Vertrauen - Kritik - Prüfung - Zweifel (in der Aufstellungsarbeit)

G

Gawyrd

Guest
Hallo Eva,

Ich habe Deine Frage aus dem anderen Thread "rausgeholt", um darauf zu antworten. Ich hoffe, Dich stört das nicht. Wenn Dir ein anderer Titel passender scheint, lass ihn durch den Moderator korrigieren.

LG, Reinhard

Hallo Jake,

Wenn xxx nicht berührt war, gehört das in die Gruppe - und der Leiter muss es wissen. (Es kann ja sein, dass man sich als Leiter in einer Aufstellung vergaloppiert hat - es kann aber auch sein, dass der Aufstellende das Ergebnis nicht an sich heranläßt.)

Es ist auf alle Fälle nicht sinnvoll, wenn sich der Aufstellende in die Rolle des Kontrollors erhebt, der sagt : "Stimmt" oder "stimmt nicht". Wenn Zweifel an der Richtigkeit einer Aufstellung bestehen (und das ist legitim !), kann man dies GEMEINSAM in einer Kurzaufstellung nachprüfen. (Und das ist für mich das Problem : dass Lady das im Alleingang gemacht hat und nicht GEMEINSAM - was zB. auch in einer Partnerschaft nicht zielführend wäre).

Ich habe den Eindruck, dass bei xxx der Wunsch-nach-Ganzwerden und das-Ausweichen-davor beides sehr stark ist. ...

Zu Liebe und Partnerschaft gehört das Fließen - das Aufgeben der Kontrolle. Und xxx scheint mir noch immer zu kontrollieren und zu fragmentieren : wem sage ich was, was nehme ich an und was nicht, was akzeptiert mein Verstand und was nicht.

Ich spüre nicht, dass sie sich jemandem WIRKLICH anvertraut, sich dem Fluß des Lebens anvertraut, sondern dass sie weiterhin steuern und kontrollieren will

Liebe Grüße, Reinhard


Melodie :

Hallo Reinhard,

darf ich mich da jetzt mit einer persönlichen Frage einklinken?
Mit den rot hervorgehobenen Stellen könntest Du ganz genau mich beschreiben: mein tiefer Wunsch, endlich am Grund meines Schmerzes anzukommen, ist ziemlich genau gleich stark wie mein Bedürfnis, besonders jene Menschen zu kontrollieren, denen ich mich anvertraue.
Es ist, als liefere ich mich damit einer Gnade (auch des Schicksals) aus, mit der ich nicht wirklich rechne (Kontrolle).
Wie soll ich denn erkennen, ob ich eine Re-Traumatisierung aus Ablehnung und Beschämung riskiere, oder ob ich durchs Feuer gehen und dahinter Lebenskraft finden darf?
Es geschieht unwillkürlich: mein Verstand prüft auf Stimmigkeit, wo meine Seele sich nicht erkannt und genommen fühlt.
Wenn die Wahrnehmung eines Aufstellungsleiters meiner gegenüber steht, traue ich mich nur sehr schwer, Zweifel zu äussern und rechne auch nicht mit mutigen Stellvertretern. Immerhin wirken bei Aufstellungsseminaren ja noch Dynamiken, die nicht unbedingt gesund sein müssen, sowohl bei Aufstellungsleitern, als auch bei Teilnehmern und ganz bestimmt bei mir, die ich fast unausweichlich Eigenes hinein bringe in die Situation.
Auch hier kommt schon da sThema "fallen lassen", "vertrauen" , also einfach aussprechen, wenn der Schuh drückt.
Wie oft habe ich erlebt, dass Klienten das Lösungsbild hinterher regelrecht "verkauft", verargumentiert wurde. Und wie schnell ist man dabei, dem Klienten, der sich skeptisch und widerstrebend zeigt, Widerstand gegen die notwendige Einsicht zu unterstellen. Immerhin gibts selbst bei erfahrenen Aufstellern bisweilen schräge Aufstellungen, ganz zu schweigen von den "Zauberlehrlingen" oder anderen, die sich überschätzt haben oder mit dem speziellen Thema in den eigenen blinden Fleck geraten sind, oder was "gutes" tun wollten, oder aus Überzeugung den Fokus auf Eltern_unter_allen_Umständen_vor_Kritik_schonen, bzw. die_Interessen_der_beteiligten_Kinder_über_alles_andere_stellen gerichtet haben.
Nun meine Fragen:
mit welcher Intervention / Strukturaufstellung könnte man denn diesen Situationen gerecht werden? Was könnte mir denn helfen, aus dem Dilemma zu kommen?
Wäre vielleicht schon vor einer Aufstellung die Veränderungsfähigkeit des Klienten abzuklären? Wann endet eine Aufstellung?
Gehen vielleicht Stellvertreter bisweilen viel weiter in die Lösung als der Klient das an dem Punkt nehmen kann? Muss der Klient früher in den Lösungsprozess?
Und/ oder ganz andere Ansätze aus Deiner Arbeit?
Ich wünschte so sehr, ich würde mit dieser Unfähigkeit nicht allein gelassen und kritisiert, sondern abgeholt und ermutigt.

Für Antworten, auch von allen anderen, denen dazu was einfällt, bin ich offen und dankbar.

Lieber Gruß,

Eva
 
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Sorry, jetzt hatte ich eine Antwort geschrieben - und mit einem Mal war sie weg.
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Ich probier's ein anderes Mal wieder.

LG, Reinhard
 
Lieber Reinhard,
ich musste lachen, denn das mit langen Texten, in die viel Engagement geflossen war und die dann so unspektakulär im Datennirwana verschwinden, kenne ich nur zu gut.
Das hat auch sicher was zu bedeuten und wird schon passen.
Jedenfalls bin ich sehr einverstanden damit, daß Du meine Frage extrahiert hast, und auch die Form ist sehr passend.

Bei mir hat das gestern ohnehin noch nach gewirkt und ich freue mich auf die Gedanken anderer.
Schönen Tag erst mal,
Eva
 
Liebe Eva,

Lernfähig wie ich bin, gehe ich es nun häppchenweise an und beginne mit dem für mich Wichtigsten und Grundsätzlichen.

Es ist ja witzig : manche erfahren von einem Seminar, melden sich an, nehmen teil und es passt. (Ganz einfach und unspektakulär.)

Andere inszenieren die "Suche nach der richtigen Aufstellung" als aufwendiges Remake von "Jäger des Verlorenen Schatzes" - und plagen sich jahrelang (und oft vergebens).

Meine Sicht : Wenn jemand heil werden will, findet er die Leute, die ihm dabei hilfreich sind. Wenn jemand vor Veränderung zurückschreckt (oder gar nicht will), findet er die Leute, die ihn dabei unterstützen.

Das Entscheidende ist die Intuition - wenn man die Intuition schult, spürt man auch was / wer passt.

(Manchmal höre ich was und spüre : "Das passt". So bin ich letztes Jahr zum Kongress der deutschen Geistheiler gefahren. Ich spürte, dass es gut wäre, da hin zu fahren. Komischerweise war ich bei der Auswahl der Seminare völlig ratlos. Des Pudels Kern : DAS entscheidende Gespräch (mit einem ganz wichtigen inhaltlichen Denkanstoß, der alleine bereits die Reise wert war) fand mit einer Kongress-Teilnehmerin in der Pause statt. Und die zweite wichtige Information erfuhr ich auf einem Vortrag, wo ich spontan hinging.)


Liebe Grüße, Reinhard
 
....zwei kleine Zwischenfragen bitte:

1. was genau bedeutet hier " es passt"?

2. Wie verhalten sich denn Menschen mit Traumen, die ja eben grade nicht mehr spüren, oder sich nicht sicher sind / Menschen mit double-bind ( egal was du veränderst, du wirst untreu) oder Menschen, in deren System ein dickes fettes Tabu residiert, welches sich gut zu schützen weiss? Müssen die nicht geradezu den "falschen" Aufsteller erwischen, oder sich durch schlechte Erlebnisse "bestrafen" für ihren Ausbruchsversuch?

LG,
Eva
 
Hallo Eva,

WIE sich die Intuition äussert, kann bei jedem Menschen anders sein. Da gilt es, die persönlichen Signale kennenzulernen - wie sie ja und wie sie nein sagt. Durch Versuch nd Irrtum - bis man weiß : wenn ich diesem Signal folge, geht es gut. Wenn ich etwas tue, wenn vorher jenes Signal ist, geht es immer schief.

Auch ein Mensch mit Traumen etc. muss Entscheidungen treffen - Beruf, Partnerschaft - etc. . Also ist es unabhängig von der Aufstellungsfrage gut, wenn man die Intuition schult.

Ich würde die Macht der Verstrickungen, Traumen etc. auch nicht als quasi unentrinnbar dämonisieren. Viel wichtiger und "mächtiger" ist der persönliche Wunsch zu gesunden.

Das Entscheidende : man muss ehrlich werden (zu sich und zu anderen). Ehrlichkeit ist DER entscheidene Schritt zur Intuition.

LG, Reinhard
 
Nächster Antwortbeitrag zu Deinen Ausgangsfragen :

Ich kenne keine Methode, die auf so einfache Weise die Möglichkeit der begleitenden Arbeitskontrolle bietet (wenn man sich ihrer bedient) :

- Die Stellvertreter geben Rückmeldung, ob etwas stimmig ist oder nicht (vorausgesetzt : der Aufstellungsleiter diktiert ihnen nicht, was sie zu tun oder zu sagen haben).

- Man kann auch das Aufstellungsergebnis in einer Klein-Aufstellung überprüfen.

Vorausgesetzt, dass der Aufstellungsleiter nicht unangemessen Druck macht, kann eine Aufstellung eigentlich nicht zu weit gehen. (Da bremst schon die Seele des Aufstellenden. Ich hab' das mal drastisch erlebt : da gingen zB. die Stellvertreter, wie wenn sie Blei an den Füßen hätten - da dauerte alles EWIG.)

Wenn der Widerstand des Aufstellenden zu groß ist, kann man schauen, was er braucht, um die Lösung ernsthaft zu wollen und auch anzunehmen.

Der Kreativität ist im Grunde keine Grenzen gesetzt, die Möglichkeiten der Aufstellung auf die jeweilige Sondersituation anzupassen.

LG, Reinhard
 
Letzte Antwort : Ob man eine tatsächlich hilfreiche Möglichkeit findet, hängt natürlich auch von der eigenen Einsatzbereitschaft ab. Wenn man zB. nur an Aufstellungen bereit ist teilzunehmen, die in einem Umkreis von 20 km ab Haustür stattfinden, kann es schon sein, dass man nicht fündig wird.

Liebe Grüße, Reinhard
 
Melodie schrieb:
Mein tiefer Wunsch, endlich am Grund meines Schmerzes anzukommen, ist ziemlich genau gleich stark wie mein Bedürfnis, besonders jene Menschen zu kontrollieren, denen ich mich anvertraue. ... Wie soll ich denn erkennen, ob ich eine Re-Traumatisierung aus Ablehnung und Beschämung riskiere, oder ob ich durchs Feuer gehen und dahinter Lebenskraft finden darf?
Ach ja - das noch :

Das sind Bilder, die für mich eher zur Vereinigung in einer Partnerschaft passen, als zu Aufstellungsarbeit.

Du sollst Dich ja nicht "anvertrauen" - sondern Du gibst dem Aufstellungsleiter quasi einen Arbeitsziel an, einen Wunsch. Es geht auch nicht drum "auf dem Grunde des Schmerzes anzukommen" und "durchs Feuer zu gehen" - sondern sich zB. von einem seeischen Schmerz zu befreien. Und nicht um ein "sich anvertrauen" - sondern um Zusammenarbeit.

Eine "Retraumatisierung" ist bei einer erfahrenen und gut ausgebildeten Aufstellungsleitung wohl kaum zu befürchten. das Schlimmste was passieren kann : dass es nicht so viel bringt, wie man sich erhofft.

Ob eine Aufstellung zielführend war, erlebt man bereits in der Aufstellung selbst - zB. wenn die Liebe wieder fließt. Es ist auch dem Aufstellenden anzusehen : oft schauen sie aus, wie neugeboren, haben Farbe im Gesicht, das Gesicht ist frei und gelöst, er fühlt sich von einer Last befreit etc.

Ausserdem (und das ist ganz wichtig) : es wirkt nicht nur die eigene Aufstellung, sondern genauso stark das, was man als Stellvertreter in anderen Aufstellungen erlebt. (wie gerade im Gespräch mit Isolde erwähnt). Auch in der Stellvertretung bekommt die eigene Seele Impulse zu Wachstum und Veränderung.

Nochmals liebe Grüße, Reinhard
 
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Hallo lieber Reinhard,
ich sehe schon, ich durfte Dich zu begeisterten Statements inspirieren :koenig:
Im Wesentlichen kann ich Deinen Ausführungen nur zustimmen.

Meine Frage zielte einfach auf Sondersituationen ab. Menschen, denen im Leben schon vieles begegnet ist, vertrauen sich halt nicht mehr so leicht anderen Menschen an. Das Bedürfnis nach Kontrolle (welches ja der Arbeit grade im Weg stehen kann) erwächst aus Erfahrungen. Eindeutig gute Aufsteller gibts gar nicht, weil alle irgendwo persönliche Schwächen haben (sollen sie ja haben dürfen, sind doch Menschen!) und wenn im Klienten eine Ambivalenz ist, dann kann die durchaus so aufgeteilt werden, dass der Klient will, der Aufsteller aber versagt, oder dass der Aufsteller besonders bemüht ist, der Klient, resp. seine inneren Wächter aber verweigern.

Auch völlig richtig ist, dass man es sich wert sein muss, auch weitere Anreisen, längere Vorbereitungen oder angemessene Kosten aufzubringen. Und doch kann die Not dazu verleiten, sich auch auf suboptimale Verhältnisse einzulassen.

Hier soll es für mich darum gehen: Wie kann der Aufsteller sich selbst ein Stück weit hinterfragen oder unterstützen, um dem Klienten gerecht zu werden, der sich eben nicht sicher genug fühlt, ganz auf zu machen.

Möglicherweise klingen bei mir tatsächlich Sehnsüchte an nach dem tiefen fallen lassen in einer Vereinigung, auch eine Verwandschaft mit dem Idealbild von Eltern liesse sich finden.
Fakt ist jedoch auch, dass es typische Aufstellungsmomente gibt, in denen sich Menschen dem Schmerz stellen, den sie in der Auslösesituation nicht überlebt hätten. Das ist schon "fallen lassen" und braucht entsprechende Geborgenheit. Wer die nicht empfindet, kann halt nicht.
Und dann, so habe ich das selbst schon erlebt und miterlebt, kommt schon mal der "Widerstand", die böse "Kontrolle" ins Spiel.

Das Dilemma kann ja grade sein, dass der Wunsch zu vertrauen groß, die tief verwurzelte Gewohnheit zu prüfen und zu überwachen aber auch mächtig ist.
So gehts mir jedenfalls. Und wenns zu doll wird mit den Spannungen, dann spaltet sich mal eben mein Gefühl für mich selbst ab. "Sichere" Aufstellungen , bei denen ich mich absolut respektiert, gesehen und geschützt fühlte, weil ich als erwachsene Person jederzeit entscheiden konnte, wie weit das gehen soll, hatte ich auch schon. Aber die gingen mir dann einfach nicht tief genug, die Wirkung war eher etwas oberflächlich. So what?

Danke für Deine Gedanken,
LG,
Eva

ps
Ich werde mal drüber nachdenken, ob es zwischen der liebenden Vereinigung und Aufstellungen nicht Gemeinsamkeiten gibt :escape:
 
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