirzeigte, daß ich er bin. Daß ich Christus bin - wenn auch mit einem anderen Lebens- und Leidensweg als er es der Bibel nach gelebt hat. Aber mit dieser zweiten Vision gab er mir ein Bild, das noch unvollständig war, das ich noch nicht klar sah, sondern nur in einer schlechten Bildqualität. Was ich dann erlebt habe ist, daß sich die fehlenden Pixelpunkte im Laufe der Zeit erschlossen, immer dann, wenn ich mit der Vision gearbeitet und mich ihrer erinnert habe. Der Weg wurde immer deutlicher, der da gegangen wird und andere Menschen mitnimmt.
Das ist so. Das ist schon längst meine spirituelle Essenz geworden. Nichts füllt mich mehr aus, als diese Visionen. Sie betreffen mein innerstes Herz, meine Liebe.
Hm.... jetzt ist es bald 10 Jahre her, und ich sehe meinen Lebensweg vor mir. Diesen Lebensweg, der mir da vorgezeichnet wurde. Ich entschließe mich immer wieder auf's Neue, diesen Weg zu gehen. Ich werde sehen, was ich tun muß, um Menschen mitzunehmen hin zu Gott. Ich glaub das ist meine Aufgabe.
lg