Veränderung im Alter

Die alten Menschen, die ich betreuen darf im Heim, leiden zumeist an der strukturellen Gewalt, also dem Aufgezwungenen, dem verordneten Ablauf in der Gemeinschaft, wo die Individualität des Einzelnen zu kurz kommt und z.B. eine simple Ganzkörperwaschung nach Minutentakt stattzufinden hat, (selbst wenn der jenige dabei Schmerzen hat und definitiv IMMER länger braucht) um das Haus/den Chef nicht zu ruinieren.
Es ist wie ein Korsett, dass sie abschnürt.

Allen alten und/oder kranken Menschen, die so dermaßen fremdbestimmt leben müssen, kann ich tief in meinem Inneren ihre Launen, Quengeleien, Sticheleien, ihren Frust, ihre Tränen und ihr Aufbegehren verzeihen.
Ich wünschte, das könnten noch mehr meiner Kollegen...
 
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Romaschka
Allen alten und/oder kranken Menschen, die so dermaßen fremdbestimmt leben müssen, kann ich tief in meinem Inneren ihre Launen, Quengeleien, Sticheleien, ihren Frust, ihre Tränen und ihr Aufbegehren verzeihen.

Das hast du sehr schön gesagt, Romaschka.

Ich denke, die fehlende Empathie alten (...gebrechlichen, kranken, grantigen, vereinsamten ...) Menschen gegenüber ist oftmals unsere eigene vorweggenommene Angst, dass eben diese alten Menschen ein eventuelles Zukunftsbild unseres Selbst spiegeln könnten.

LG
Daisy
 
danke Romaschka für dein Mitgefühl - was kann man tun, wenn man nicht mehr tun kann was man tun will - wenn du in so einen mechanisierten Tagesablauf hineingepresst wirst - entweder du rebellierst, was dann als Grantigkeit rüberkommt, oder du wirst apathisch - wenn ich meine Tante im Altersheim besuchte, saßen die Alten aufgereiht im Gang um mitzubekommen was so passiert und dösten vor sich hin - ein trauriges Bild.

LGInti
 
...mir fällt auf das die meisten von kranken alten menschen reden die haben ja für mich ein recht darauf mürrisch zu sein ....es gibt aber auch andere was ist mit denen...denen fehlt nichts auch nicht das nötige kleingeld....was haben die für eine berechtigung anderen den tag zu versauen :ironie:
lg mummin
 
...mir fällt auf das die meisten von kranken alten menschen reden die haben ja für mich ein recht darauf mürrisch zu sein ....es gibt aber auch andere was ist mit denen...denen fehlt nichts auch nicht das nötige kleingeld....was haben die für eine berechtigung anderen den tag zu versauen :ironie:
lg mummin

Selbst wenn sie gesund sind und auch keine finanziellen Probleme haben, leiden manche an einer Art Hilfslosigkeit auch Einsamkeit, denn was nützt ihnen höchstes Gut, wenn die Nähe und Wärme eines Menschen fehlt der wohlgemerkt diesen Menschen auch etwas bedeutet.
Natürlich eine Berechtigung haben sie nicht versuche es einfach mit Gelassenheit und dieses spüren sie auch.

lg
 
danke Romaschka für dein Mitgefühl - was kann man tun, wenn man nicht mehr tun kann was man tun will - wenn du in so einen mechanisierten Tagesablauf hineingepresst wirst - entweder du rebellierst, was dann als Grantigkeit rüberkommt, oder du wirst apathisch - wenn ich meine Tante im Altersheim besuchte, saßen die Alten aufgereiht im Gang um mitzubekommen was so passiert und dösten vor sich hin - ein trauriges Bild.

LGInti

Hallo Inti,
deine Sichtweise hatte ich auch am Beginn meiner Pflegetätigkeit.
Heute hat sich das in mir gewandelt.
Versuche dir mal vorzustellen, was diese in ihrer Mobilität und zuallermeist auch in ihren geistigen Fähigkeiten stark eingeschränkten Menschen zu Hause täten, wenn sie nicht im Heim wären?

Sie würden auch irgendwo sitzen und vor sich hindösen. Meist wohl ALLEIN.
Hier haben sie wenigstens die Möglichkeit der Gemeinschaft. Beieinandersitzen kann viel wert sein, sogar stumm. Gibt ja auch noch die nonverbale Verständigung durch Körpersprache, Mimik und Gestik.
Oft trösten sich Frauen gegenseitig, dass dieses oder jenes Kind sie zu selten oder gar nicht besuchen kommt. Das gibt Halt.
Oder sie erzählen sich gegenseitig zum tausendundfünften Mal ihre Erlebnisse aus dem Krieg - das können Männer bis zum Abwinken. Sternenstunde, wenn sich da zwei Herren finden mit gleichen Ausfallerscheinungen im Kopf, die beide in derselben Zeitschleife erinnern und geistig in dieser Zeit leben! Da fühlt man sich verstanden. Das Gegenüber ist nicht genervt. Nicht wie der Sohn oder die Enkel, die diese Geschichten nicht mehr hören können oder wollen...
Was ich schade finde, ist immer, dass der von den Pflegekassen bezahlte Personalschlüssel so eng gesetzt ist, dass ich als Pflegerin nie mit jemandem spazieren gehen kann. Das machen - wenn wir Glück haben und jemand ist da - Praktikanten oder Auszubildende oder auch Angehörige.
Zuweilen empfinden Pfleger das krass, dass sie quasi nur zum Abarbeiten der unangenehmen Dinge da sind und die angenehmeren, die auch zum positiven Miteinander beitragen könnten, nicht gemeinsam möglich sind.

Die grantelnden oder die apathischen Greise trotz aller Widrigkeiten des vom Gesetzgeber erzwungenen Korsetts aufzumuntern und ihnen wirkliche Zuwendung zu geben - das ist die hohe Kunst des Berufs in der Pflege.
Darin kann man Erfüllung finden.

Erst gestern auf dem Weg zur Fortbildung erlebt:
Sitzen da zwei alte Herren im Zug mir gegenüber. Sprechen über ihre Gebrechen und wie das wohl enden wird... Pflegeheime... schrecklich... und überhaupt... niemanden interessiert das heute, wie es den Alten geht...
Da hab ich mich zum Spaß wie eine Schülerin gemeldet und gemeint: "Doch mich - ich bin Altenpflegerin." Das war sehr lustig. Wir haben zusammen gelacht. Das war so herzerwärmend, so Generation übergreifend. Einer der seltenen kostbaren Momente, die ganz ummesönnnst zu haben sind. :liebe1:

Lieben Gruß, Romaschka
 
Hallo Lione'z,

Lionéz;1133293 schrieb:
Ich möchte Alten etwas beibringen und viel von ihnen über das Alter und Altern lernen. Das ist mir während des Lesens bewusst geworden, danke dafür.

genau so geht mir das auch. Ich finde das total spannend.
 
Liebe Romaschka,

ich habe alle Hochachtung vor deinem Beruf, vor deinem Engagement und vor deiner gedanklichen Auseinandersetzung mit den alten Menschen.

Das hier ist jetzt leicht OFF-TOPIC, aber ich frage dich trotzdem:

vor ein paar Tagen lernte ich den Leiter unseres städtischen Altersheimes kennen. Ganz spontan und ohne Nachdenken habe ich ihn gefragt, ob ich denn regelmäßig vorlesen kommen könne. Er war ganz angetan von der Idee.

Ich weiß nicht, welcher Teufel mich da geritten hat, denn ich habe absolut keine Erfahrung mit so etwas. Glaubst du, das wird von den Heimbewohnern gut angenommen? Was könnte ich denn überhaupt lesen? HIIILFE!!!!

Danke für eine Antwort!

LG
Lucille
 
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Deine Idee ist prima!
Setz dich nicht so unter Druck und beginne mal einfach mit ein paar Überlegungen:
- frage die Heimleitung oder die Schichtleitung/Pflegedienstleitung, welche Bewohner dafür geeignet wären
- überlege dir selbst, wie groß die Gruppe für dein eigenes Wohlbehagen sein sollte und frage, ob dir jemand zur Seite steht, der mal eben mit zufasst, wenn eine Person mittendrin plötzlich zur Toilette will. Das Personal ist meist froh, wenn ihnen mal kurzzeitig einige Bewohner entlastend mit Beschäftigung abgenommen werden, dass du gucken solltest, dass dir für den Notfall jemand zur Verfügung steht. Klare Absprachen vereinfachen das Ganze, und du hast dann sicher auch Freude dran und nicht Frust.
- Du kannst auch anbieten, Einzelbesuche zu absolvieren bei Bewohnern, die wenig Besuch bekommen. Oder diese einzeln beschäftigen, wenn dir mehrere Leute gleich als zu große Aufgabe erscheinen.

- Welche Texte oder Bücher - das hängt vom Zuhörerkreis ab. Du bekommst sicher Tipps vor Ort. Oder fragst mal in der Bibliothek?

- Bei uns im Heim freuen sich z.B. die alten Damen, wenn ich mal einen Modekatalog auf den Tisch packe, den sie durchblättern können. Kreuzworträtsel gemeinsam lösen macht auch Spaß.
- Kurzgeschichten kommen meist gut an.
- Anregen der Sinne mit jahreszeitlichen Dingen zum Betasten, Riechen, Erinnerungsarbeit mit Naturmaterial. (Kastanien, bunte Blätter...)

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen, liebe Lucille. :)
Lieben Nachtgruß von Romaschka
 
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