Faydit: Psychische Gewalt ist mitunter viel drastischer und effektiver als physische. Was wäre z.B. mit dem Liebesentzug einer Mutter, als regelmäßige Strafe angewendet, dem eigenen (Kleinst-)Kind gegenüber?
Schadet, traumatisiert das nicht noch effektiver, löst noch tiefere Ängste aus, zerstört jede Sicherheit, jedes Grundvertrauen viel effektiver, als die Schläge des Vaters das je könnten?
nein. es sind einfach zwei verschiedene Baustellen, das eine ist der physische Leib, das andere der emotionale Leib. Keine ist besser oder schlechter, grundlegender oder traumatisierender.
Faydit: Wie soll jemand, der Urvertrauen nie wirklich erlebt hat, nie hat aufbauen können, weil bereits zu dem Zeitpunkt eine Menge schief lief, das später irgendwie abrufen, selbst erzeugen, oder es sich überhaupt nur vorstellen können?
wie soll jemand schwimmen lernen können, der noch nie als Kind eine größere Wasseransammlung als eine Pfütze gesehen hat?
Die Wahl meines Beispiels impliziert, dass das Urvertrauen eben genau das ist, was es sein soll. Ein Urvertrauen wie der Ozean, das Urmeer.
Es reicht aus, sich konsequent der Küste zu nähern, dann wird man es schon erblicken.
Das Urvertrauen heisst so, weil es in jedem Menschen angelegt ist, so wie der Ozean eben einfach da ist, egal wo jemand wohnt und egal wo seine Eltern wohnen und egal ob Baden gehen, Schwimmen oder Segeln verpönt ist.
Sicher kann jemand, der noch nie einen See gesehen hat, bestreiten, dass es so etwas wie das Meer überhaupt geben kann.
Es widerspricht eben allen seinen Erfahrungen.
Und wenn er sich konsequent weigert, sich der Küste zu nähern, wird er darin auch weiterhin bestätigt werden und alle, die dort waren, als Träumer hinstellen, Spinner, Optimisten, hoffnungslos Verrückte.
Wenn ihm die Liebe zum eigenen Weltbild eben mehr bedeutet als die Neugier.
Faydit: Wie kann, könnte so jemand irgendwann zu einer Art (Ur-)Vertrauen finden? Denn letzlich bleibt, hinter all den Wunden, Enttäuschungen, der tief sitzenden Wut doch diese eine Sehnsucht bestehen.
Er würde sich ja auch nach dem Meer sehnen, sagt er... doch seine Ratio sagt ihm eben, dass es das nicht geben kann.
Faydit: Man könnte also vermuten, dass - nennen wir es neutraler - Glaubenssysteme jeglicher Art darauf angewiesen sind, möglichst verletzte Mitglieder zu haben, weil diese aufgrund der eigenen Defizite wesentlich leichter und effektiver an das System bindbar sind. Im Interesse des Systems verständlich, aber mitunter für das Individuum ein neuerlicher Hemmschuh zur eigenen (Weiter-)Entwicklung, Auflösung des Ganzen. Paradoxerweise.
Klingt ziemlich extrem, weiß ich. Ich sage ja nicht, dass es nur so läuft. Aber mitunter eben auch. Oder subtil hinter einer Fassade, die was ganz anderes suggerieren mag.
aha. "Das System" als eine Art negativer Mutterprojektion, das seine "Kinder" nicht selbständig werden lassen möchte.