Verbittert und giftig im Alter

Hallo Handwerkprofis,

ja, das ist dann wirklich traurig, wenn man im Alter nochmal eine große Liebe hat (oder eine ewige große Liebe noch da ist), und dann stirbt derjenige einfach mal so weg.

Hoffen wir mal, dass Dein Vater jetzt mit seiner Liebe auf "Wolke sieben" sitzt und es ihnen so richtig gut geht!
 
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Das war ein Mietshaus, also ich kenne keine Leute, die in einem Mietshaus die Treppen ganz nach unten steigen, wenn die Gäste klingeln. Jedenfalls dann nicht, wenn die Gäste sich bereits im Haus auskennen.
Ich kenne - witzigerweise - eine 65-jährige Frau, die immer die Tür in ihrem Stockwerk öffnet, wenn sie den Türöffner drückt und "Hallo" ruft, wenn ich unten reinkomme (und es so auch merken würde, wenn ich nicht reinkomme). Und das ist sehr was Schönes und Freundliches.

Was mir einfach auffällt, wie Du darauf bestehst "Ich habe alles richtig gemacht - von mir darf man nicht mehr erwarten" - und "Meine Mutter hat alles falsch gemacht - sie ist die Bissige".

Es geht doch da nicht um Schuldverteilung - sondern darum, dass es einfach traurig ist, wenn durch ein Missverständnis die gemeinsame Feier des 70. Geburtstages der Mutter zerstört wird.

Und - manchmal stören einem bei anderen halt die Schwächen besonders, die man selber hat.

Gawyrd

PS.: Kann es übrigens nicht sein, dass Deine Mutter schon ein zweites Mal geläutet hat - aber vielleicht zu schwach, sodass bei Dir die Glocke nicht geklingelt hat ? Dass die Geschichte aus ihrer Sicht genau umgekehrt ausschaut ?
 
Hallo Gawyrd,

Du, ich habe gar kein Problem damit, dass ich vielleicht etwas vergessen haben könnte. Ja, klar, ich hätte auch "Hallo" runterrufen können. Meine Güte, ich bin nicht perfekt, meine Mutter auch nicht.

Doch darum geht es mir gar nicht. Hier geht es nicht um Schuld. Mein Thema ist, dass ich mich frage, ob alte Menschen evtl. teilweise Aussetzer haben können. Und dass die anderen das gar nicht wissen und denken, es sei alles beim Alten. Und in Wirklichkeit ist es ja womöglich nicht Negativdenken oder Boshaftigkeit (oder eben auch doch, was weiß ich), sondern möglicherweise ist es einfach nur Kalk in den Gehirnwänden.

Weißt Du, ich habe hier eben bloß ein Beispiel gebracht. Natürlich gab es bei meiner Mutter mehrere Situationen, wo ich mich - allerdings erst nach ihrem Tod - gefragt habe, ob womöglich wirklich körperlich, also im Hirn, schon etwas kaputt war, und ich habe es gar nicht gewusst. Sondern habe es als unglaubliches Verhalten gemünzt oder vielleicht als böse sein. Und dabei war es vielleicht einfach nur krank.

Ihr müsst mir hier schon vertrauen, wenn ich sage, ich hatte ein entspanntes Verhältnis zu meiner Mutter zu der Zeit. Ich kann hier erklären, bis mir die Finger wund sind, es ist nicht möglich, für jeden Fori einzeln genau nachzuweisen, wie die Situation nun ganz genau war. Für mich war es undenkbar, dass meine Mutter denkt, ich lasse sie nicht rein, wenn ich sie einlade. Wir haben uns doch so gefreut "die Oma kommt, die Oma kommt!!". Aber die Oma hatte mir zum erstenmal in meinem ganzen Leben zugetraut, dass ich sie nicht reinlasse. Darum geht es, dass sie mir etwas zugetraut hat, was sie mir früher nicht zugetraut hätte. Böses zugetraut hat. Und sich auch nach vielen folgenden Gesprächen nicht davon abbringen lassen wollte, dass ich sie nicht reinlassen wollte. Sie WOLLTE mein Verhalten negativ interpretieren. Und das hätte sie als jüngere Frau nie getan. Darum geht es und nicht um Schuld und wer was hätte tun können.

Ein andermal habe ich mich nur ganz, ganz, ganz vorsichtig dem Thema angenähert, ob sie womöglich vielleicht, aber OHNE JEDEN DRUCK VON MEINER SEITE AUS, sich vorstellen könnte, in ein Altenheim zu ziehen. Da war ein Heim nur ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt. Von dort aus hätte sie jeden Tag ihre Enkel sehen können. Sie wohnte nämlich in einem entfernten Stadtteil, von wo aus es eine Anstrengung war, sich gegenseitig zu besuchen und auch zeitaufwändig. Naja, und meine Mutter fragte mich: "Warum willst Du mich eigentlich schon ins Altenheim ABSCHIEBEN?"

Ich weiß, dass die meisten alten Menschen nicht ins Heim wollen. Sie hätte von mir aus wahrhaftig auch nicht sollen oder müssen. Aber sie war sooo krank und so unfähig, noch ihren Haushalt und alles selbst zu machen. Und außerdem wäre sie durch das Heim in der Nähe ihrer so sehr geliebten Enkel gewesen. Ich habe ja nur gaaaaaanz vorsichtig angefragt. Und sie hat mir wiederum einfach nur unterstellt, dass ich ihr was Böses wollte, sie nämlich "abschieben" wollte. Dabei wäre es ja ein "her-schieben" gewesen. Wir hätten uns viel öfter sehen können, jeden Tag.

Das meine ich eben. Meine Mutter hatte mir früher nie unterstellt, dass ich gegen sie bin. Warum tat sie das also plötzlich im Alter? Ich habe da nur die Erklärung, dass eben irgendwas nicht mehr in Ordnung war im Kopf. Nur hat man es im normalen Gespräch nicht gemerkt.
 
Ja - natürlich können ältere Menschen aufgrund gehirn-organischer Veränderungen Aussetzer haben.

Aber man muss nicht alles, was einem unverständlich scheint, in "böse" oder "krank" einteilen. Es kann eine Situation einfach für den einen VÖLLIG anders ausschauen, als für den anderen.

Und das gibt es bei Gott auch bei Jungen, dass sie irrational reagieren, wenn sie sich verletzt fühlen. Mensch - Deine Mutter saß im Park, freute sich, läutete - und (aus ihrer Sicht) keine Reaktion. Das hat vielleicht einfach weh getan und sie ist reflexartig gegangen. Das muss weder krank noch böse sein - sondern einfach verletzt.

Was mir auffällt : Du beschreibst, dass Deine Mutter noch jahrelang auf ihrer Version beharrt hätte - und Du beharrst noch VIEL länger auf Deiner Version.

Das kann jetzt natürlich völlig daneben sein - ich kenne Dich ja nicht. Aber ich halte es für möglich, dass Du ähnlich stur sein kannst, wie Du es Deiner Mutter vorhältst. Ich weiß nicht, ob Deine Mutter manchmal krank oder böse war - aber ich vermute, es wäre gut gewesen, wenn Du Dich manchmal etwas mehr in sie hineinversetzt hättest und Situationen aus ihrer Sicht zu sehen versucht hättest.

Gawyrd
 
Ein andermal habe ich mich nur ganz, ganz, ganz vorsichtig dem Thema angenähert, ob sie womöglich vielleicht, aber OHNE JEDEN DRUCK VON MEINER SEITE AUS, sich vorstellen könnte, in ein Altenheim zu ziehen. Da war ein Heim nur ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt. Von dort aus hätte sie jeden Tag ihre Enkel sehen können. Sie wohnte nämlich in einem entfernten Stadtteil, von wo aus es eine Anstrengung war, sich gegenseitig zu besuchen und auch zeitaufwändig. Naja, und meine Mutter fragte mich: "Warum willst Du mich eigentlich schon ins Altenheim ABSCHIEBEN?" ... Das meine ich eben. Meine Mutter hatte mir früher nie unterstellt, dass ich gegen sie bin. Warum tat sie das also plötzlich im Alter? Ich habe da nur die Erklärung, dass eben irgendwas nicht mehr in Ordnung war im Kopf. Nur hat man es im normalen Gespräch nicht gemerkt.
Naja - wenn Du die Reaktion bereits als "nicht mehr in Ordnung im Kopf" einstufst ...

Meinen Geschwistern und mir war es immer selbstverständlich, dass die Eltern so lange nur irgendmöglich in ihrem Zuhause bleiben können. Und als sie den Haushalt nicht mehr besorgen konnten, wurden halt Hilfen organisiert. (Ist nicht mein Verdienst - sondern das meiner Schwester, sage ich zur Sicherheit. Weil ich woanders wohne.) Und es wäre uns NIE eingefallen, die Eltern "vorsichtig" aufs Altersheim einzustimmen. Auch wenn Du glaubst, es ohne Druck gesagt zu haben - kann es für die Mutter zutiefst verletzend gewesen sein. Und es als Deinen vorsichtig geäusserten Wunsch verstanden haben.

Ich kann da beim besten Willen nichts "Krankes" bei Deiner Mutter entdecken ...

Gawyrd
 
Eben, Du kennst mich ja nicht, Gawyrd,

Du willst anscheinend nicht verstehen, dass es mir nicht um ein Herumhacken geht und um ein Schuldzuweisen.

Ist es für Dich ein Stur-Sein, wenn ich nach vielen Jahren immer noch weiß, dass ich meine Mutter reinlassen wollte? Mama hatte sich halt geirrt. Was hat das mit Stur-Sein zu tun? Oder glaubst Du mir etwa nicht, dass ich meine Mama reinlassen wollte?:weihna1
So, wie sie es mir ein Jahr später auch noch nicht glauben wollte.

Es macht auch keinen Sinn, sich an einem Beispiel festzukrallen.
Kurz vor ihrem Tode soll sie zu einer Bekannten gesagt haben, dass ich auf ihr Geld aus sei. Und auf ihren Tod warten würde. Auch das ist einfach ganz unglaublich für mich. Regelrecht zum Weinen unglaublich! Ich habe sie so geliebt. Ich habe ihr geholfen, wenn es ihr schlecht ging. Wie konnte sie nur auf diese Idee kommen, dass ich auf ihren Tod warte, um ihr (bisschen) Geld zu kriegen? Wie gesagt, sowas hätte sie mir früher nie zugetraut. Es war für mich einfach unglaublich.

Hier geht es, wie gesagt nicht darum, eine arme alte Frau als böse hinzustellen. Oder eine Tochter als Rechthaberin hinzustellen.

Aber wenn Du meinst, dass ich meine Geschichte verdreht darstelle und kein Einfühlungsvermögen für meine Mutter habe/hatte, dann sei dieser Glaube Dir unbenommen.
 
Hallo

Vor ca. einem Jahr habe ich mal bei meiner Mutter erwähnt, dass ich eine Patenfamilie finanziell unterstütze, damals benötigten sie einen Extrazustupf wegen des Autos, welches sie berufsbedingt benötigten.
Am Ende der Diskussion kam heraus, dass meine Mutter sagte, früher hätte ihr auch niemand geholfen, sie hätte es sehr schwer gehabt. Allerdings hat sie nie nach Hilfe gefragt. Da spürte ich schon einen Groll dahinter, weil es heute andere einfacher haben als sie es hatte.

Und unlängst erwähnte meine Coiffeuse, die in einem Altersheim Haare schneidet, immer wieder das Klagen, dass sie früher so schwer körperlich arbeiten mussten und heute alles so einfach geworden ist.

Manche Menschen zeigen im Alter eine vermehrte geistige Sturheit, ich mutmasse mal, dass diese schon immer (zumindest latent) vorhanden war.

Apropos Abschiebung ins Altersheim, dies ist ein wahrlich heisses Eisen. Ich glaube nicht, dass es sich Kinder einfach machen, um die Versorgung der gebrechlichen Eltern/Schwiegereltern zu kümmern. Manchmal bleibt eben nur noch das Alters- bzw. Pflegeheim. Insbesondere dann, wenn es zu einer Überforderung der Kinder führt, gesunder Selbstschutz ist hier angesagt. Allerdings auch Toleranz, wenn der Haushalt der Eltern nicht mehr so perfekt wie früher organisiert ist. Hier braucht es Zusammenarbeit beider Seiten, Eltern können nicht erwarten, dass das ganze Leben nach ihnen ausgerichtet wird und müssen in der Lage sein, auch fremde Hilfe anzunehmen. Kinder soviel als möglich sich um die Versorgung der Eltern kümmern.


Liebe Grüsse


Soleika
 
Danke für Deine ausgewogenen Zeilen, Soleika!

Eigentlich meine ich auch, dass im Alter, selbst unter dem Umstand, dass eine geistige Krankheit dazu kommt, nur das an Groll und Bitterkeit herauskommen kann, was unterschwellig, subtil, zuvor schon da gewesen ist.

Ich hoffe ja schwer, :clown: dass ich im Alter weiterhin nach meinem Vater komme, der (schwerkrank) immer noch beim Abspülen in der Küche lauthals singt. Ich singe auch gerne in der Küche.

Ja, das Altersheim ist sicher ein GANZ heißes Eisen.:firedevil
Und ich glaube, Kinder können nur einzig vor ihrem eigenen Gewissen vertreten, was sie in bezug auf die Eltern und dieses Thema tun.

Außenstehende müssen schon sehr genau und fair hinsehen, um das Verhalten der Kinder beurteilen zu können und zu dürfen.

Da ist mir damals mal passiert, dass der Hausarzt meiner Mutter, mir am Telefon Vorwürfe machte, ich würde mich nicht genug um sie kümmern. Offenbar hatte sie sich ihm gegenüber über mich beschwert gehabt. Aber ein Arzt, finde ich, sollte wirklich so klar im Kopf sein, dass er auch erst einmal die andere Seite zu Worte kommen lässt, bevor er verurteilt.

Bei all diesen Themen tun wir gut daran, wirklich tief in der eigenen Mitte verankert zu sein. Wir sind alle nur Menschen und machen Fehler. Aber man muss sich auch nicht alle Vorhaltungen reinziehen, denn auch diese können auf einem Irrtum beruhen.
 
Guten Morgen

Ich mag alte Menschen sehr gerne. Ich höre ihnen gerne zu, wenn sie aus ihrem Leben erzählen und konnte schon sehr vieles von ihnen lernen. Viele Senioren verstehen es, auf einfache Weise etwas zu erklären, was einem selbst als immens grosses Desaster erscheint. Ihre Antworten sind wohl manchmal etwas unpopulär und wirken altmodisch. Wenn man jedoch genau darüber nachdenkt, erkennt man die schlichte Weisheit darin.
Ich kenne ein paar Senioren, deren Lebensfreude ansteckend ist und denen der Schalk aus den Augen spricht :)

Natürlich habe auch ich hin und wieder Erlebnisse mit Giftsäcken höheren Alters. Dann bin ich ehrlich gesagt, immer enttäuscht und auch verletzt. Weil ich das Vorurteil habe, dass man mit ziemlich viel Lebenserwartung automatisch weise und gütig wird. Ich frag mich dann stets, ob die so gar nichts gelernt haben im Lauf der Jahre :-(

Meine Schwester arbeitete vor vielen Jahren in einem Altersheim und sie hat dort auch Schläge von alten Menschen einstecken müssen. Ein heftiger Knuff in die Rippen, weil das Essen nicht geschmeckt hat, zum Beispiel. Das finde ich so unmöglich. Sie hat dort gearbeitet, weil sie für die Alten da sein wollte.
Schwesterherz hatte auch viel Kontakt mit den Kindern ihrer Schützlinge und sie sagt zum Thema "verbittert und giftig im Alter": Die meisten werden wieder wie sie in jungen Jahren waren. Die sanften sind wieder sanft und die Zankhälse werden unerträglicher denn je.

Liebe Grüsse

isidora
 
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Ich denke, dass manche alte Menschen verbittert über ihr Leben sind. Ich habe es bei einigen alten Leuten erlebt, dass alte "Wunden" nie richtig verarbeitet wurden und sie im Alter aufbrechen. Man erkennt, dass man viele Fehler gemacht hat, ist enttäuscht von sich, von anderen.

Manche haben auch chronische Schmerzen, die sie auch mit Schmerzmittel nicht kleinbekommen, dann nervt oder stört es extrem, wenn es laut ist, z.B. Kindergeschrei, Musik etc. Ist doch bei uns auch so, dass wenn wir extrem müde sind, überarbeitet, sind wir doch viel schneller genervt und unsere Toleranz sinkt gewaltig.

Eine Nachbarin von mir, sie ist jetzt 56, aber voller Enttäuschung um ihr Leben und verpassten Chancen. Sie gönnt keinem etwas und ist jetzt schon eine egoistische, bissige Person.
 
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