tote Babys

Hallo Reinfriede,
ich habe gestern abend noch lange über deine Antwort nachgedacht.
...und bin für mich zu dem Ergebnis gekommen, dass ich offensichtlich dann wenig fühle, wenn ich mir für mich diese Situation absolut nicht vorstellen kann und ich dadurch keine Resonanz dazu habe.
Und so denke ich es mir bei Themen, wo ich wenig dazu spüre....es ist nicht MEIN Thema. (Das soll jetzt keine Wertung sein, ob ich das Thema gut/schlecht oder sonst was finde, ich habe nur emotionell wenig Zugang dazu).
Muss nun nicht für jeden stimmen, aber für mich dürfte es passen....
Es ist interessant...vom Text her stimme ich dir voll und ganz zu...doch meine Gefühle sind komplett anders. Wie oben im anderen Posting beschrieben. Das geht mir nicht aus dem Kopf. Ich frage mich jetzt, warum habe ich diese Gefühle, obwohl es mich (eigentlich) nichts angeht?
...
Eberesche
 
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Kann es sein, das sich diese Gefühle breit machen, weil wir Menschen kaum etwas so hilfloses kennen, wie es ein Baby ist?

Ich darf mir so etwas nicht vorstellen, wie ein Baby getötet wird - für mich gibt es fast keine Steigerung...und da werde ich auch ganz unesoterisch...

Allein der Gedanke 151x auf ein Baby einstechen...ich könnte schreien...

Antenne
 
Hallo Reinfriede,
ich habe gestern abend noch lange über deine Antwort nachgedacht.
Es ist interessant...vom Text her stimme ich dir voll und ganz zu...doch meine Gefühle sind komplett anders. Wie oben im anderen Posting beschrieben. Das geht mir nicht aus dem Kopf. Ich frage mich jetzt, warum habe ich diese Gefühle, obwohl es mich (eigentlich) nichts angeht?
...
Eberesche

Liebe Eberesche!

Da mach ich jetzt eine gefährliche Gratwanderung, einerseits weil ich mir selbst nicht ganz sicher bei der Beantwortung bin, andererseits wegen des Threadthemas - es könnte sehr leicht missverstanden werden, was ich schreibe. *schwitz*

Wenn ich das jetzt schreibe, könnten alle User, die sich "auf die Seite des Babies stellen", nun denken, ich meinte, sie wären verkappte Täter. Das meine ich definitiv NICHT. Und es ist schwierig für mich, das richtig rüberzubringen, weil ich nicht so ein toller Buchstabenakrobat bin.

Ich denke mir das grob gesagt so:

Wenn ich schon mal emotionell in einer Situation war, in der ich dermaßen verzweifelt war, dass ich Dinge tun hätte können, die "abscheulich" sind, dann kann ich innerlich nachvollziehen, wie schrecklich sich das für den "Täter" anfühlen muss. Ich will aber nicht so sein, darum weise ich das strikt von mir (verständlich). Ich will das vergessen, nicht spüren, dass ich so handeln hätte können, und - dass ich es im Grunde genommen *verstehe*

Konstruiertes Beispiel: Jemand, der in völliger Sicherheit aufgewachsen ist, niemals mit finanziellen/partnerschaftlichen/emotionellen Katastrophen konfrontiert wurde, niemals durch die sprichwörtliche Hölle gegangen ist, würde wahrscheinlich bei dem Thema, dass jemand so verzweifelt ist, so etwas zu tun, nicht hinhören, weils keine Resonanz gibt. Das wäre dann so ähnlich wie das Lesen des Wirtschaftsteils in einer Zeitung (als wirtschaftlicher Laie).

Historisches Beispiel: Marie Antoinettes Ausspruch, als ihr zu Ohren gekommen war, dass das Volk hungern würde, wortwörtlich "kein Brot hätte", war: "Dann sollen sie doch Kuchen essen!" Sie hatte nie gelernt, was Hunger ist - es berührte sie nicht, keine Resonanz.

Also, ich denke, wenn mich etwas gar so sehr berührt, "verstehe" ich tief drinnen in mir - ganz heimlich und eingeschlossen in meiner Seele - die verzweifelten Beweggründe des "Täters", nur will ich dieses Verständnis nie und nimmer an die Oberfläche lassen, weil es nur eine Seite geben darf: Die gute, die moralische, die heilige. Ich "darf" nur eine Seite vertreten - das ist das Dilemma.

Ich glaube, in dem Moment, in dem man/frau anerkennen kann, dass die Täterin auch bemitleidenswert ist, wird dieses Polarisierungsbedürfnis zugunsten einer allgemeinen Trauer weichen.


Ok, jetzt dürft Ihr mich prügeln......:fechten:

Liebe Grüße
Reinfriede
 
Hallo,

es schmerzt, je näher man einer Entbindung (vorher + nachher) ist umso mehr tut es weh.

Ich verdränge es mit folgenden Gedanken:
Die Mutter ist vollkommen verzweifelt.
Das Kind hat sich seine Mutter ausgesucht.
Sterben ist manchmal besser als leben.

Und dann holt mich der Schmerz wieder ein und ich lenke mich ab.
 
Warum sollten solche Schlagzeilen in unserer heutigen Wegwerf-Gesellschaft überraschen /schockieren?
Was bringt es, hier über die Gefühle zu schreiben? Ändert das irgendetwas an den Zuständen?
Nein.
Solange die einzelnen Mitglieder dieser Gesellschaft nicht bereit sind, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und ihren Teil zur Gemeinschaft beizutragen , solange werden solche Schlagzeilen immer wieder in den Zeitungen stehn.
Aber vielleicht hat´s das immer gegeben, nur hat´s früher keinen interessiert.


Sage
 
Hallo Reinfriede,

du sprichst von der Resonanz zur Mutter, aber was ist mit der Resonanz zum Baby? Ich denke, jeder von uns wäre fähig einen anderen zu verletzen und man hat Glück, wenn diese gnadenlose Situation einen nie anfällt. Dessen sollte man sich bewußt sein. Es ist alles auch in uns.
Aber bei meinen Gedanken und meiner Traurigkeit geht es vielmehr um die wenigen Sekunden Leben dieser Babys. Es rührt das innere Kind. Unter anderem.

Gruß
anamu
 
Ich prügel dich nicht Reinfriede...........aber ich gestehe ich bin mir nicht sicher ob ich dich wirklich verstehe!?:confused:

Korrigiere mich wenn ich falsch liege!

Du könntest dir also.........tief in dir drin........vorstellen in einer extremen Situation genauso zu handeln wie diese Menschen es tun!?

:confused: :confused: :confused:

Nun ich registriere dieserlei Meldungen mit hochgradigem Entsetzen..........wobei sich Gefühle dann arg vermischen.
Trauer um diese kleinen hilflosen und reinen Wesen die keine Chance bekommen haben leben zu dürfen..........Wut und Verachtung für die Täter.

Ich frage nach dem "Warum".........wohlwissend das keine Antwort die jemand geben könnte/würd/wird mich wirklich zufriedenstellen oder gar versöhnen könnte.

Ich fühle absolutes Unverständnis...........und das aus dem tiefen Gefühl heraus das ich mir niemals vorstellen könnte soetwas zu tun.

Ich war schon in manch aussichtslos scheinenden Situation im Leben...........aber einen solchen Schritt hätte ich nie getan.

Vielleicht hat es damit zu tun wie ich aufgewachsen bin..........mein Vater gab mir mit auf den Weg das "es immer einen Weg gibt".

Mancher mag den Spruch für platt halten..............für mich hat er sich so oft bewahrheitet das ich beinahe auf ihn vertraue:

"Und wenn du denkst es geht nicht mehr,
kommt von irgendwo ein Lichtlein her"

(Und das hat nichts mit Esoterik zu tun, sondern ist sehr sehr real und hat sich in meinem Leben schon oft bestätigt.)
 
Solange die einzelnen Mitglieder dieser Gesellschaft nicht bereit sind, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und ihren Teil zur Gemeinschaft beizutragen
Aber vielleicht hat´s das immer gegeben, nur hat´s früher keinen interessiert.

Sage

Da steckt viel viel mehr dahinter, als nur Verantwortung zu übernehmen.
Du hast recht: Das gab es leider immer schon.
 
Liebe Reinfriede :)

Ich glaube, in dem Moment, in dem man/frau anerkennen kann, dass die Täterin auch bemitleidenswert ist, wird dieses Polarisierungsbedürfnis zugunsten einer allgemeinen Trauer weichen.

Ja. Aber dazu muss vermutlich erst einmal zugelassen werden, dass man selbst diese Täterin sein könnte.

Als mein Sohn verstorben war, war es gar nicht so leicht für mich, mit meiner Wut auf ihn klar zu kommen. Ganz schlimm war auch die Wut, die hochkam, wenn mir andere Mütter mit ihren Kindern in der Karre entgegenkamen. Nicht nur einmal verspürte ich den Impuls, diese Kinder aus der Karre zu reißen und ihnen etwas anzutun. Darauf folgte ziemliches Entsetzen und es brauchte Zeit, ehe ich mir diese geradezu mörderische Wut zugestehen konnte, die Bestandteil meiner Trauer war. Seither mag ich nicht mehr polarisieren - es hat sich schlicht erübrigt.

Lieben Gruß
Rita
 
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Du könntest dir also.........tief in dir drin........vorstellen in einer extremen Situation genauso zu handeln wie diese Menschen es tun!?


Himmel, wie kriegt man diese Schrifteinstellung beim Antworten weg? *verzweifel*

Also, liebe Thundercat, prinzipiell kann ich mir bei mir alles vorstellen, denn ich denke, mit genügend Rechtfertigung ist jeder Mensch auch zu allem fähig. Ich brauche mir zum Beispiel nur mal auszumalen, wozu ich fähig wäre, wenn jemand meinen Kindern etwas angetan hätte....*mord*

Und wenn ich eine psychische Störung bekommen würde, wer weiß, wozu ich dann fähig wäre? Kann jeder Mensch für sich wirklich die Hand ins Feuer legen, irgendetwas NIEMALS zu tun? Ich kann sagen: Ich HABE dies und das noch nie getan, also kann man errechnen, dass ich wahrscheinlich es nie tun würde - aber weisst Du wirklich, ob Du nicht - z.B. im Krieg und bei entsetzlichen Situationen auch zu "Greueltaten" fähig wärest? Stell Dir nur mal bildlich vor, dass jemand Deine Kinder bedroht......

Trauer um diese kleinen hilflosen und reinen Wesen die keine Chance bekommen haben leben zu dürfen..........Wut und Verachtung für die Täter.



Liebe Thundercat, das ist der Grund, warum ich geschrieben habe, dass es hier in diesem Thread leicht zu Fehlinterpretationen kommen kann. NATÜRLICH habe ich Mitleid mit diesen kleinen, hilflosen Wesen - ich bin ja selbst Mutter und würde meine Kinder mit jedem Mittel verteidigen.

Der einzige Unterschied ist wahrscheinlich der, dass ich nicht Verachtung für den Täter verspüre - oder zumindest nicht in den Ausmaß, wie es "sich gehören würde". Ich denke mir, dass jede Tat ihre Vorgeschichte hat.​

Und dass es schrecklich sein muss, in einer Situation zu sein, in der man so handelt. Sagen wir es einmal kurzgefasst so: Ich möchte nicht in der Haut des Babies gesteckt sein. Ich möchte aber auch nicht in der Haut des Täters gesteckt sein.​

Ich frage nach dem "Warum".........wohlwissend das keine Antwort die jemand geben könnte/würd/wird mich wirklich zufriedenstellen oder gar versöhnen könnte.



Fragst Du wirklich? Würdest Du wirklich die Beweggründe des Täters gerne verstehen? Würdest Du wirklich Dich gerne ernsthaft und intensiv mit der Vorgeschichte und den Beweggründen, die zu der Tat geführt haben, beschäftigen wollen? Spür einfach mal hin, ob Du das wollen würdest, oder ob es da eine Abwehrhaltung gibt.​


Liebe Thundercat, in unserer weit verzweigten Riesenfamilie gabs schon viele "Opfer", aber auch viele "Täter". Und alle waren Menschen, mit Gefühlen, mit Hoffnungen, mit dem Wunsch nach Liebe und..und..und. Die "Täter" waren Menschen wie Du und ich, nur mit anderer Vorgeschichte - eben mit ihrer ganz persönlichen "Rechtfertigung", die es braucht, um zum Täter zu werden.​


Liebe thundercat, ich bin dem Leben dankbar, dass ich niemals so handeln hatte müssen, dass ich niemals diese Summe von Ereignissen erlebt hatte, die mich soweit gebracht hätten, dass ich niemals eine schwerwiegende psychische Störung durchmachte oder ähnliches. Ich stell mir das schrecklich vor. Schuldig sein. Ausgerastet zu sein. Sein eigenes Kind umgebracht zu haben. Wenn eine schwere psychische Störung vorliegt, es vielleicht nicht mal zu wissen.

Und ich glaube, keiner von uns würde gerne diesen Part übernehmen...

Liebe Grüße
Reinfriede
 
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