Liebe evy,
ich habe alle Beiträge bis hierher gelesen und habe versucht, mich in dich
hineinzufühlen, was mir nur bedingt gelungen ist. Ich war nämlich nach 20 Jahren Ehe "auf der anderen Seite", dh, mein Mann hat mich verlassen, jedoch
mit einer Zielstrebigkeit, die mit deinen abwägenden Gedanken nichts gemeinsam hat! Er hat die Scheidung im Vorjahr nach allen juristischen und sonstigen Regeln der Kunst strategisch so knallhart durchgezogen, dass ich
fast an den Begleitumständen kaputt gegangen wäre.
Aber, wie gesagt, das hat nichts mit dir zu tun, man kann und soll solche
Situationen nicht miteinander vergleichen.
Den Glückwünschen zu deiner Entscheidung, die dir mehrmals zugekommen sind, kann ich mich nicht wirklich anschliessen. Ich glaube, dass eine Scheidung, auch bei dem, der sie veranlasst, ziemliche Verletzungen
hinterlässt. Die einen können so gut damit umgehen, dass die zurückbleibende Narbe kaum mehr fühlbar ist, für andere bleiben es lebenslange Wunden.
Für denjenigen, der sich trennen möchte (in dem Fall du, evy) hat der
Scheidungstermin vielleicht gar nicht diese Bedeutung, die ich ihm beigemessen habe. Mein Mann hat seine Entscheidung, mit einer anderen
Frau leben zu wollen, ganz nüchtern betrachtet, nämlich, dass dies täglich
überall passiert, und dass ich nicht so ein Drama draus machen soll. Für mich war es aber eins, ein Drama. Das Scheidungsurteil habe ich wie in Trance
vernommen, für mich war mein Lebensentwurf zerbrochen. Ganz abgesehen davon, war, trotz aller vorherigen gegenteiligen Beteuerungen, diese
Scheidung ein Rosenkrieg der üblen Sorte. Er hat 2 1/2 Jahre gedauert ...
Nein, mein "Fall" ist nicht unbedingt ein Maßstab, aber so etwas gibt es eben
auch.
Aber - ich habe mich seit der Scheidung sehr verändert. Ich bin nicht mehr
die Frau, die mein Mann verlassen hat (vielleicht hätte ich die "alte" Daisy
auch verlassen). Ich habe, trotz all dem, was passiert ist, nie wirklich
aufgehört, meinen Mann zu lieben, und hätte ich heute die Chance, ich wäre
ihm mit Sicherheit eine bessere weil anders denkende und anders handelnde
Ehepartnerin.
Das habe ich jetzt nur geschrieben in Anknüpfung an deine Worte
weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass sich ein 57jähriger Mann über Nacht so drastisch ändern kann
Über Nacht nicht, nein, aber Menschen können sich ändern. Und, wie
Ritter Omlett richtig sagt, es sind ja nicht nur Schwächen im Spiel, sondern
auch Stärken, auf die man aufbauen kann, wenn man bewusst an sich
arbeitet. Vielleicht gehört dein Mann zu der Sorte Mensch, die tatsächlich
die drastische Lösung (Scheidung) brauchen, um in manchen Verhaltensweisen eine Kehrtwendung einzuleiten.
Auf der einen Seite bist du gut dran, weil du am längeren Ast sitzt, auf der
anderen Seite liegt die Entscheidung alleine bei dir, und das ist mit viel
Verantwortung verbunden.
Ich hoffe für dich, dass dir möglichst vielseitige Betrachtungsweisen
möglich sind, die dir eine zufriedenstellende Lösung ermöglichen werden.
Liebe Grüße,
Daisy