Therapeutenhass

Hi Katarina,

Ich hasse das, was der Therapeutenberuf symbolisiert. Ich hasse diese ganzen unausgesprochenen Grundannahmen, die einer Therapie zugrunde liegen, so wie Vitriol das beschrieben hat. Ich hasse es, mich jemandem "auszuliefern", der genauso besserwisserisch ist wie ich. Ich halte mich nämlich mindestens für ebenso klug wie so ein Psychotherapeut und von dem soll ich mir etwas sagen lassen? Wahrscheinlich würde ich die Therapie gleich an mich reißen und den Therapeuten fragen, ob ihm eigentlich klar ist, was ich ihm spiegele? Du siehst, ich bin ein harter Brocken.

Wollte dazu nur noch ergänzen, dass mir dieses Gefühl gut bekannt ist und ich Dich da gut verstehen kann.

Ich würde das Problem folgendermaßen beschreiben: Sobald man selbst in den gängigen psychologischen Theorien einigermaßen bewandert, dazu nicht auf den Kopf gefallen ist und zudem die Wirkungsweise des Therapie-Settings als solchem aus einer Meta-Perspektive durchschaut hat, flößt einem der Gedanke an eine Psychotherapie schon deswegen kein Vertrauen mehr ein, weil man durchschaut, dass eben alle diese Gedanken nach dem Motto: "Da ist einer, der mir helfen kann, weil er von der Sache, die mich bedrückt, viel versteht" letztlich eine Illusion sind.

Die Inszenierung, dass da jemand ist, der mir aufgrund seines in einem "wissenschaftlichen Studium" gewonnenen Fachwissens in der Kompetenz zur Lösung meiner Probleme überlegen ist, bricht in sich zusammen. Es ist wie ein Zauberer, dessen Tricks man durchschaut hat.

Was bleibt übrig? Dass die meisten Psychotherapien, wenn man sie genauer analysieren würde, sich wahrscheinlich als ein dumpfes Gemisch aus Beistand, "Jemand-zum-Zuhören", Projektion irgendwelcher Helfer-Fantasien, angereichert mir den in unserer Kultur gängigen vulgärpsychologischen Deutungen von Freud bis Hellinger erweisen würden. Letzteres mag vor allem denjenigen Patienten Impulse geben, die in diesen Themenfeldern noch nicht so belesen sind ("Was, die Beziehung zu meinen Eltern könnte an meinen Beziehungsproblemen schuld sein?").

Wenn man zu diesem "nicht belesenen Typus" des Patienten aber nicht dazugehört, fällt dieser "Knalleffekt" einer Therapie auch weg. Der im Kern wertvolle Bestandteil einer Psychotherapie ist dann im Grunde nur noch die emotionale Beziehung zwischen Klient und Therapeut. Ist die gut, kann sich eine Therapie als durchaus stützend erweisen.

Zudem können natürlich Anregungen des Psychotherapeuten, mit privaten Problemen in einer bestimmten Weise umzugehen, durchaus inspirierend wirken. Allerdings muss das Therapie-Setting so sein, dass ich solche Ratschläge auch annehmen kann. Wenn ich nun mal ein Typ bin, der es auf den Tod nicht ausstehen kann, wenn sich mir jemand aufgrund seiner "wissenschaftlichen Ausbildung" als Psychologe überlegen fühlt, nützen mir die besten Ratschläge nichts. Ich werde immer einen inneren Widerstand dagegen entwickeln.

Der Punkt ist: In den wenigsten Therapien kann genau diese Basis offengelegt werden, weil die meisten Psychologen eben selbst in dem gefangen sind, was ich oben Therapie-Setting nannte. Eben auch das Selbstwertgefühl des Therapeuten hängt in vielen Fällen an der durch dieses Setting vermittelten "überlegenen Position". Nur eine kleine souveräne Minderheit würde es wohl zulassen, sich offen in die Rolle zu begeben, dass der Patient einfach "jemand zum schwätzen" braucht, zumal auch von weiten Teilen der Psychologie (aber nicht von allen!) gelehrt wird, dass das Entstehen einer rein emotionalen Beziehung zum Klienten gefährlich ist und der Kontrolle bedarf.

Zudem: Bleibt die emotionale Beziehung zum Therapeuten, wenn man alles "wissenschaftliche" Brimborium wegstreicht, als der eigentliche Kern einer Psychotherapie übrig, so kann man eigentlich auch sagen: Dafür brauche ich keinen Psychotherapeuten! Emotionale Beziehungen kannst Du entstehen lassen mit jedem Menschen, der Dir auf dieser Welt begegnet, und Du wirst auch in jeder emotionalen Beziehung Erfahrungen machen, die Dich weiterbringen und Deine Persönlichkeit reifen lassen.

Das einzige "Plus", dass Dir ein Psychologe demgegenüber gibt, ist, dass er eben eine Figur ist, die sich in einem Szenarium bewegt, dass es einem bei entsprechender psychischer Konstitution besonders einfach macht, Helfer-Fantasien auf ihn zu projizieren. Dass Du eben dazu nicht mehr bereit bist, sondern lieber selbst die Verantwortung übernehmen möchtest, das scheint mir genau Dein Thema zu sein...

Herzlichen Gruß, Vitriol
 
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Hallo miteinander,

es gibt da etwas in meinem Leben, von dem ich den Eindruck habe, dass ich es alleine nicht auf die Reihe bekomme Es handelt sich um ein "Psychoproblem", welches sich körperlich noch nicht manifestiert hat. Ein anderer Mensch würde damit eventuell zu einem Therapeuten (Psychiater oder Psychologen) gehen. Ich nicht! Ich schaffe alles alleine. Ohnehin kann mir niemand helfen. Ich muss alles mit mir alleine klären. Ich hasse Ärzte und Therapeuten. Außerdem wohne ich in einer Stadt, in der man sich kennt und da ich als Nichttherapeutin mit einem Therapeuten verheiratet bin, würde sicherlich einiges durchsickern und das ist undenkbar. Von wegen Schweigepflicht. So und so weiter sind meine Glaubenssätze und die Umstände, die ich mir kreiert habe.
Aber was nun? Ich komme nicht weiter. Und mein Leidensdruck steigt. Hat jemand eine gute Idee, wie ich meinem inneren Widerstand, meiner verkopften Herangehensweise begegnen kann? Schwere Frage, ich weiß. Aber vielleicht liest das ja jemand, der eine Antwort hat, die meinen Widerstand nicht sofort wider aufflammen läßt.
Oder noch eine weitere Frage an die Therapeuten unter Euch: wie würdet Ihr mit einem Klienten umgehen, der zu Euch kommt und Euch zuerst einmal erzählt, dass er von Eurer Zunft rein gar nichts hält und sich auch keine Hilfe verspricht, dabei aber weiß und zum Ausdruck bringt, dass das "nur" sein "inneres Kind" ist, das so spricht?

Katarina :)
Na dann würde ich mein inneres Kind mit dem inneren Kind des Klienten sprechen lassen. Ist viel lustiger als jedes andere Gespräch, glaub mir das. Weisst Du was? Ich habe hier so eine Theke in der Küche mit einem Barhocker. Der ist sehr bequem. Wenn ich da so sitze und lese, dann sitze ich da drauf im Schneidersitz, das geht so gerade von der Sitzfläche her. Aber ansonsten nenne ich den Stuhl meinen Pipi-Langstumpf-Stuhl. Wenn ich da nämlich drauf sitze, dann kann ich langer Lulatsch wunderbar mit meinen Beinen baumeln. Und dann lass ich mir bunte Rote Schleifen wachsen und lange rote Zöpfe (hab ich mir bei der Medusa abgeguckt, dass das geht) und stell mit dann noch rotweisse lange Ringelsocken an meinen Füssen vor mit Zehen für jeden einzelnen Zeh, weisst Du wie ich das meine? So lustige Strümpfe. Naja und dann wibbel ich so vor mich hin wie in Kind, im Ernst, und singe innerlich oft "drei mal drei macht vier, widdewiddewitt...". Ganz egal wer da ist und egal worüber ich mich ach so wichtig unterhalte. Weil mir sone Unterhaltung immer noch die meisten Böcke macht, gell...:weihna1 Und die Inhalte sind weitaus richtiger und wichtiger als das Erwachsenen-Gesülze. Nur Mut, Katarina, Du bist in Ordnung so wie Du bist! Schizophren sind unsere Lebensumstände, oft inclusive unserer häuslichen "Rollen". Sprich mal mit Deinem Mann darüber, bei mir hilft das auch. Wenn man seine "Rolle" bespricht, wandelt sie sich und alles andere um einen herum wandelt sich mit. Wenn Du deinen Mann liebst, hätte ich da gar keine Angst.

:liebe1:
 
Hi Vitriol,

es wird Dich nicht überraschen, dass ich auch mit Deinem letzten Beitrag wieder 100% d`accord bin. Du sprichst fast wie mein - nicht existenter - Zwillingsbruder.
Allerdings ist es nicht so, dass ich die Dinge einfach so sehe wie Du und gelassen entscheiden kann, dass Therapie aus den genannten Gründen eben einfach nicht mein Weg ist. Vielmehr gibt es in mir eine Seite, in der der Hass glimmt und dieser Hass bezieht sich irgendwie ganz spezifisch auf die von Dir beschriebene Arzt/Klienten-Beziehung. Daneben sehe ich natürlich, dass ich nicht nur aus der Megasicht auf das Wesen von Therapie schaue und es durchschaue, sondern ich schaue -, wenn ich ganz ehrlich bin -, ja genauso "von oben herab" auf die Therapeutenzunft wie ich es bei ihnen kritisiere. Das ist - wie alles - eine reine Projektion. Würde ich mich mit dieser Zunft aussöhnen, wäre es eine Aussöhnung mit mir selber. Und wie kann man sich ohne denjenigen aussöhnen, mit dem man Krieg führt? Ich habe die Befürchtung, dass ich mich da um etwas herummogeln möchte, indem ich das Ganze einfach so abtue. Hinter meiner Ablehnung steckt ja Angst, das weiß ich wohl. Und ich weiß auch, dass Liebe und Hass eng beieinander liegen. Und vor allem weiß ich, dass mein ganzes Wissen mich nicht glücklich macht und mir auch nicht den ersehnten Frieden gibt.
Oft habe ich gedacht und denke noch, was ich bräuchte, wäre einfach ein wahrer Freund, (die von Dir angesprochene "emotionale Beziehung", die übrig bleibt). Aber ich bin durchaus nicht alleine und habe Menschen, die mir sehr zugetan sind. Das Problem ist nur, die spiegeln mich alle und aus diesem Spiegellabyrinth finde ich nicht mehr hinaus.

Katarina :)
 
Manchmal kann ein Unbekannter(te) mehr helfen als Freunde..eben aus genanntem Grund. Ein Therapeut/Sellsorger wird immer eine gewisse professionelle
Unverbindlichkeit und Distanz bewahren (zumindest die guten) . Gerade um das Persönliche und Nähe (Emotionen)rauszuhalten. Funktioniert nicht immer, aber dafür gibt es Supervisionen.
 
Katarina, hast Du eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, dass alle meine Informationen in meinem Bücherregal richtig sein könnten und dass der Mensch tatsächlich "heil" sein könnte? In diesem Falle wären Seelsorger die einzigen Heilenden, die notwendig wären in einer heilen Gesellschaft. In so einer Gesellschaft wäre man als Familie das höchste Gut, man wäre die in der Bibel beschriebene "Heilige Familie". Man würde im Paradies leben und die Spaltung in Mann und Frau (in Deinem persönlichen Falle Therapeut und Hilfe-Empfindende) würde wegfallen, weil man gemeinsam als Familie einen sogenannten Broterwerb hätte, den man gemeinsam ranschafft in einem gemeinsam verbrachten Leben. Und nicht in unsinniger, die Familie trennende Arbeistzeit um als Therapeut in einer Konsumgesellschaft Geld mit Kranken zu verdienen, die eine Heiltherapie konsumieren.

Ich stimme Dir bei allem zu, was Du erlebst, ich habe das exakt auch so erlebt. Ich war totkrank und habe immer gewusst: geh bloss nicht zum westlichen Arzt oder zu sonst jemandem, der mit Dagnosen um sich schmeisst. Dann kriegst Du nur noch mehr Diagnose-Worte in Dein Leben eingegeben und da findest Du nie mehr raus. Leider sind wir bei der Energieheilung auch noch nicht alle so weit wahrzunehmen, dass die Vorstellung von Gesundheit und Krankheit eine per WHO definiert Sache ist. Das ist doch auffallend, finde ich: es muss definiert werden, was gesund ist. Dabei fühle ich für mich innerlich ganz deutlich, dass ich nicht gesund und nicht krank bin, sondern dass ich heil bin und dass mir die Krankheiten nur auf- und angeschwatzt worden sind im Rahmen meiner Lebensgeschichte, zu der ja auch meine familiär bedingten Vorstellungen gehören, was krank ist und wie ich wohl ähnlich wie meine Verwandten sterben würde. All dies ist lediglich Inhalt meines Lebens und kann durch Verständnisprozesse vollkommen aus dem Geist, der Seele und dem Körper befreit werden. Wie es geht, steht in den Büchern. Es ergibt sich aber auch ein natürliches Wissen darüber, wenn man sich einfach sein lässt. Dann lösen sich alles Probleme, weil man sich öffnet und mit den entscheidenden Menschen zur richtigen Zeit das richtige Gespräch erlebt. Das ist wenigstens meine Erfahrung.

:liebe1:
 
Katarina, hast Du eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, dass alle meine Informationen in meinem Bücherregal richtig sein könnten und dass der Mensch tatsächlich "heil" sein könnte? In diesem Falle wären Seelsorger die einzigen Heilenden, die notwendig wären in einer heilen Gesellschaft. In so einer Gesellschaft wäre man als Familie das höchste Gut, man wäre die in der Bibel beschriebene "Heilige Familie". Man würde im Paradies leben und die Spaltung in Mann und Frau (in Deinem persönlichen Falle Therapeut und Hilfe-Empfindende) würde wegfallen, weil man gemeinsam als Familie einen sogenannten Broterwerb hätte, den man gemeinsam ranschafft in einem gemeinsam verbrachten Leben. Und nicht in unsinniger, die Familie trennende Arbeistzeit um als Therapeut in einer Konsumgesellschaft Geld mit Kranken zu verdienen, die eine Heiltherapie konsumieren.

Wie schön du das schreibst. Und, ja, ich habe darüber nachgedacht und ja, ich weiß, dass der Mensch und auch ich im Grunde seines Herzens heil ist und immer war. Der Punkt ist aber: ich weiß es nur, fühlen kann ich es dagegen nur partiell und selten.

Ich stimme Dir bei allem zu, was Du erlebst, ich habe das exakt auch so erlebt. Ich war totkrank und habe immer gewusst: geh bloss nicht zum westlichen Arzt oder zu sonst jemandem, der mit Dagnosen um sich schmeisst. Dann kriegst Du nur noch mehr Diagnose-Worte in Dein Leben eingegeben und da findest Du nie mehr raus. Leider sind wir bei der Energieheilung auch noch nicht alle so weit wahrzunehmen, dass die Vorstellung von Gesundheit und Krankheit eine per WHO definiert Sache ist. Das ist doch auffallend, finde ich: es muss definiert werden, was gesund ist. Dabei fühle ich für mich innerlich ganz deutlich, dass ich nicht gesund und nicht krank bin, sondern dass ich heil bin und dass mir die Krankheiten nur auf- und angeschwatzt worden sind im Rahmen meiner Lebensgeschichte, zu der ja auch meine familiär bedingten Vorstellungen gehören, was krank ist und wie ich wohl ähnlich wie meine Verwandten sterben würde. All dies ist lediglich Inhalt meines Lebens und kann durch Verständnisprozesse vollkommen aus dem Geist, der Seele und dem Körper befreit werden. Wie es geht, steht in den Büchern. Es ergibt sich aber auch ein natürliches Wissen darüber, wenn man sich einfach sein lässt. Dann lösen sich alles Probleme, weil man sich öffnet und mit den entscheidenden Menschen zur richtigen Zeit das richtige Gespräch erlebt. Das ist wenigstens meine Erfahrung.

Ja, wenn man sich einfach sein läßt. Hast du zufällig eine Gebrauchsanweisung wie man sich einfach sein läßt? Es scheint die einfachste Sache der Welt zu sein und dennoch tun wir uns so unendlich schwer damit.
Auch ich sehe es so, dass wir alle krank und gesund gleichzeitig und ebenso gleichzeitig nicht krank und nicht gesund sind. Es ist eine Frage des Focus. Dennoch erlebe ich mich in meinem freien Energiefluß blockiert, - auch wenn das nur das Ergebnis meiner Focusausrichtung ist und da grübel ich nun drüber nach wie ich , so wie ich eben gestrickt bin, die Energie wieder zum Fließen bringe, ohne dass dies Ausdruck meines Veränderungswunsches und damit Nichtannahme meiner Person ist.

Katarina :)
 
Hi Katarina,

Und ich weiß auch, dass Liebe und Hass eng beieinander liegen. Und vor allem weiß ich, dass mein ganzes Wissen mich nicht glücklich macht und mir auch nicht den ersehnten Frieden gibt.

Diesen Gedanken von Dir finde ich sehr interessant. Wenn man mal tatsächlich für einen Moment annimmt, dass es sich bei allem, was Du als "Hass" auf Psychotherapie und die Therapeutenzunft bezeichnest, im Grunde genommen um enttäuschte Liebe handelt, worin genau bestünde dann diese Enttäuschung? Also, wenn ich mal von mir ausgehe (vielleicht trifft es ja auch bei Dir als meiner Zwillingsschwester zu :) ), könnte ich mir da zwei Aspekte denken, nämlich zum einen einen personalen und zum anderen einen bezogen auf das Fach als solches.

Zunächst in persönlicher Hinsicht: Wenn man die Figur des Psychotherapeuten mal ein wenig abstrahiert, handelt es sich dabei ja um einen Menschen, der mir helfen soll. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn man jetzt an der Stelle mit eben genau dem Instrumentarium der Psychoanalyse fragt: Gibt es da irgendwo sonst in der eigenen Lebensgeschichte eine Figur, wo einem genau das passiert ist - jemanden, von dem man sich Hilfe erwartet hat, und von dem man dann zutiefst enttäuscht worden ist.

Vielleicht auch: Jemanden, der sich unter dem Deckmantel, mir doch nur helfen zu wollen, mir gegenüber grenzüberschreitend verhalten hat? Es kann Sinn machen, hier nochmal das eigene familiäre Szenario zu begucken, muss aber nicht.

Gerade das zweite Szenario (Verletzung meiner Autonomie unter dem Deckmantel der "Hilfeleistung") scheint mir hier einen besonderen Blick wert. Es ist perfide, weil besonders verdeckt. Aber leider Gottes meiner Vermutung nach das Grundmuster vieler draußen im Lande ablaufenden Psychotherapien. Wenn Du mich fragst, was einen guten Psychotherapeuten ausmacht, so würde ich Dir antworten: Nicht irgendeine besonders genaue Kenntnis psychologischer Theorien oder so etwas. Sondern vor allem Selbstbescheidung. Ein guter Psychotherapeut (Beichtvater, Schamane etc.) sollte erkennen, dass er in erster Linie Projektionsfigur für die helfenden Elemente ist, die im "Patienten" selbst bereits vorhanden sind. Dass es seine Aufgabe ist, ein möglichst von störenden Dissonanzen freies Kraftfeld für eben diese Projektion herzustellen. Dies schließt ein, zu akzeptieren, dass der "Patient" in seiner eigenen Welt lebt und Glaubenssätze nur dort aufgelöst werden können, wo man sie zunächst einmal akzeptiert und respektiert. Ich glaube, dass es viele gute Psychotherapeuten gibt, die genau das intuitiv erfassen. Leider wird es in den meisten Psychotherapien anders laufen, nämlich dass der Patient vom Psychologen ersteinmal eine Deutung "übergestülpt" bekommt. Glaubenssätze des Patienten werden nicht akzeptiert, sondern niedergeknüppelt, nach dem Motto: "Ihre Weltsicht ist nicht richtig, sondern XY". Eine solche Grenzüberschreitung kann unter Umständen unerkannt traumatische Erfahrungen berühren, die auch wilden Hass erklärbar machen würde.

Und damit sind wir schon beim zweiten Punkt, nämlich der Enttäuschung über das Fach Psychologie als solches. Die moderne Psychologie ist letztlich ein Glaubenssystem, und ist als solches nicht höher zu bewerten als etwa der christliche Glaube oder esoterische Weltdeutungssysteme. Die Psychologie verkauft sich jedoch als Wissenschaft, geht aber, wenn man genau hinschaut, letztlich von einem unhinterfragten Axiom aus, das seinerseits ein Glaubensprodukt darstellt. Man könnte es etwa so beschreiben: "Indem ich meine eigene psychische Struktur mit dem Verstand analysiere und daraus abgeleitet Verhaltensänderungen in meinem Leben vornehme, kann ich dafür sorgen, dass es mir besser geht." Das entscheidende Wort in diesem Axiom ist "Verstand". Wenn man es nochmal verkürzt, könnte man schreiben: "Ich kann mir mit meinem Verstand helfen, dass es mir besser geht." Den Satz kann man ja so auch noch unterschreiben. Das Problem ist nun aber, dass die moderne Psychologie aufgrund ihrer "wissenschaftlichen" Struktur unter einer grotesken Überbewertung des Verstandes leidet. Was immer man sonst für Methoden einsetzt (z. B. positives Denken), Ausgangspunkt ist immer der Verstand als zentral lenkende Instanz (z. B. die verstandesmäßige Entscheidung, ab jetzt nur noch positiv zu denken, weil dann geht es mir ja gut).

Und eben das macht das Axiom falsch! Verstand hilft schon. ABER: Ich kann noch so viel Verstand haben, gegen die schlechte Stimmung an einem verregneten Sonntag-Nachmittag werde ich damit nichts ausrichten. Letztlich ist es mit der Psychologie genau so wie mit allen esoterischen Systemen: Sie bieten nur eine Form, mit der wir uns unserer persönlichen Realität annähern, sind aber nicht diese persönliche Realität selbst. Die Psychologie vergisst allzuhäufig diesen "Form-Charakter" und hält das, was sie an Erkenntnissen produziert, für die Realität ihrer Klienten. Das macht sie bisweilen so unsympathisch. Und ich könnte mir vorstellen, dass genau da die enttäuschte Liebe liegt. Dass da mal ein Moment war, wo man großes Vertrauen in die Psychologie gesetzt hat, als ein System, dass einem suggeriert hat: Du kannst Dich mit dem Verstand aus Deinem Sumpf ziehen. Irgendwann stellt man dann fest, dass die Psychologie zwar einige wichtige Anregungen beizutragen hat, dass das aber im ganzen so nicht stimmt. Die Enttäuschung über die Psychologie wäre dann zugleich eine Art Enttäuschung über den eigenen Verstand, den man für mächtiger gehalten hat. Gerade für Leute mit ausgeprägtem Verstand eine harte Nuss.

Und da komme ich nochmal auf den zweiten Satz aus dem zitierten Teil Deines Postings zurück ("Und vor allem weiß ich, dass mein ganzes Wissen mich nicht glücklich macht und mir auch nicht den ersehnten Frieden gibt.") Ich könnte mir vorstellen, dass Du genau das gerade erkennst. Dass eben nicht nur die Psychologie (sei es ein konkreter Therapeut oder das Fach als Ganzes) Dir nur begrenzt dabei helfen kann, Deinen "ersehnten Frieden" zu finden, sondern auch Dein Verstand. Da Du auf esoterischem Feld ja in gewisser Weise im Moment dieselbe Erfahrung machst ("Ich hirne drüber rum, wie ich meinen Energiefluss wieder in Gang bringe, aber es klappt nicht"), könnte es vielleicht sein, dass genau das die Botschaft ist? Geht es letztlich um die Frage: Welche Rolle spielt mein Verstand in meinem Leben? Die Enttäuschung über ein Verstandesprodukt wie die Psychologie könnte dann stellvertretend stehen für eine Enttäuschung über den eigenen Verstand selbst, der sich als planvoll lenkende Zentralinstanz nicht für tauglich erwiesen hat, allein mein Lebensglück herzustellen.

Herzlichen Gruß,

Vitriol
 
Hi Vitriol,

ja, Du bist ein scharfer Denker, und - das nur am Rande - Du formulierst nicht nur meine Gedanken, sondern auch exakt dieselben wie mein (Therapeuten-)Gatte. Da ist sie, die Macht des Verstandes, die mich auf der einen Seite fasziniert (Liebe) und auf der anderen Seite enttäuscht. Mit meinem Verstand habe ich mir all`das was Du beschreibst auch in Bezug auf mich und meine Geschichte schon analysiert. Meine Kindheit ist durchzogen von merkwürdigen Geschichten, in denen ich alleine den Ärzten ausgeliefert war und sicher Dinge erlebt habe, die ich überhaupt nicht einordnen konnte. Mein Hass (oder sollte ich besser sagen: Hassliebe?) auf Ärzte wurde mir aber erst vor einigen Jahren bewußt. Früher bin ich noch brav zum Haus- und Frauenarzt getrabt und habe selbstverständlich auch meine Kinder zu den obligatorischen U`s gebracht. Heute meide ich die Ärzte wie der Teufel das Weihwasser.

Aber weißt Du, all`diese Gedanken, die du hast und die ich teile, die bringen mich letztlich nicht weiter. Ich bin in der Tat von meinem - ebenfalls recht scharfen - Verstand enttäuscht. Er steht für das männliche Prinzip und sicher gibt es da große Enttäuschungen in meinem Leben. Nur, das zu wissen löst überhaupt nichts . Mein Verstand sieht meinen Gefühlen zu, nutzt sie für die Analyse, aber das bringt keine Erleichterung. Es bleibt alles beim Alten.
Was ich möchte, ist Erlösung aus meinen komischen Rollenspielen, aber ich bleibe gefangen. Ja, ich weiß, so funktionieren wir alle und der Schlüssel läge in der Annahme, aber ich kann/will nicht annehmen was ist, weil ich es zum Kotzen finde.

Katarina :)
 
Wie schön du das schreibst. Und, ja, ich habe darüber nachgedacht und ja, ich weiß, dass der Mensch und auch ich im Grunde seines Herzens heil ist und immer war. Der Punkt ist aber: ich weiß es nur, fühlen kann ich es dagegen nur partiell und selten.



Ja, wenn man sich einfach sein läßt. Hast du zufällig eine Gebrauchsanweisung wie man sich einfach sein läßt? Es scheint die einfachste Sache der Welt zu sein und dennoch tun wir uns so unendlich schwer damit.
Auch ich sehe es so, dass wir alle krank und gesund gleichzeitig und ebenso gleichzeitig nicht krank und nicht gesund sind. Es ist eine Frage des Focus. Dennoch erlebe ich mich in meinem freien Energiefluß blockiert, - auch wenn das nur das Ergebnis meiner Focusausrichtung ist und da grübel ich nun drüber nach wie ich , so wie ich eben gestrickt bin, die Energie wieder zum Fließen bringe, ohne dass dies Ausdruck meines Veränderungswunsches und damit Nichtannahme meiner Person ist.

Katarina :)
Ich hab ein Buch geschrieben, ich schicke es Dir gerne, wenn Du mir Deine E-Mail per PN schickst. Es beschäftigt sich exakt mir dieser Sache und beschäftigt sich mit der Schöpfungsebene, mit dem Wort also. Es ist nicht lang und bis auf die ersten 2 Kapitel ist es leicht konsumierbar. Von 10 Menschen finden 9 danach irgendeine Veränderung im Leben, eine von 10 schreit immer und wird hysterisch :) Aber das wärest nicht Du, nehme ich mal an :) Hier im Forum haben es schon viele gelesen, wir schreibtingeln uns seitdem mit einer grösseren Gruppe aus etwas anderen, "wahreren" Quellen und in dem Buch steht, wie es geht. Wir haben mehrere Quellen für Worte in unserem Geist, die wir denken und auch schreiben können. Wenn man das durch eine Anleitung in sich herausfindet, dann ist das vielleicht die Lösung für Deine "innere Hinderung", die Du empfindest.

:liebe1:
 
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Hi Katarina,

ersteinmal vielen Dank für Dein Lob für meine Postings! Sowas geht runter wie Öl... :)

Aber weißt Du, all`diese Gedanken, die du hast und die ich teile, die bringen mich letztlich nicht weiter. Ich bin in der Tat von meinem - ebenfalls recht scharfen - Verstand enttäuscht. (...) Nur, das zu wissen löst überhaupt nichts . (...) Ja, ich weiß, so funktionieren wir alle und der Schlüssel läge in der Annahme, aber ich kann/will nicht annehmen was ist, weil ich es zum Kotzen finde.

Das tut mir natürlich leid, dass Dich das alles nicht weiter bringt. Aber irgendwie meine ich, Dich da auch verstehen zu können. Einen wirklichen Ratschlag kann man da auch tatsächlich nicht geben, sonst würd ich ja selbst hier den "Psychotherapeuten" geben (d. h. den, der alles besser weiß)...

Nur eins noch: Du schreibst, der "Schlüssel läge in der Annahme". Wo nimmst Du das her?

Ich frage das deswegen, weil ich den Eindruck habe, dass Dich dieser eigentlich schöne esoterische Gedanke in gewisser Weise unter Druck setzt. Damit wärst Du hier wahrscheinlich kein Einzelfall. Es ist eigenartig: Man trifft in diesem Forum auf viele Menschen, die hinter irgendeinem esoterischen Ziel herjagen (Erleuchtung, Freiwerden vom Ego, kosmische Energie zum Fließen zu bringen), und meinen, es sei der richtige Weg, sich dafür anzustrengen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass genau da ein ziemlich zentraler Irrtum vorliegt. Denn: Auch der Satz "Ich muss etwas dafür tun, um XY (beliebiges esoterisches Ziel) zu erreichen", ist nichts anderes, als ein durch nichts bewiesener Glaubenssatz. Auf Deine Art nimmst Du jetzt schon alles an, es gibt nix, was da noch zu tun wäre! Und Du bringst auch Deine Energie - um nochmal auf Dein obiges Posting zurückzukommen, wahrscheinlich viel eher zum fließen, wenn Du einfach sagst: "Sch... auf den Energiefluss, ich geh jetzt erstmal mit meiner besten Freundin einen Wein trinken!" Zumindest es mal Auszuprobieren, dass wäre es wert, oder... ? :)

Eine tiefere Wahrheit scheint mir in dem folgenden Satz zu liegen: "Wahre Heilung besteht in dem Erkennen, dass man bereits heil ist". Paradox, aber das sind nun mal alle Sätze, die ein wirklich zutreffendes Bild unserer Realität beschreiben. Die Wurzeln dieses "Heil-Seins" bzw. "Gewollt-Seins" liegen in der Tat jenseits des Verstandes und bleiben ihm unzugänglich. Und auch genau dieses Unverständnis ist gewollt!

Dir alles Gute und einen herzlichen Gruß,

Vitriol
 
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