Lieber Fritz,
ich hoffe für dich, dass die Weissagungen eintreffen, von denen du gelesen hast. Wie du sicher weißt, erfüllen sich längst nicht alle Voraussagungen.
Für die Zeit der Sonnenfinsternis 1999 hatte mein damaliger (auch Schütze)Freund alles getan, was ihm möglich war, um zu den wenigen Überlebenden der weltweiten Katastrophe zu gehören. Er hatte für viel Geld säckeweise Getreide gekauft und in verschiedenen Kellern gelagert. Dann hat er von den wichtigsten essbaren Pflanzen Samen gekauft (natürlich biologisch-dynamische) und diese im Wald vergraben. Er hatte an unserem gemeinsamen Haus Veränderungen vorgenommen, damit die vorhergesagten starken Winde nicht die Fenster eindrücken. Er hatte schwarzes Papier gekauft, um die Fenster damit zu verdunkeln, weil vorhergesagt wurde, dass ein Licht käme, das uns nicht bekommen würde. Außerdem hatte er sich schon klammheimlich ein bisschen darüber gefreut, dass seine Geschwister (die alle Häuser besitzen) die kommende Katastrophe nicht überleben (sie hörten ja nicht auf ihn und sorgten nicht vor) und ihm dadurch automatisch die Häuser und das Land vererben würden. Er versuchte, im voraus alle Tabletten zu beschaffen für sich und seine engsten Lieben, damit wir für ca. zwei Jahre ohne Apotheken auskommen würden. Und so weiter und so fort.
Als dann der Herbst 1999 kam, wurden seine sehr, sehr selbstsicheren Vorträge etwas seltener, er wurde stiller. Und er meinte, die Weltkatastrophe wäre angekündigt, sie käme bestimmt noch, würde sich halt ein bisschen verspäten. Im Jahr 2000 sprach er gar nicht mehr darüber. Wenn man ihn aber danach fragte, meinte er immer noch, dass alles eintreffen würde. Aber mit zeitlicher Verspätung.
In dieser Zeit, vor der Sofi 1999, von ihm beeinflusst, hatte ich einen intensiven Traum. Ich fuhr mit dem Bus, den ich selbst lenkte. Meine Kinder hatte ich dabei. In einer Kurve wären wir beinahe von der Straße abgekommen. Der Bus war schon auf dem Wege, in den Abgrund zu fallen. Da hob eine unsichtbare Hand den ganzen Bus wieder auf die Straße zurück.
Diesen Traum habe ich damals so interpretiert, dass - egal, was auch passieren möge oder nicht - ich mit meinen Kindern in den besten Händen bin, wir sind geborgen und aufgehoben und müssen uns keine Sorgen machen.
Mein damaliger Freund nahm meine Träume und meine Meinung nicht ernst. Er "wusste" ja alles besser. Bei ihm zu Hause lagen mehrere Bücher mit den Weissagungen von Nostradamus und Mühlhiasl und wie sie alle heißen. Alles deutete angeblich auf die Sofi von 1999 hin. Und basta.
So kaufte er also noch von der Bundeswehr ausrangierte Gasmasken. Er wollte das Beste für uns, wir sollten zu den wenigen Überlebenden gehören, die die Erde neu aufbauen würden.
Ich sagte ihm, dass ich unter den Umständen, die er beschrieb, lieber gar nicht zu den "Überlebenden" gehören möchte. Denn seine Visionen umfassten einen Neuanfang auf der Erde, der für meinen von Krankheiten gebeutelten Körper nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre. Ich hätte nicht die Kraft gehabt, zwei Jahre lang im Keller auszuharren, das von ihm zuvor in Kanister abgefüllte Wasser zu trinken und die überlebenswichtigen, gesammelten Kerne und Linsen zu essen. Und dann zwei Jahre später, wenn die vorhergesagten Gifte sich draußen aufgelöst hätten, rauszugehen und die Erde umzugraben und unsere Samen einzusetzen usw. usw.
Ich habe diesen Freund inzwischen aus den Augen verloren. Und den Weltuntergang auch. Wenn er noch kommen sollte, wenn er kein Untergang, sondern ein "Aufstieg in die 5. Dimension" werden sollte, mir soll das alles recht sein. Ich werde weiterhin versuchen, meditativ zu sein und anzunehmen, was das Leben oder der Tod mir bieten.