Ursprung, Schöpfung, Evolution, Wunderglaube

DUCKFACE schrieb:
Vergeht zu viel Zeit, können stabilisierende Selektionsfaktoren dazu führen, dass inkompetente Zwischenstadien wieder ausselektiert werden. Bekanntlich hat weder das Viertel einer Niere noch das Achtel eines Auges einen überlebensrelevanten Nutzen.

Dieses "Argument" mit der viertel Niere und dem achtel Auge ist doch etwas albern, oder? Im Übrigen ist z.B. das Becherauge kein inkompetentes Zwischenstadium, sondern ein Erfolgsmodell der Evolution, das den Schnecken in ihrem Lebensraum seit 500 Millionen Jahren gute Dienste leistet. Das müssen wir Säugetiere mit unseren schönen Linsenaugen erst mal schaffen. Komplizierter bedeutet nicht automatisch höher entwickelt, oder besser, sondern einfach nur anders.


DUCKFACE schrieb:
Nun, dass diese Erklärungsdefizite bestehen, wird leider allzu oft dementiert,...

Wer dementiert denn welche Erklärungsdefizite? Die einzigen, die keine haben, sind doch die Kreationisten.


DUCKFACE schrieb:
...indem behauptet wird, dass Makroevolution gar nicht existiere oder dass eine Aufsummierung mikroevolutiver Schritte zur Makroevolution führe.

Ich würde das "oder" durch ein "und" ersetzen. Wenn große Entwicklungsschritte nur die Aufsummierung vieler kleinerer sind, dann macht die Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroevolution nicht mehr viel Sinn, weil die Trennlinie immer nur eine willkürliche sein kann.
Wie der Verzicht auf diese Begriffe dazu beitragen könnte, irgendwelche Erklärungsdefizite zu dementieren, verstehe ich allerdings nicht.


DUCKFACE schrieb:
Dass es so einfach aber eben nicht ist, wollte ich aufzeigen.

Was ist nicht so einfach? Erklärungsdefizite zu dementieren, oder nicht zwischen Mikro- und Makroevolution zu unterscheiden?
 
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Nach meinem Einschub mit dem Feynman-Diagramm, welches m.E. aussagekräftig und anschaulich genug ist, das darzustellen, was die uns vorstellbare Welt im Innersten zusammenhält und vor allem aber bildet, poste ich dazu fortführend einen Text, der populärwissenschaftlich mit dem Higgs-Boson operiert - oder das Higgs-Boson mit den Darstellenden.


"Der folgende Text ist eine Antwort auf die Frage: 'Was ist das Higgs-Boson und warum wollen wir es finden?'.

Die Frage hat der englische Bildungsminister William Waldegrave 1993 den Teilchenphysikern gestellt und gefordert, dass die Antwort nicht länger als eine Seite lang sein soll. (Der englische Originaltext folgt im Anschluss an die deutsche Übersetzung, [siehe Quelle. Anm. d.V.]).

Politik, Festkörper und das Higgs-Teilchen
Von David Miller, Department of Physics and Astronomy, University College, London, UK.


1. Der Higgs-Mechanismus

Stellen sie sich eine Cocktail-Party von Mitarbeitern einer politischen Partei vor, die gleichmäßig in einem Saal verteilt sind und sich alle mit ihrem nächsten Nachbarn unterhalten.
Die ehemalige Premierministerin kommt herein und durchquert den Raum. Alle Mitarbeiter in ihrer Umgebung werden stark von ihr "angezogen" und scharen sich um sie herum. Während sie sich bewegt, zieht sie die Personen an, denen sie nahe kommt, wogegen diejenigen, von denen sie sich entfernt, sich wieder gleichmäßig im Raum verteilen.
Aufgrund der Menschentraube (Traube: engl. Cluster) um sie herum besitzt sie eine größere Masse als normal.
Deswegen hat sie während der Bewegung durch den Raum eine größere kinetische Energie bei gleicher Geschwindigkeit. Einmal in Bewegung ist sie nur schwer zu stoppen, und einmal in Ruhe ist sie nur schwer in Bewegung zu versetzen, weil die Traubenbildung um sie herum neu beginnen muss.

Das Ganze in drei Dimensionen betrachtet und unter Berücksichtigung der Relativitätstheorie - ist der Higgs-Mechanismus.

Um Teilchen Masse zu geben wird ein Hintergrund-Feld eingeführt, das lokal gestört wird, jedesmal wenn sich ein Teilchen hindurchbewegt.
Die Störung - d.h. die Cluster-Bildung des Feldes um das Teilchen - erzeugt die Masse des Teilchens.

Die Idee entstammt der Festkörperphysik.
[...] Das postulierte Higgs-Feld ist eine Art hypothetisches Gitter, welches unser Universum ausfällt.
Wir brauchen es, um zu erklären, warum die W- und Z-Teilchen, die die schwache Wechselwirkung vermitteln, so schwer sind, während das Photon aber, das die elektromagnetische Wechselwirkung vermittelt, masselos ist.



2. Das Higgs-Boson

Stellen sie sich nun vor, wie sich ein Gerücht durch den Raum der gleichmäßig verteilten Politikern ausbreitet.
Diejenigen in der Nähe der Tür hören zuerst davon und bilden Trauben, um Genaueres zu erfahren. Dann drehen sie sich um und treten näher an ihre nächsten Nachbarn heran, die auch etwas darüber erfahren wollen. Eine Wellefront kleiner Menschentrauben wandert durch den Raum. Sie kann sich bis in alle Ecken ausbreiten oder es bildet sich ein Bündel, dass die Neuigkeiten entlang einer Linie aus Politikern von der Tür zu einem Würdenträger auf der anderen Seite des Raums trägt.
Da die Information von einer Menschentraube transportiert wird und da es die Traubenbildung war, die der ehemaligen Premierministerin eine zusätzliche Masse verlieh, haben auch die Gerüchte verbreitenden Menschentrauben eine Masse.

Das Higgs-Boson soll genau eine solche Traube im Higgs-Feld sein. Es würde uns wesentlich leichter fallen, an die Existenz des Higgs-Feldes und die Richtigkeit des Higgs-Mechanismus zu glauben, wenn wir das Higgs-Teilchen selbst beobachten könnten.

Wieder gibt es dazu eine Analogie aus der Festkörperphysik. Ein Kristallgitter kann Wellen von Verdichtungen (wie die Menschentrauben) tragen, ohne dass es dazu ein Elektron braucht, das die Atome anzieht und bewegt. Diese Wellen können sich wie Teilchen verhalten.
Man bezeichnet sie als Phononen (in Anlehnung an die Feldquanten der elektromagnetischen Wechselwirkung, die Photonen); auch sie sind Bosonen.

Es könnte einen Higgs-Mechanismus und ein Higgs-Feld in unserem Universum geben, ohne dass es dazu ein Higgs-Boson gibt. Die nächste Speicherring-Generation wird diesen Punkt klären."

http://erlangen.physicsmasterclasses.org/sm_et/sm_et_07.html
 
Wer dementiert denn welche Erklärungsdefizite? Die einzigen, die keine haben, sind doch die Kreationisten.

Sicher gibt es auch Erklärungsnotstände im Schöpfungsmodell. Das habe ich nie bestritten.

Ich würde das "oder" durch ein "und" ersetzen. Wenn große Entwicklungsschritte nur die Aufsummierung vieler kleinerer sind, dann macht die Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroevolution nicht mehr viel Sinn, weil die Trennlinie immer nur eine willkürliche sein kann.

Die Erklärung der Addition vieler mikroevolutiver Schritte ist in vielen Fällen unwahrscheinlich.

Erklärungsdefizite zu dementieren, oder nicht zwischen Mikro- und Makroevolution zu unterscheiden?

Du siehst einfach nicht, dass es qualitative Differenzen zwischen Makro- und Mikroevolution gibt. Da kann ich dann auch nicht helfen.
 
Sicher gibt es auch Erklärungsnotstände im Schöpfungsmodell. Das habe ich nie bestritten.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit

Die Erklärung der Addition vieler mikro-evolutiver Schritte ist in vielen Fällen unwahrscheinlich.

Wieso?

Du siehst einfach nicht, dass es qualitative Differenzen zwischen Makro- und Mikroevolution gibt. Da kann ich dann auch nicht helfen.



Aber sie hängen beide zusammen.
 

Wie viele selektionspositive Mutationen, die zudem noch kooperativ zusammenwirken und teilweise gleichzeitig aufgetreten sein müssen, mögen wohl für die Transformation einer bereits vorhandenen anatomischen Struktur zu einem neuen Organ mit neuartiger Funktion erforderlich gewesen sein? Und wie wahrscheinlich ist eine derartige Akkumulation ohnehin eher selten in Erscheinung tretender, positiver Mutationen?


Aber sie hängen beide zusammen.

Man kann auf einzelne Mutationen zurückzuführende mikroevolutive Veränderungen - z. B. die Antibiotika-Resistenz spezieller Bakterien oder die Laktose-Toleranz bei bestimmten Menschen - nicht mir der Entstehung neuer OrganSYSTEME vergleichen, die außerdem noch eine gänzlich neuartige physiologische Funktion besitzen. Bei solchen makroevolutiven Veränderungen kommt es gewissermaßen zur Bildung neuer organischer Maschinen, die mitunter hochkompliziert sind und deren Funktionsfähigkeit auf die Präsenz jedes einzelnen Bauelements angewiesen ist.
 
Man kann auf einzelne Mutationen zurückzuführende mikroevolutive Veränderungen - z. B. die Antibiotika-Resistenz spezieller Bakterien oder die Laktose-Toleranz bei bestimmten Menschen - nicht mir der Entstehung neuer OrganSYSTEME vergleichen, die außerdem noch eine gänzlich neuartige physiologische Funktion besitzen. Bei solchen makroevolutiven Veränderungen kommt es gewissermaßen zur Bildung neuer organischer Maschinen, die mitunter hochkompliziert sind und deren Funktionsfähigkeit auf die Präsenz jedes einzelnen Bauelements angewiesen ist.

Wo in der Evolution entstehen denn plötzlich ganz neue Organsysteme?
 
Wo in der Evolution entstehen denn plötzlich ganz neue Organsysteme?

Nirgends. Und die Experimente mit der Fruchtfliege Drosophila legen sogar nahe, dass sich auch über tausend Generationen hinweg keine neuen Organe bilden. Es gab kein einziges der etlichen Millionen Drosophila-Individuen, das durch die mutagene Einwirkung auch nur die eigene Spezies "verlassen" hat..

Gerade große Zeitintervalle, die aus wahrscheinlichkeitstheoretischen Gründen verstreichen müssten, geben den stabilisierenden Selektonsfaktoren einen gigantischen Spielraum, spezielle unfertige Strukturen wieder auszulöschen, auch wenn dies vielleicht nicht für ALLE Zwischenstrukturen gelten mag..
 
Nirgends. Und die Experimente mit der Fruchtfliege Drosophila legen sogar nahe, dass sich auch über tausend Generationen hinweg keine neuen Organe bilden. Es gab kein einziges der etlichen Millionen Drosophila-Individuen, das durch die mutagene Einwirkung auch nur die eigene Spezies "verlassen" hat..

Gerade große Zeitintervalle, die aus wahrscheinlichkeitstheoretischen Gründen verstreichen müssten, geben den stabilisierenden Selektonsfaktoren einen gigantischen Spielraum, spezielle unfertige Strukturen wieder auszulöschen, auch wenn dies vielleicht nicht für ALLE Zwischenstrukturen gelten mag..

Ich meinte: Wo in der Evolutionstheorie wird das plötzliche Auftauchen neuer Organsysteme behauptet?
 
Ich meinte: Wo in der Evolutionstheorie wird das plötzliche Auftauchen neuer Organsysteme behauptet?

Nirgends, da es eklatanter Nonsens wäre, Derartiges zu postulieren. In meinem vorherigen Post habe ich jedoch ein Gegenargument bezüglich des monströsen Zeitfaktors geliefert. Auch habe ich auf empirische Daten dazu hingewiesen.
 
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Nirgends, da es eklatanter Nonsens wäre, Derartiges zu postulieren. In meinem vorherigen Post habe ich jedoch ein Gegenargument bezüglich des monströsen Zeitfaktors geliefert. Auch habe ich auf empirische Daten dazu hingewiesen.

Das Fliegen-Experiment, was von Kreationisten gerne herangezogen wird, und was genau nichts aussagt.

1.) Wieviele Generationen wurden im Experiment beobachtet, und wieviele standen der Evolution zur Verfügung. Alleine durch diesen Vergleich sollte auffallen, dass der Zeitfaktor nicht so monstös ist, weil der Evolution ettliche Größenordnungen mehr Zeit zur Verfügung stand.

2.) Wurde die Population der Fliegen getrennt und beide Populationen verschiedene Selektionskriterien unterworfen? DAS ist es nämlich, was eine Aufspaltung von Spezies hervorruft. NIRGENDWO wird behauptet, dass eine Fliege plötzlich ein neues Organ hatte und sich plötzlich und spontan aus diesem Individuum eine neue Spezies bildete.

3.) Verschiedenen Beispiele angeblich "nicht-reduzibler Komplexität", auf die Kreationisten gerne immernoch hinweisen, wurden von Evolutionsbiologen inzwischen wunderbar erklärt und damit entkräftet.
 
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