Über richtiges Essen

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no-tsou-wu

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Über richtiges Essen
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Worum geht’s?
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Ein indischer Yogin wurde einmal gefragt: Was ist eigentlich Yoga? Er antwortete: Richtiges Sprechen, richtiges Handeln, richtiges Gehen, richtiges Denken. Gewiss hätte er nichts dagegen gehabt, wenn man ergänzen würde: Richtiges Essen.
Die heutigen Menschen leiden meist nicht nur unter einer Verstopfung des Geistes, sondern auch der Gedärme. Die Industrie und ihre Helfershelfer reden den Menschen ein, es liege an der Zusammensetzung der Ernährung. Sie bieten zahllose widersprüchliche und verwirrende Produkte und Strategien zur "richtigen" und "gesunden" Ernährung an. Ein klar denkender Mensch sollte jedoch erkennen, dass wir heute in den Industrieländern eine billige und einfache Grundnahrung zur Verfügung haben, die oft alles an Bekömmlichkeit und Reinheit übertrifft, was in hunderten Jahren davor jemals zur Verfügung stand.
Es ist interessant, wie viel Mittel und angeblicher Fachgelehrtenverstand für Behauptungen der Art verausgabt werden, der Mensch "sitze zu viel" und esse "zu wenig gesund", "natürlich" oder "gehaltvoll" und anderes mehr. Und wie viel Aufwand für "Ernährungsberatung" betrieben wird. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Wir leiden hauptsächlich unter selbstverschuldeter Gefräßigkeit.

Ursache der Gefräßigkeit
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Auch die Ursache der Gefräßigkeit lässt sich mit wenig Aufwand, aber viel Ehrlichkeit, leicht beantworten: Der heutige Mensch isst nicht mit dem Magen, sondern mit den Augen bzw. dem Gaumen. Der Magen signalisiert stets, wenn der Zustand der Sättigung eingetreten ist. Jedoch haben viele Menschen schlicht verlernt, auf dieses Signal zu achten. Sie bemerken es entweder gar nicht oder viel zu spät. Was sind die Gründe?

* Jahre-, um nicht zu sagen jahrzehntelange, Überfütterung hat die Wahrnehmung betäubt.
* Viele industrielle Nahrung, die nicht mehr natürlichen, sondern künstlichen Ursprungs ist, beeinträchtigt das natürliche Empfinden von Sattheit. Sie ist außerdem allein als Anreiz für Augen und Gaumen "entworfen" – Sättigung steht an letzter Stelle.
* Essen dient, wie alle anderen Sinnesfreuden auch, als psychischer Mangelersatz.
* Falsches und übertriebenes Verständnis der Nahrung und ihrer Bedeutung für den Körper.

Unter diesen Gründen sind die letzten beiden von besonderem Interesse, da sie eine Möglichkeit eröffnen, der Gewohnheit übermäßiger Nahrungsaufnahme zu entkommen. Zunächst sollte man jedoch noch klären, weshalb man der Gefräßigkeit überhaupt einen Riegel vorschieben sollte.

Weshalb man weniger essen sollte
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Es ist eine Tatsache, dass sich viele Menschen, die regelmäßig übermäßig viel Nahrung zu sich nehmen, nicht nur dicker als nötig sind, sondern sich dazu psychisch und mental unwohl fühlen. Dies gilt auch für die ganz "normalen" Menschen, die der Ansicht sind, im Hinblick auf die Nahrungsmenge alles richtig zu machen.
Der Beobachter stellt fest, dass diese Menschen noch unter einem anderen, viel weniger offensichtlichen Problem leiden: Sie fühlen sich, wenn auch nicht bewusst, als Sklaven ihrer Gaumenlust. Wer gern isst und viel isst, kann den Tag nicht ohne Unruhe darüber verbringen, wann es wieder "etwas" zu essen gibt, was es sein sollte, und wie man die Umstände, unter denen man die Nahrung zu sich nimmt, entsprechend vorbereitet. Mit anderen Worten: Das Essen beschäftigt den Geist in einer Weise, die übertrieben ist und den Menschen mit Kleinigkeiten in Anspruch nimmt. Der Tagesablauf des "normal" essenden Menschen der Industriegesellschaft wird daher zu einem nicht kleinen Teil von der Nahrungsbeschaffung, -zubereitung und –aufnahme diktiert.
Wenn man sieht, wie viel Bedeutung manche Menschen der Nahrungsaufnahme beimessen, muss man manchmal den Kopf schütteln. Es gibt Leute, die wütend werden, wenn sie ihre Mittagspause nicht bekommen. Man sitzt stundenlang vor dem Fernseher, um Kochsendungen zu verfolgen. Man trifft sich nur deshalb mit Freunden, um eine Aussicht auf ein leckeres Essen zu befriedigen. Ganze Wochen im Voraus werden Grillpartys und andere schmackhafte Festivitäten geplant. Kinder werden täglich an den Anblick überladener Frühstücks-, Mittags- und Abendbrottische gewöhnt. Viele können sich überhaupt nicht mehr vorstellen, ohne mehrere Wurst- und Käsesorten und "geregelte" Mahlzeiten auskommen zu müssen.
Wer sich zuviel mit Kleinigkeiten beschäftigt, wird schließlich selbst kleinlich – dies gilt nicht nur für das Essen, sondern auch für alle anderen Tätigkeiten des Alltags. In Indien sagt man: Man wird zu dem, was man denkt!
Viele Gefühle von Kleinheit, mangelndem Selbstvertrauen, von persönlicher Banalität und Geringwertigkeit sind darauf zurückzuführen, dass sich viele Menschen gewohnheitsmäßig mit Banalitäten auf eine Art befassen, dass sie sich von diesen tatsächlich abhängig machen. Wenn man wie ein Hund den ganzen Tag nur am Unrat der Straße schnüffelt, wird man sich schließlich auch wie ein solcher fühlen.
Weniger essen bzw. richtiges Essen bedeutet, dem Körper nicht mehr Nahrung zuzuführen, als dieser tatsächlich benötigt. Es ist eine Forderung der Weisheit, nicht der Gesundheit. Wenn es um Gesundheit ginge – dazu sind ganze Bibliotheken geschrieben worden. Aber nur wenig Rat wird man zu "richtigem Sprechen, richtigem Handeln, richtigem Gehen, richtigem Denken und richtigem Essen" finden.
Wer Maßhalten in allem lernt, wird einen ruhigen Geist, eine mäßige Bedürfnishaltung und Unaufgeregtheit in vielen Lebenssituationen erwerben. Mit dem Essen zu beginnen, kann ein Anfang eines Weges der geistigen Entwicklung sein, den sich so viele Menschen wünschen. Und natürlich muss auch hier von Anfang an der völlige Verzicht auf Fleischgenuss erwogen werden, der ein eigenes und heikles Thema darstellt – es geht nicht an, dass wir uns weiter auf Kosten anderer Lebewesen ernähren. Zu den vielen Irrationalitäten des "denkenden" Menschen gerade auf diesem Gebiet gehört die in "spirituellen" Kreisen vernommene fromme Ansicht, dass die Tiere sich "für uns opfern" würden – eine offensichtliche Wunschvorstellung.

Richtig wahrnehmen
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Nun greifen wir noch einmal die weiter oben besprochenen, letzten beiden Ursachen der Gefräßigkeit auf. Wenn man mehr Nahrung zu sich nimmt, als der Körper benötigt, ist es offenbar etwas anderes als der Körper, das diese Nahrung benötigt. Was ist dies? Mit "Gewohnheit" fällt ein Wort, das nur deskriptiv ist und keine hinreichende Erklärung bietet. Die übermäßige Nahrungsaufnahme entsteht einfach aus der Vorstellung, dass "etwas fehlt", wenn dieselbe (nämlich die Nahrungsaufnahme) nun nicht unverzüglich in Angriff genommen wird. Schlichter kann man es letztlich einfach nicht ausdrücken. Wir haben die Wahrnehmung eines "leeren" Gefühls, jedoch nicht im Magen, sondern im Geist, und setzen diese Wahrnehmung gewohnheitsgemäß sogleich in eine Handlung um (in der Biologie sagt man dazu bezüglich von Tieren: "Appetenzverhalten"; also ein Verhalten, welches zur triebbefriedigenden Endhandlung führt).
Die Gründe des "leeren" Gefühls sind zahllos, und ihre Erörterung würde aus verschiedenen Gründen hier nicht weiterführen. Wichtig sind die Wahrnehmung selbst und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Die Forderung an dieser Stelle lautet, das leere Gefühl als eine Vorstellung zu erkennen, die sogleich vom Geist ergriffen und gewohnheitsmäßig in eine feste Reaktion überführt wird. Diese Reaktion muss unterbunden werden, weil sie nicht erforderlich ist.
Während wir essen, sollten wir außerdem den Vorgang des Essens wahrnehmen. Wir sollten erkennen können, wenn der Magen "Sättigung" signalisiert. Wir sollten einfache Regeln kennen und beherrschen, mit denen wir die überbordende Lust der Augen und des Gaumens im Zaum halten, um so zu verhindern, dass die Pferde der Sinnlichkeit mit uns durchgehen. Regeln dieser Art werden im Folgenden erörtert.

Regeln für richtiges Essen
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* Bevor die Suche nach Essen beginnt, entsteht im Geist der Wunsch danach. Diesen Wunsch wahrnehmen. Schauen, wie er immer stärker wird, je länger er ignoriert wird, und wie er dann an Hartnäckigkeit zunimmt.
* Langsam essen. Sehr langsam essen. Je langsamer man isst, umso schneller ist man satt. Dies ist eine einfache und leicht herbeizuführende Erfahrungstatsache!
* Die Gier wahrnehmen. Gier erzeugt stets Hast im Geist. Ein gieriger Geist ist flink, sieht alles und nichts, will alles ergreifen, ohne es richtig zu sehen und zu verstehen. Gier und Hast sind Gesellen, die sich zu gemeinsamem Zweck verbrüdert haben. Menschen, die eben noch lächelnd am Tisch gesessen haben, scheinbar vertieft in gesellige Unterhaltung, werden plötzlich wütend, wenn man ihnen den Teller wegnimmt … ein interessantes Phänomen!
* Das übermäßige Interesse an der Nahrung wahrnehmen. Je mehr Zeit man mit dem Einkauf, dem Grübeln vor den Supermarktregalen, der Vorfreude auf die Mahlzeit und die eigentliche Zubereitung verbringt, umso mehr Kraft gewinnt der sinnliche Geist, und umso mehr Tageszeit wird durch sinnlose Beschäftigung vertan.
* Wahrnehmen, welche Bedeutung der gemeinsamen Mahlzeit in der Familie als psychischer "Mangelersatz" zugemessen wird. Viele Menschen betrachten den Familientisch quasi als etwas unverzichtbares "Heiliges" und werden böse, wenn dies in Frage gestellt wird. All dies mag für das traditionelle Denken wichtig sein, ist aber im Sinne richtigen Essens nichts als eine Übertreibung.
* Wahrnehmen, wie die Lust am Essen sich an zwei Stellen zusammenzieht, die viel mit dem Geist, aber nichts mit der Nahrung und ihrem eigentlichen Zweck, der Sättigung, zu tun haben: Den Augen und dem Gaumen. Wenn man Nahrung nur mit Augen und Gaumen sieht, befindet man sich in der Situation eines Menschen, der auf seinen zwei Händen laufen will, weil er vergessen hat, dass er zwei Beine hat. Richtiges Essen konzentriert den Geist auf den Magen, nicht auf die Lustzentren – diese führen stets in die falsche Richtung!
* Dies ist ein Rat, den ein Yogin seinen Schülern gab: Nur einmal am Tag essen. Es ist eine Forderung, der sich der/diejenige anschließen kann, der/die ernst machen will. Wenn man nur einmal am Tag (z.B. um 13:00 Uhr) gehaltvolle Nahrung in wirklich sättigender Menge zu sich nimmt (Kartoffeln, Bohnen, Reis, Nudeln), ist man (nach Erfahrung des Verfassers) noch am nächsten Vormittag um 10:00 Uhr satt. Erst danach zeigt sich ein "leeres" Gefühl, aber diesmal das echte, das aus dem Magen.
* Aufhören, an die zahlreichen und mehr oder weniger sinnlosen Ernährungsratschläge der "Fachleute" zu glauben. Viele davon mögen auf die Erfahrungen statistisch ermittelter Studiengruppen zutreffen – viele sind nichts als das Geschwätz gutbezahlter und mehr oder weniger sinnvoll forschender Wissenschaftler. Es geht stets nur um die eigene Erfahrung – nichts anderes zählt. Wer sich in allgemeinen Lebenslagen nach den Ratschlägen von Fachleuten richtet, geht in die Irre, weil diese stets (wie die deutschen Autobauer) von übertriebenen Maßstäben ausgehen. Es gab einmal eine Zeit, die noch gar nicht so lange her ist, da Frauen und Männer Bücher lesen mussten, um ihre Kinder richtig zu erziehen…
* Einfachheit lieben lernen. Schmecken, dass die Kartoffel nichts Kleines ist, sondern etwas Großes, weil sie die Macht hat, den Körper am Leben zu erhalten. Das Kleine und Unscheinbare lieben lernen, weil es nur dieses ist, dessen wir wirklich bedürfen. Wenn man dies konsequent praktiziert, wird man eines Tages schon von simpelsten Genüssen vollkommen befriedigt sein. Das Raffinierte und Aufwändige ablehnen, weil es eine übermäßige und überflüssige Gedankentätigkeit und Habgier fördert, und weil es eines weisen Menschen einfach unwürdig ist, sich die Finger nach Schmackhaftem zu lecken.
* Freude an der Beherrschung der Sinnlichkeit gewinnen. Freude daran empfinden, sich dem Diktat der Sinnlichkeit aus freiem Willen entziehen zu können. Es ist eine Tatsache, dass der Geist an Kraft gewinnt, sobald er von der Sinnlichkeit abgezogen wird. Eine Orientierung des Geistes weg vom Körper erzeugt einen höheren Bewusstseinszustand.

Vom Sinnlichen weg
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Eine geistige Entwicklung, die diesen Namen verdient, will den Menschen erhöhen, indem sie ihn von der Sinnlichkeit wegorientiert. In der heutigen Zeit können sich viele Menschen etwas anderes als Essen, Trinken, Autofahren und Lust nicht mehr vorstellen. Obwohl sie ahnen, dass es diese Lebenshaltung ist, die sie unzufrieden macht und letztlich zerstört, wissen sie nicht, wie sie diesem Trend Einhalt gebieten können. Der Grund liegt oft darin, dass die Menschen nicht im Kleinen anzufangen verstehen, weil sie gewohnt sind, alles sofort zu bekommen. Ohne geduldige Selbsterziehung in kleinen Schritten wird jedoch niemand echte Fortschritte machen können. Wenn man das Große verstehen will, muss man erst das Kleine verstanden haben. Wenn man wissen will, wer man ist, sollte man erst einmal verstanden haben, wer man nicht sein sollte. Es ist die Einfachheit in allem, die alles leicht macht.

Eine amerikanische Heilige macht es vor
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Die folgenden wenigen Absätze stammen von Peace Pilgrim, einer wenig bekannten US-Amerikanerin, die 1981 gestorben ist und von vielen als Heilige betrachtet wird. Peace Pilgrim wanderte 40.000 km durch ihr Land, um ihre Friedensbotschaft zu verbreiten. In ihrer lesenswerten Biografie schildert sie, wie die Vereinfachung ihres Lebens sie zu einem erfüllten Menschen gemacht hat (www.peacepilgrim.net):
(gekürzt wegen Überlänge)
"Ich weiß genug über Nahrung, um meinen Körper richtig zu ernähren, und ich habe eine exzellente Gesundheit. Ich genieße mein Essen, esse aber nur, um zu leben. Ich lebe nicht, um zu essen, wie es manche Menschen tun, und ich weiß, wann ich mit dem Essen aufhören muss. Ich bin vom Essen nicht versklavt.
Vielleicht denken Sie, dass die Reinigung des Körpers das Erste ist, woran die Menschen zu arbeiten bereit sind. Aber in Wirklichkeit habe ich durch praktische Erfahrung entdeckt, dass es oft der letzte Bereich ist, den die Menschen ins Auge fassen. Denn es bedeutet, dass man manche der übelsten Gewohnheiten, die man hat, aufgeben muss. Und gerade an diesen klammern wir uns am hartnäckigsten fest."
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