Verzeihen lernen

Hallo ihr lieben,

habe momentan sehr an einem Problem zu knabbern. Aber ganz von Anfang.

Letztes Jahr habe ich mit einer Freundin am Thema gearbeitet, wo auch der Tod des Schwiegervaters aufkam.

Leider hab ich irgendwie seit dem einen komischen Knacks. Mein Vater wird dieses Jahr 72. Ich selbst bin 25. Meine Mutter ist 65. Also doch recht großer Altersunterschied, wenn man doch recht alte Eltern hat.

Aber zu meinem Problem. Eine gute Freundin hat am Freitag, mir gesagt, als ich mal wieder am weinen war, was wäre wenn mein Vater sterben würde.

Ich habe immer wieder Alpträume wo mein Vater stirbt, entweder wird er erschossen oder stirbt mit meiner Mutter bei einem Hubschrauberexplosion. Krankheit und sterben ist irgendwie da ausgeschlossen.

Hab da schon etwas daran zu knabbern. Es geht dabei weniger um die Thematik, blaaa, da haste was von deiner Freundin am Thema übernommen. Sondern es geht dabei um was anderes.

Eine Freundin meinte am Freitag, als ich weinte, wenn mein Vater stirbt, irgendwie ist er mehr das Hauptthema als meine Mutter, weil ich doch sehr stark an meinem Vater hänge.

Naja ich meinte das ich Angst habe, wenn er "geht", er nicht das gefühl hat, genug von mir geliebt zu werden. Auch wenn ich das oft sage, habe ich oft das Gefühl, es reicht nicht. Ich tue aber auch nicht viel dafür. Das lässt sich natürlich ändern, wenn ich das wirklich will und das möchte ich wirklich.

Doch ich habe an einer Sache echt zu knabbern, auf das meine Freundin mich hinwies. Ich solle meinem Vater verzeihen, das er mich als Kind übelst geschlagen und nach den Schlägen so gedemütigt hat. Das prägt auch heute noch mein Leben, da ich bis jetzt noch keine Beziehung eingehen konnte. Auch ist das schwierig an der Sache zu arbeiten, wenn sich mir zeitlich nicht die möglichkeit bietet in der Hinsicht einen Mann für eine Partnerschaft zu suchen. Also im Grunde genommen habe, ich wenn sich die Situation ergibt an der Thematik echt zu knabbern. Meine Freundin meinte, ich solle ihm sagen, das ich ihm verzeihe für die Vergangenheit.

Ich lese gerade über Schattenarbeit. Ich bin mit der Art der Psychohygiene vertraut und habe über die ganze Sache nachgedacht. Auch wenn das was er getan hat nicht richtig war, hat er sich nicht nur zum Täter gemacht, sondern gleichzeitig zum Opfer. Denn ich weiss, weil er es mir mal ganz verzweifelt gesagt hat, das er es mir so angenehm wie möglich machen will, weil er weiss das er diese Schuld zu tragen hat.

Aber ich sitze da, mit so vielen Hilfsmittel die ich kenne und einsetzen kann. Aber da ist so eine Blockade, die schier unüberwindbar ist. Ich weiss einfach nicht, wie ich meinem Vater verzeihen kann. Ich hasse ihn nicht, ich grolle ihm nicht. Es ist eine traurige Vergangenheit, die mich aber zu dem gemacht hat was ich bin. Ich bin Bodyworkerin mit Leib und Seele, dessen Weg ich womöglich nie eingeschlagen hätte, hätte ich eine andere Vergangenheit.

Ich blockiere mich total selbst. Ich meine ich muss ihm nicht verziehen, ich muss mich nicht dazu drängen. Aber meine Freundin, hat da was ins Rollen gebracht, was mich grade total fertig macht. Weil ich nicht weiss wie ich die sache angehen soll. Ich möchte auch mich nicht mit meinem Vater zusammensetzen und jetzt darüber reden. Ich möchte dann mit ihm reden, wenn ich ihm zu 100% verzeihen kann. Ich könnte sagen ja, ich sage es ihm. Aber irgendwie fühlt sich das so gar nicht gut für mich an. Und ich würde das vielleicht in einer heiklen Situation wieder herauskramen. Ich möchte einfach diesen Prozess abschließen. Sagen, ich habe damit ein Problem, das ich aber nur lösen kann, wenn ich auch bereit bin, und ein Mann der mich Liebt dieses Problem aufzuarbeiten, so geht das nur bedingt. Für die Zukunft kannst du nichts, aber ich möchte dir für die Vergangenheit verzeihen und es gemeinsam besser machen.

Psychotherapie als Lösungsweg, darüber habe ich bereits nachgedacht, hatte ich aber auch schon zu genüge bezogen darauf. Hat mir da auch wenig gebracht bis gar nichts gebracht (Therapieformen waren unterschiedlich).

Puh, ich hoffe ihr habt da einen Tipp. Manchmal sieht man vor lauter Bäumen den Wald kaum. (sorry wenn ich es in die falsche Rubrik getan habe, aber ich habe keine bessere gefunden).

So bin ich dann auch gerade auf deinen doch berührenden Beitrag gestoßen.
Erst einmal möchte man dich :umarmen: wenn man diesen Beitrag gelesen hat, aber so recht helfen und eine Antwort auf all dies ist es dann auch nicht.
Da ist auf einer Seite deine Angst.
Aber auf der anderen Seite auch eine ungeheure Kraft die aus deiner eigenen Quelle die du in dir trägst zu spüren ist.
Mit deiner Angst meine ich das, was deutlich zu merken ist, du versuchst Dinge zu meiden in einer gewissen Art und dir trotzdem doch erhalten bleiben.
Sich hier und da immer wieder einen Weg in dein Bewusstsein bahnen.
In allem liegt sicher der eine Sinn, das all das was du erlebst und fühlst bis zum Ende gefühlt werden sollte, auch möchte.
Das Glück das du suchst in dem weiteren Zusammensein mit deinen Eltern verbirgt sich hinter all den schönen Gefühlen du trägst.
Glaube mir ich kann es dir nach fühlen, kenne ich diesen Schmerz.
Was mir geholfen hat eines Tages war das erkennen, das ich all meine Ängste erkennen musste und sie annehmen musste.
Sie vollkommen und ohne eine Brille die alles rosa malt annehmen musste.
Immer noch muss.
Du hast die Kraft, dessen bin ich mir sicher, das du einen Abstand finden kannst zu all dem, der bei dir anfängt, um alles zu über blicken.
Rennen hat keinen Sinn, auch dies ist eine Erfahrung die ich machen musste, ja, auch sagen kann durfte.
Das was sich über Jahre unbemerkt aufbaute, kann nicht von heute auf Morgen gehen, weil es auf einem mal das Bewusstsein erreichte.
Was nicht heißen soll, das es auch Jahre braucht bis es gehen kann, wird.
Zwischen dir und deinem Vater ist eine unsichtbare Mauer entstanden, die nun deutlich zu spüren ist von deiner Seite.
Eine Mauer die nicht nur aufgebaut wurde von dir von Tag zu Tag und Jahr um Jahr, sondern auch von Seiten deines Vaters.
Auch wenn du das Gefühl hast das ihr einander nicht ausreichend seht und liebt, schaue tiefer in dein Herz, auch dein Vater wird dies tuen und schaue dir den Punkt an, an dem du dich wirklich zu ihm bekennst und du alles annehmen kannst.
Schaue ob da nicht noch etwas ist, was mit einer Ablehnung verbunden ist von deiner Seite.
Und selbst wenn es nur ein klitzekleiner Rest ist, dieser kann schon ausreichen.
Bewirkt er vieles in einem Menschen und auch mit seinen Mitmenschen, denn auch wenn man dies nicht beabsichtigt, hält man in diesem Moment auch einen Spiegel in der Hand.
In diesen Spiegel schaut der Mitmensch, das Gegenüber.
Und auch dein Herz hat eine starke Wirkung, eine Wirkung so stark wie ein Magnet, das es so sein wird, das es Dinge gibt zwischen euch die sich anziehen.
Frage dich ob es noch etwas gibt, wovor du Angst hast?
Nein, nicht ihn nicht genug zu lieben.
Denn Lieben tust du ihn, auch verzeihen somit schon ein wenig.
Gehst du doch auf ihn zu ...

Ich wünsche dir Kraft und Stärke....
Und bin mir sicher du findest den rechten Weg, weil du die Kraft einer wunderbar liebevollen inneren Quelle in dir trägst, einen wunderbaren Schatz :umarmen:
 
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Verzeih ihm nicht die Schläge, sondern dafür, dass er es zu diesem Zeitpunkt offenbar überhaupt nicht wusste und einschätzen konnte, wie er mit einer zart besaiteten Kinderseele umzugehen hat.
Die Schläge sind dann zwar in deiner Erinnerung immer noch da- und wie sollten sie auch davon weggehen?- aber du begreifst durch diese Sicht etwas Wesentliches: hätte ihm ein geeigneteres Mittel damals schon zur Verfügung gestanden, hätte er es nutzen können. Konnte er aber nicht, er war unfähig.

Du kannst daraus lernen, welch schlimmen Auswirkungen so ein grobes Erziehungsversagen hat und weisst für dein Leben sofort Bescheid, wenns darum geht klar zu unterscheiden, was Recht und was Unrecht an einem Kind ist.
Dieses tief eempfundene Wissen kann dir niemand mehr nehmen. Es ist einerseits für dich sehr traurig, da dein Weg dadurch sehr steinig geworden ist- aber auch sehr nützlich im Hinblick auf deine Zukunft, es einmal wirklich anders machen zu können. Du hast durch die Aufarbeitung deienr Geschichte die Befähigung dazu. Und das kann längst nicht jeder Mensch von sich behaupten.

Alles Gute dir!
 
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