Toleranz

Seelenfluegel

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Donnersbergkreis
Auf Wunsch setz ich meinen Text mit dem Thema "Toleranz" hier nochmal rein:

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Toleranz



"ich verurteile niemanden...."

"ich akzeptiere die Meinungen anderer..."


Wie schnell sind solche Worte gesagt oder geschrieben. Man möchte ja nicht vor den Anderen als "intolerant" dastehen. Doch wie steht es wirklich um den Wahrheitsgehalt dieser Worte? Wo ist Toleranz wirklich wahrhaftig und wo ist sie bloss ein fauler Kompromis? Verstehen wir unseren Gegenüber wirklich, weil wir seine Gedankenwege nachvollziehen koennen, oder gestehen wir ihm lediglich zähneknirschend zu, dass er eine andere Meinung hat als wir und in uns grummelt es weiter?


In Bezug auf Toleranz hat jeder seine persönlichen Grenzen. Diese Grenze wächst mit der Integration der Aspekte einschliesslich ihrer jeweiligen Gegensätze.


Wir alle sind gefordert. Wahrhaftige Toleranz ist der Weg zurück zur Einheit; das Einsammlen von Aspekten samt ihrem Gegenpol. Wahrhaftige Toleranz ermöglicht die Erlösung der Aspekte und ihrer Schatten.


Wenn wir hier in unsere polaren Dimension einem Aspekt begegnen, so führt er im Schatten IMMER seinen Gegenpol mit sich. Pol und Gegenpol bedingen einander und haben ihre Berechtigung und gleiche Gültigkeit. Es gibt nicht bloss Tag, sondern auch Nacht, nicht bloss Einatmen, sondern auch Ausatmen; doch jeden Aspekt und dessen Gegenpol können wir bloss als "nacheinander" erfahren, auch wenn wir wissen, das es beides gibt und Eines das Andere bedingt.
Bei Aspekten wie Frieden und Krieg, Liebe und Hass, Täter und Opfer, haben wir erheblich mehr Schwierigkeiten, sie als sinnhafte Ausdrücke einer Einheit zu begreifen. Nichts desto trotz folgen auch die negativen Aspekte den Gesetzen der Polarität.


Bleiben wir in einer Meinung hängen und verneinen die oppositionelle Meinung, so stellen wir uns genau gegen diese polare Gesetzmässigkeit. Wir stehen in Krieg zur oppostionellen Meinung und sind damit vom Frieden weit entfernt.


Natürlich vertritt jeder seine Meinung und die Kunst ist es, andere Meinungen, die im Gegenpol zur eigenen Meinung stehen, volle Akzeptanz und Verständnis zubilligen zu koennen und sie auch nachvollziehen können, weil sie gleich gültig sind.
Erst hier kann sich wahrhafte Toleranz entfalten. Das Mass der Toleranz beginnt in einem selbst. Man kann im Aussen nur in dem Mass tolerant sein, wie man tolerant zu sich selbst sein kann. Umso mehr man von sich selbst annehmen und akzeptieren kann, desto besser gelingt auch das Akzeptieren, Annehmen und Integrieren von Inhalten des "Aussens".

Unverständnis, Be- und Abwertung und Verurteilung in Gut und Schlecht äussert sich u.a. emotional. Wir können zwar die Meinung des Anderen akzeptieren, aber wir sind darüber vielleicht entsetzt, traurig und frustriert und insgeheim wäre es uns lieber, wenn er diese Meinung nicht haette. "Meinung" kommt immer, wenn sie nicht gerade angelernt oder übernommen ist, aus einem selbst heraus. Emotional raegieren heisst, wir regen uns über eine Meinung, die uns nicht passt, auf. Diese Emotionalität kann sich in Form von Wut, Resignation, Trauer etc. zum Ausdruck bringen. Sie ist allerdings ein Zeichen dafür, dass der Gegenpol immer noch auf Integration wartet....er ist erst dann integriert, wenn er gleiche Gültigkeit gewonnen hat, gleich gültig geworden ist.
Es ist äusserst schwer, mit neagtiven Aspekten umzugehen. Ein massgeblicher Faktor ist die Bewertung. Das Bewerten liegt in uns und es ist ein wichtiges und brauchbares Werkzeug. Mit Hilfe der Bewertung sind wir unterscheidungsfähig. Es ist ein Unterschied, ob man in Bezug auf ein negatives Thema selbst involviert ist, oder ob es ausserhalb des eigenen Wirkungskreises passiert. Involviert ist man in dem Moment, wo eine Person oder ein Geschehen das eigene, unmittelbare Erleben tritt. Ab hier kann man sein eigene Resonanz in Bezug auf das Geschehen abklopfen. Das hiesst, gerät man selbst in Gewaltaspekte, oder tritt eine Person in unser Leben, die gerade mit Gewaltaspekten zu tun hat, so hat dieser Aspekt uns persönlich errreicht und es fordert uns, uns damit auseinander zu setzen.


Oft passiert es (unbewusst), dass wir unserer Meinung allgemeine Gueltigkeit verleihen und stossen immer wieder auf den Punkt, dass es doch noch anderer Meinungen gibt. Hier sind wir gefordert, diese unbewusste Allgemeingültigekeitsschablone zurückzuziehen, um uns unserer Subjektivität bewusst zu werden und der Meinung des Anderen den Raum der gleichen Gültigkeit zu geben. Durch Einsicht unserer eigenen Subjektivität und der Subjektivität des Gegenübers transformieren wir diese Gegensätze und gewinnen an Objektivitaet.


Toleranz bedeutet aber nicht, dass man sich unbedingt alles gefallen lassen muss. Wir leben in Begrenzung, dies bedingt die Ebene der Materie. Wenn wir einen bestimmten Aspekt nicht innerhalb der uns gesetzen Grenzen gebrauchen können, so geben wir ihm einen Platz ausserhalb unserer gesetzten Grenzen.


Toleranz ist kein Mittel, welches man einsetzen kann, um einer Konfrontation zu entgehen, sondern vielmehr ist die Toleranz als ein Bewusstseinszustand zu verstehen. Den Versuch, Toleranz als Mittel gegen den eigenen Affekt "anzuwenden", scheitert. Toleranz setzt Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit voraus; beginnend sich selbst gegenüber.


Wahrhaftige Toleranz bedeutet das unbewertende, ge-lassene, gleich-gültige Betrachten und Annehmen des Gegenübers mit dem Wissen, das Alles seine Berechtigung hat und ist, wie es ist.

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lg
Christian
 
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Ich toleriere jeden der mit meiner Sicht der Dinge Konform geht.... gg*

Scherz beiseite - es gibt unterschiedliche Meinungen, und das was wir als Frieden bezeichnen, dürfte ein Kompromiss zwischen diesen Meinungen sein...
 
Hi Seele,
Seltsam, mir geht den ganzen Tag schon exakt das gleiche durch den Kopf.
Ich habe begonnen darüber nachzudenken wo die Toleranz bei mir selbst im grünen und im roten Bereich liegt.
Die Antworten die ich fand, überraschten mich eigentlich weniger als die Tatasche, dass meine Toleranzgrenze in manchen Belangen ziemlich niedrig liegt.
Das möchte ich jetzt aber garnicht näher ausführen wiel viel zu lang (und dann keiner lesen)
Ich finde es sehr gut, dass dieses Theme einmal angeschnitten wird und damit evtl. ein gewisser Grad an Selbstbeweihräucherung und Heuchelei (bewusst oder unbebewusst) zur Sprache kommt.
liebe grüsse
 
Hallo Seelenflügel!

Ich finde es toll, dass Du diesen Beitrag hier reingestellt hast, das ist ein Thema, dem wesentlich mehr Beachtung geschenkt werden sollte, ich würde fast sagen, dass es eine Schlüsselfunktion innehat.

Das Problem, vor dem ich beim Thema Toleranz oft stehe, ist, so unglaubwürdig es jetzt klingt, die Objektivität. Wenn alle Meinungen gleich-gültig sind, bemerke ich oft bei mir selbst, dass ich den Boden unter den Füssen verliere (ist nur so ein Gefühl...), denn dadurch verliert ein Thema auch an Bedeutung. Ich hoffe, ich kann das jetzt rüberbringen, was ich meine:

Zwei Meinungen prallen aufeinander, zwei Pole einer Sache werden verteidigt. Durch das Annehmen der Gleich-Gültigkeit beider Pole entsteht im wahrsten Sinne des Wortes: Gleichgültigkeit.

Und oft stehe ich dann vor dem Gefühl dieser Gleichgültigkeit, das mir Probleme macht, so erstrebenswert es auf den ersten Blick auch erscheint.

Ich habe dadurch oft das Gefühl, "keine" Meinung mehr zu einem Thema zu haben.

Würde mich über ein paar Gedankenanstöße sehr freuen!

Liebe Grüße
Reinfriede
 
toleranz hab ich weitgehend aus meinem wortschatz gestrichen, weil es arrogant und scheinheilig ist.

toleranz heisst doch nix anderes als: ich finds ja voll scheisse was du da machst, aber mach ruhig weiter!

werte, die wir wirklich leben und vermitteln sollten, anstelle von toleranz, sind achtung und respekt.

mein meerrettich zum thema :)
grüsslies
zauberweib
 
Hallo zauberweib!

Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, wenn ich eine andere Meinung zum Thema Toleranz vertrete.

***toleranz heisst doch nix anderes als: ich finds ja voll scheisse was du da machst, aber mach ruhig weiter!

Warum empfinde ich das schlimm, was der andere macht? Weil ich das, was der andere da macht, nicht verstehe. Weil ich nicht seine Erfahrungen gemacht habe, die ihn dazu gebracht haben, genau SO und nicht anders zu handeln.

Weil ich davon ausgehe, dass ICH anders reagieren würde... Ich bin aber nicht ER, habe ein anderes Leben gelebt, andere Erfahrungen gemacht und reagiere daher anders.

Würde ich versuchen, auch nur ansatzweise seine Reaktionen nachzuvollziehen, würde ich bemerken, dass seine "Angriffe" auf mich gar nicht wirklich gegen mich gehen, sondern die Summe seiner Einstellungen und Erfahrungen ist, die sich scheinbar jetzt gegen mich richtet. Und ich diesen vermeintlichen Angriff dankbar auffange, weil dieses Thema bei mir auf Resonanz stößt.

Liebe Grüße
Reinfriede
 
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@Ironwhistle

Da wir Individuen sind, so haben wir alle unsere ureigenen, subjektiven Sichtweisen. Wir sind als Individuen in der Gespaltenheit und Abgetrenntheit und so stecken wir mittendrin in dem Paradox namens "Polarität".


@Intrabilis

Nuja, heikles Thema das. *g* Deshalb hab ich es ja gepostet. Ja, stimmt, jeder hat seine Grenzen, auch in Bezug auf das Thema "Toleranz". Ich schliesse mich da nicht aus. Bin ja hier, wie alle anderen auch, zum lernen und integrieren.


@Reinfriede

tja, die liebe Gleich-Gültigkeit. Es kommt halt darauf an, aus welcher Perspektive man sich diesem Aspekt annähert. "Gleichgültig" in der Form, dass man sich einfach ausschliesst (=abtrennt) oder "gleich-gültig" in der Form dass man sich intergriert und alles als Teil eines Ganzen betrachtet.

Meinungslosigkeit? Vielleicht nur ein extremer Ausschlag des Pendels in diesem Moment? Das Paradox der Polarität: Meinung ist beides: wichtig UND bedeutungslos. Will soll unser Verstand in seiner Begrenztheit das Wesen des Paradoxen verstehen? ;)


@zauberweib

Worte sind da um etwas zu benennen. Es ist nicht immer leicht, etwas zu benennen.

Wenn wir etwas "scheisse" finden, dann ist es doch unser subjektives Empfinden, dass diese Beurteilung macht, oder nicht?



allen lg
Christian
 
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