Warum Menschen keine Affen sind
Der Humanismus, verstanden als die Überzeugung, dass Menschen fähig sind, Probleme mittels
Vernunft und Wissenschaft zu lösen, ist heute arg in der Defensive. Der britische Wissenschaftler
Raymond Tallis warnt davor, dass der menschliche Geist und menschliches Handeln zunehmend
relativiert werden, "wenn wir Tiere vermenschlichen oder 'disneyfizieren' und gleichzeitig
menschliches Handeln auf tierische Verhaltensmuster zurückführen".
Sind Menschenaffen wirklich wie wir?
Michael Tomasello ist überzeugt, dass die Art, wie Menschen lernen, einzigartig ist.
Und wir können Werkzeuge wirksam einsetzen, weil wir ihren Sinn verstehen. Es sind diese
Fähigkeiten, die uns sozial lern- und lehrfähig machen. Unsere Kinder beginnen damit gegen
Ende ihres ersten Lebensjahrs. Die anderen Primaten sind nicht in der Lage, intentionale oder
kausale Abläufe nachzuvollziehen weshalb sie auch nicht wie wir lernen können.
Schimpansen benötigen sofern es ihnen überhaupt gelingt bis zu vier Jahre, bis sie die
Technik, eine Nuss mit einem Stein zu knacken, halbwegs beherrschen.
Haben Affen eine Sprache?
Bislang gibt es aber keinen Beleg dafür, dass Primaten auch nur in Ansätzen begreifen, was sie
tun, wenn sie kommunizieren. Ausschließen kann man es wohl nicht. Klar ist aber, dass Primaten
wie alle anderen Tiere nur über gegenwärtige und sichtbare Dinge kommunizieren. Ein
Austausch über vergangene oder kommende Dinge findet nicht statt.
Täuschung und die Theorie des Geistes
Man hat beobachtet, dass Menschenaffen andere Individuen täuschen können. Deutet das nicht
auf eine gewisse Intelligenz hin? Selbst wenn man beobachtet, dass Affen einander täuschen,
heißt das nicht, dass sie wissen, dass sie einander täuschen. Es genügt, dass die Affen geschickt
dieses und jenes ausprobieren und dann bei Methoden bleiben, die ihnen Nahrung oder Schutz
oder Sex einbringen ohne zu begreifen, wie ihre Handlungen mit dem Ergebnis zusammenhängen.
Selbstbewusstsein
Die Entwicklung des Selbstbewusstseins ist ein komplexer Prozess; verschiedene Elemente
entwickeln sich zu unterschiedlichen Zeiten. Beim Menschen ist das Erkennen des eigenen
Spiegelbilds nur ein Vorläufer der sich fortlaufend entwickelnden Fähigkeit zur Selbsterkenntnis
und Selbsteinschätzung.
Dass Menschenaffen sich im Spiegel erkennen können, heißt nicht, dass sie wie Menschen über
Selbsterkenntnis verfügen. Über die Phase, die Kinder in ihrem zweiten Lebensjahr erreichen,
kommen sie nie hinaus.
Wie Kinder sprechen und denken lernen
Es spricht jedoch nichts dafür, dass Menschenaffen absichtsvoll handeln können. Wären sie dazu
in der Lage, müssten sie schneller und vielseitiger lernen. Wie gering die Ansätze von so etwas
wie Verständnis und Intelligenz bei Menschenaffen sind (so es sie überhaupt gibt), wird deutlich,
wenn man vergleicht, wie sich das Denken bei Kindern entwickelt.
Die Verbindung von Sprechen und Denken führt das Kind auf ein neues Niveau und macht es erst
wirklich menschlich. Mittels der Sprache gelingt es den Kindern, ihr Verhalten zunehmend zu
steuern.
Wygotski wies darauf hin, dass kleine Kinder häufig vor sich hin reden, wenn sie bestimmte
Aufgaben bewältigen. Dieses "egozentrische Sprechen" verschwindet nicht, es wandelt sich allmählich
zu innerem Sprechen dem Denken.
Menschenaffen erreichen diese Entwicklungsstufe nicht einmal in Ansätzen.
Menschenfeindlichkeit
Vor etwa sechs Millionen Jahren trennten sich die Entwicklungslinien von Menschenaffen und
Menschen. Die Menschenaffen haben sich seitdem in ihrem Verhalten und ihrer Lebensweise kaum
verändert.
Die Menschenaffen haben in sechs Millionen Jahren möglicherweise 39 nur lokal zu beobachtende
Verhaltensmuster entwickelt, die Werkzeuggebrauch und Kommunikation betreffen. Ihre Lebensart
hat sich dadurch nicht gewandelt.
Die Behauptung, Menschenaffen seien uns sehr ähnlich, ist grotesk.
Hinter der Aufwertung der Tiere, die sich heute großer Popularität erfreut, verbirgt sich die
Abwertung menschlicher Fähigkeiten.
Den Unterschied zwischen den Fähigkeiten von Menschen und Tieren brachte Karl Marx deutlich
auf den Punkt: "Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene
beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein
den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem
Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus,
das bei Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war."
Wenn wir menschliche Eigenschaften auf Tiere projizieren, sind wir bestenfalls faul und
sentimental. Durch diese Projektion begreifen wir weder Tiere noch unsere Einzigartigkeit als
Menschen. Es liegt eine bittere Ironie darin, dass wir trotz unserer Fähigkeit, uns selbst und
unsere Ursprünge zu erforschen und zu begreifen, immer mehr dazu neigen, eben diese Sonderstellung
zu verneinen.
Quelle: http://www.novo-magazin.de/72/novo7212.htm
Der Humanismus, verstanden als die Überzeugung, dass Menschen fähig sind, Probleme mittels
Vernunft und Wissenschaft zu lösen, ist heute arg in der Defensive. Der britische Wissenschaftler
Raymond Tallis warnt davor, dass der menschliche Geist und menschliches Handeln zunehmend
relativiert werden, "wenn wir Tiere vermenschlichen oder 'disneyfizieren' und gleichzeitig
menschliches Handeln auf tierische Verhaltensmuster zurückführen".
Sind Menschenaffen wirklich wie wir?
Michael Tomasello ist überzeugt, dass die Art, wie Menschen lernen, einzigartig ist.
Und wir können Werkzeuge wirksam einsetzen, weil wir ihren Sinn verstehen. Es sind diese
Fähigkeiten, die uns sozial lern- und lehrfähig machen. Unsere Kinder beginnen damit gegen
Ende ihres ersten Lebensjahrs. Die anderen Primaten sind nicht in der Lage, intentionale oder
kausale Abläufe nachzuvollziehen weshalb sie auch nicht wie wir lernen können.
Schimpansen benötigen sofern es ihnen überhaupt gelingt bis zu vier Jahre, bis sie die
Technik, eine Nuss mit einem Stein zu knacken, halbwegs beherrschen.
Haben Affen eine Sprache?
Bislang gibt es aber keinen Beleg dafür, dass Primaten auch nur in Ansätzen begreifen, was sie
tun, wenn sie kommunizieren. Ausschließen kann man es wohl nicht. Klar ist aber, dass Primaten
wie alle anderen Tiere nur über gegenwärtige und sichtbare Dinge kommunizieren. Ein
Austausch über vergangene oder kommende Dinge findet nicht statt.
Täuschung und die Theorie des Geistes
Man hat beobachtet, dass Menschenaffen andere Individuen täuschen können. Deutet das nicht
auf eine gewisse Intelligenz hin? Selbst wenn man beobachtet, dass Affen einander täuschen,
heißt das nicht, dass sie wissen, dass sie einander täuschen. Es genügt, dass die Affen geschickt
dieses und jenes ausprobieren und dann bei Methoden bleiben, die ihnen Nahrung oder Schutz
oder Sex einbringen ohne zu begreifen, wie ihre Handlungen mit dem Ergebnis zusammenhängen.
Selbstbewusstsein
Die Entwicklung des Selbstbewusstseins ist ein komplexer Prozess; verschiedene Elemente
entwickeln sich zu unterschiedlichen Zeiten. Beim Menschen ist das Erkennen des eigenen
Spiegelbilds nur ein Vorläufer der sich fortlaufend entwickelnden Fähigkeit zur Selbsterkenntnis
und Selbsteinschätzung.
Dass Menschenaffen sich im Spiegel erkennen können, heißt nicht, dass sie wie Menschen über
Selbsterkenntnis verfügen. Über die Phase, die Kinder in ihrem zweiten Lebensjahr erreichen,
kommen sie nie hinaus.
Wie Kinder sprechen und denken lernen
Es spricht jedoch nichts dafür, dass Menschenaffen absichtsvoll handeln können. Wären sie dazu
in der Lage, müssten sie schneller und vielseitiger lernen. Wie gering die Ansätze von so etwas
wie Verständnis und Intelligenz bei Menschenaffen sind (so es sie überhaupt gibt), wird deutlich,
wenn man vergleicht, wie sich das Denken bei Kindern entwickelt.
Die Verbindung von Sprechen und Denken führt das Kind auf ein neues Niveau und macht es erst
wirklich menschlich. Mittels der Sprache gelingt es den Kindern, ihr Verhalten zunehmend zu
steuern.
Wygotski wies darauf hin, dass kleine Kinder häufig vor sich hin reden, wenn sie bestimmte
Aufgaben bewältigen. Dieses "egozentrische Sprechen" verschwindet nicht, es wandelt sich allmählich
zu innerem Sprechen dem Denken.
Menschenaffen erreichen diese Entwicklungsstufe nicht einmal in Ansätzen.
Menschenfeindlichkeit
Vor etwa sechs Millionen Jahren trennten sich die Entwicklungslinien von Menschenaffen und
Menschen. Die Menschenaffen haben sich seitdem in ihrem Verhalten und ihrer Lebensweise kaum
verändert.
Die Menschenaffen haben in sechs Millionen Jahren möglicherweise 39 nur lokal zu beobachtende
Verhaltensmuster entwickelt, die Werkzeuggebrauch und Kommunikation betreffen. Ihre Lebensart
hat sich dadurch nicht gewandelt.
Die Behauptung, Menschenaffen seien uns sehr ähnlich, ist grotesk.
Hinter der Aufwertung der Tiere, die sich heute großer Popularität erfreut, verbirgt sich die
Abwertung menschlicher Fähigkeiten.
Den Unterschied zwischen den Fähigkeiten von Menschen und Tieren brachte Karl Marx deutlich
auf den Punkt: "Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene
beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein
den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem
Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus,
das bei Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war."
Wenn wir menschliche Eigenschaften auf Tiere projizieren, sind wir bestenfalls faul und
sentimental. Durch diese Projektion begreifen wir weder Tiere noch unsere Einzigartigkeit als
Menschen. Es liegt eine bittere Ironie darin, dass wir trotz unserer Fähigkeit, uns selbst und
unsere Ursprünge zu erforschen und zu begreifen, immer mehr dazu neigen, eben diese Sonderstellung
zu verneinen.
Quelle: http://www.novo-magazin.de/72/novo7212.htm