Vertrauen - Kritik - Prüfung - Zweifel (in der Aufstellungsarbeit)

Hallo Melodie,

wie meinst du folgende Aussage?

Da bin ich ganz bei Dir. Das liegt etwas neben meinem Anliegen, denn es geht mir, das muss ich vielleicht doch verdeutlichen, um eine Grenze, an die Klient und Aufsteller gemeinsam stossen, und die dann leicht als "Widerstand", "Kontrolle" oder sonstwas beim Klienten identifiziert wird. Der ist aber nicht zuständig für Interventionen, die dem Aufsteller zur Verfügung stünden.
 
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Mit dem Hinweis: "lass das jetzt erst mal sacken, rede eine Zeit lang mit keinem drüber und vertrau drauf, dass in wenigen Tagen bis zwei Jahren die Wirkung eintritt" ist halt mindestens jeder zweite überfordert
Nicht nur überfordert ... ich habe den Eindruck, dass da aus einer ursprünglich guten Sache quasi ein Blanko-Freifahrtschein für Aufsteller geworden ist. Für manche - ich will das nicht generalisieren. Ein Wirkungszeitraum von zwei Jahren ist ja überhaupt in meinen Augen eine Perspektive, in der in einem System dermaßen viel geschehen kann, dass ich die Zuordnung zum "Ausgangspunkt Aufstellung" nur noch schwierig treffen kann. Freilich, so eine Intervention führt zu einer Dynamik, die ein "Nachher" ergibt, das sich grundsätzlich von einem anderen (hypothetischen) ohne Intervention unterscheidet (oder auch nicht) ... da kann ich mir dann das Hirn dumm und dusselig zermartern mit "was wäre gewesen, wenn..."-Spielchen.

Ich neige mehr und mehr zur Anschauung, dass das Wesentliche einer Aufstellung in der Aufstellung geschieht. Binsenweisheit? Nein, eher ein wenig nach der Art, wie es jemand mal gesagt hat: "Wenn Du einmal gesehen hast, dass Du's kannst, hast Du nie mehr die Ausrede, es ginge nicht..." - in einer Aufstellung zeigt sich, was einer "kann" und wie es sich anfühlt, wenn er's tut. Oder sie. Da wird es dann auch eher sekundär, ob das animistisch auf Seelen von Ahnen oder spirituell auf "die Seele" oder konstruktivistisch auf die De- und Neukonstruktion von Handlungsrahmen zurückgeführt wird - es wird erlebt und oft sehr tief und bewegend erlebt. Danach ist nichts mehr wie vorher. Danach kann Wirkung gleich oder in zwei Jahren einsetzen, das ist dann die Angelegenheit eines Klienten in der Interaktion mit seinem System (und dazu kann durchaus auch für eine Weile das System Klient/Therapeut gehören, why not!?). Das Wesentliche ist das Erleben in der Aufstellung selbst. Ich meine, wenn es um Qualitätssicherung geht, dann wäre die Ankerung dieses Erlebens in den Vordergrund zu stellen. Und auch ohne allzu große Ängstlichkeit ... wenn jemand drüber reden möchte, wird es ihm eher etwas nehmen als etwas geben, wenn er das "nicht darf". Wenn jemand damit bei sich bleiben möchte - auch gut. "Es" ist ja schon geschehen in der Aufstellung, und unumkehrbar geschehen. Ich denke, Schutz ist wichtig vor Zudringlichkeiten anderer Aufstellungsteilnehmer, vor neugierigen Ausfragereien und "hilfreichen" Interpretationsangeboten... wobei ich es als am angenehmsten empfunden habe, wenn das nicht so sehr den "anderen" verboten, sondern eher der Klient ermutigt wird, sich selbst in die Hand zu nehmen und sich von solchen Übergriffen abzugrenzen.

Irgendwie scheint sich auch so eine Art Wunderglaube breitgemacht zu haben, dass Aufstellungen eigentlich immer gelängen. Tun sie nicht. Das ist, sorry, vielleicht wie beim Sex - es ist nicht bei/mit allen jedes Mal der kosmische Orgasmus. Und manchmal geht garnix. Es wird jedoch der Druck enorm (und kontraproduktiv), und zwar sowohl auf Therapeuten wie auch auf Klienten, wenn die Erwartung vorherrscht, dass es jetzt zum systemischen Höhepunkt kommen muss. Ich will die Analogie hier nicht weiterspinnen, liegt eh auf der Hand, welche Faktoren da alle zusammenkommen können, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Etwa auch das Zulassen eines guten Ergebnisses. Oder die Einsicht, dass gerade jetzt eine Aufstellung vielleicht gar nicht angebracht wäre. Oder dass auch mal nur ein "kleines" Erlebnis befriedigen kann, die Lösung eines verklemmten Flusses oder so... Und es kann - was immer dann an Gründen vorliegen mag - auch dazu kommen, dass eine Aufstellung die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Warum dann zwei Jahre oder so abwarten, ob nicht doch noch...!? Es darf einfach auch mal schiefgehen... mir ist jedenfalls ein Aufsteller sympathischer (was für ein Kriterium *g*), der auch das Nicht-Gelingen zulässt, als einer, der ein vermeintliches "Scheitern" am Widerstand des Klienten festmacht oder den Zustand des (womöglich ja sogar sehr produktiven) Unzufriedenseins auf eine wundertätige Wunscherfüllung in zwei Jahren vertröstet.

Schöne Ostern und alles Liebe,
Jake
 
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