Liebe LOGIaner!
Letzte Woche gab es wegen der Frage, ob man mittels Urin-Teststreifen auf den Säure-Basenhaushalt Rückschlüsse ziehen kann, einen kleinen Disput. Ich habe daraufhin Herr Prof. Jürgen Vormann, einen der Spezialisten in Deutschland zu diesem Thema, um eine kurze Stellungnahme gebeten. Hier füge ich sie unten an.
Beste Grüße,
Nicolai Worm
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Hallo Herr Worm,
hier die gewünschte Stellungnahme von mir:
"Die Einzelmessung des Urin-pH ist tatsächlich wenig aussagekräftig. Weniger als 1% der Gesamtsäureausscheidung findet in Form von freier Säure statt (nur diese ist aber mit pH-Teststreifen messbar). Physiologischerweise kommt es zu erheblichen Änderungen der Säureausscheidung in Abhängigkeit von der Nahrungszufuhr. Wenn wir essen, kommt es zu einer lokalen Anhäufung von Säure im Magen, gleichzeitig wird bei der Produktion von Säure in den Belegzellen der Magenschleimhaut auch Bikarbonat gebildet, dass ans Blut abgegeben wird und in dieser Zeit letztendlich zur Produktion eines alkalischeren Urins führt. Der Urin-pH ist deshalb stark von der Nahrungszufuhr abhängig.
Selbstverständlich ist es langfristig auch von Bedeutung WAS wir essen. Eine Säure-überschüssige Ernährung führt zu einer leichten Erhöhung der freien Säureausscheidung im Urin: Folge, der pH im Urin verschiebt sich zum Sauren hin. Eine Säure-überschüssige Ernährung kann jedoch auch genau zum Gegenteil führen, nämlich zur Verschiebung zum Alkalischen hin. Dieses geschieht dann, wenn durch Säureüberschuss die Glutaminbildung in der Niere angeregt wird, um vermehrt Ammoniak bereitzustellen. Der vermehrt gebildete Ammoniak diffundiert in den Primärharn, bindet dort Protonen und wird zum Ammonium-Ion, das nicht mehr aus dem Primärharn in die Zellen zurück diffundieren kann und somit ausgeschieden wird. Die Protonenbindung reduziert die freie Säurekonzentration, d.h. der pH-Wert verschiebt sich zum alkalischen hin. Für den Glutaminnachschub wird bei einer Azidose durch einen aktivierten unspezifischen Proteinabbau in der Skelettmuskulatur gesorgt (Säureaktivierung des Ubiquitin-Systems).
Ein alkalischer pH im Urin kann demzufolge entweder Zeichen einer deutlich basischen Ernährung oder Zeichen einer massiven Azidose sein. Hieraus ergibt sich, dass er ungeeignet ist, eine Aussage über den Säure-Basen-Status zuzulassen. Eine Beurteilung des Säure-Basen-Status ist durch die Messung der Gesamtsäureauscheidung im 24-Stundenurin durchführbar, dieses ist jedoch eine mit vielen praktischen Problemen behaftete Methode (korrekte Sammlung, Vermeidung von bakterieller Kontamination, Titration etc.), so dass leider gegenwärtig keine einfache Methode zur Verfügung steht, aus der Urinanalytik auf den Säure-Basen-Status zu schließen. Eine Beurteilung ist jedoch durch Ernährungsanamnese unter Verwendung geeigneter Tabellen (PRAL-Werte) möglich.
Ich hoffe, dass diese Ausführungen etwas Licht in die vielen Diskussionen bringt.
Viele Grüße
bis bald
Jürgen Vormann