GräfinJo;2806813 schrieb:
Dieser Mensch ist aber zu 100% überzeugt davon, daß es so war, wie angegeben und er verhakt und verstrickt sich immer mehr. Also "Sicherheit der Empfindung" ist bestimmt kein Garant für deren Richtigkeit.
Keinesfalls. Da betreten wir den Bereich der Störungen und glaube mir, die Betroffenen sind sehr überzeugt von dem, was sie subjektiv erleben oder meinen erlebt zu haben.
Ich verknüpfe das mal ein wenig mit dem Ausgangsthema:
Eine Theorie: Nehmen wir Urangst und Urvertrauen einmal nicht polar. Sondern als verschiedene Möglichkeiten.
So wäre das Urvertrauen in gewisser Weise das Herüberbringen, Mitnehmen des Geborgenheitsgefühls des Ungeborenen im Mutterleib durch die Geburt hindurch ins Leben. Was aber auch bedeuten würde, dass die, in gewisser Weise mit einer Todeserfahrung vergleichbare Geburt als Erlebnis zumindest etwas verdrängt wird. Todeserfahrung deshalb, weil das "Ungeborene im Mutterleib" ja danach nicht mehr existiert. Dafür ein ganz im Leben befindliches Baby. Wem Todeserfahrung zu heftig ist, kann es auch als Metamorphose, Abschluss einer Stufe, Neubeginn einer anderen, sehen. Das Baby schließt also von den erlebten, pränatalen, positiven Erfahrungen auf weitere positive, die noch folgen.
Wenn jetzt bereits in der vorgeburtlichen Phase, oder während der Geburt diese Geborgenheit nicht so überzeugend rüberkommt, wahrgenommen wird, wegen verschiedener Störfaktoren, fehlt bereits ein wenig an Sicherheit, die Geburt selbst kann dann bereits als lebensbedrohend, als Gefahr, zumindest als unangenehm, schmerzhaft wahrgenommen werden. Und nach der Geburt wird ein solches Kind sich an das hängen, was es als emotional stärkste Erfahrung erlebt hat: Die Geburt, und damit seine eigene (Todes-)Angst.
Dann wäre die Festlegung dieser ersten Grundprogrammierung, ob auf Grundlage von Vertrauen, oder auf der von Angst, in beiden Fälle ein Ankern, festmachen an der jeweils intensivsten erlebten Situation.
Worauf ich hinaus will, letzlich sind beide Programmierungen illusionär. Eigentlich die erste, große Illusion des Lebens, über das Leben. Denn auch das Kind, das vertraut, wird erleben, dass dieses Vertrauen nicht immer gerechtfertigt sein wird, nicht immer erfült wird. Nur wird es auf der Grundlage des eigenen Vertrauens mit diesen Negativerfahrungen besser umgehen können. das leichter wegstecken können als das ängstliche. Bewegt sich also quasi vom Urvertrauen über die Differenzierung im Leben hin zur Urangst, hin zum eigenen Tod.
Das Kind, das bereits mit der Angst hier ankommt, wird vermutlich trotz seiner Angst auch erleben, dass eine Menge schön und positiv ist. Das Problem ist aber, wie weit es dem vertrauen soll, wie lange das hält, was danach kommt,... Ein Misstrauen bleibt. Das Kind bewegt sich also eher von der Urangst über die Differenzierung hin zum Urvertrauen, das allerdings, wenn es nicht als Baby existierte, später schwer, vermutlich kaum völlig herstellbar ist. Womt das Urvertrauen als Unmöglichkeit im Leben "verlagert" wird: Auf die Ebene hinter dem Tod. Die Sehnsucht nach "Erlösung" (von der eigenen Angst) wird zur Sehnsucht nach einem nicht irdischen Paradies.
Es entstehen also zwei grundlegend verschiedene Weltbilder. Die nunmal so sind. Dass Urangst letzlich auch eine gewisse, wenn auch nie völlig leidlose Entfaltung erfahren kann, zeigen "positiv-kreative" Beispiele wie z.B. Poe oder Bernhard...
In beiden Fällen dient das Leben letztlich wohl dazu, den Bezug zur "anderen Seite" zu finden, zur Balance zwischen Vertrauen und Angst. Den Ausgleich herzustellen, einmal von der einen Seite ausgehend, einmal von der anderen.