JimmyVoice
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Dürfte sicherlich für euch interessant sein, dieses Interview:
Karl Max Einhäupl, Neurologe an der Charité, über die ärztlichen Möglicheiten bei Wachkoma-Patienten
Herr Professor Einhäupl, der Fall der US-amerikanischen Wachkoma-Patientin Terri Schiavo ist kompliziert: Ihre Eltern und Geschwister wollen sie am Leben erhalten, der Ehemann will sie durch Absetzen der künstlichen Ernährung sterben lassen. Wie würden Sie sich als zuständiger Arzt in diesem Konflikt verhalten?
Wenn die Fronten derart verhärtet sind, ist es schwer, eine Lösung zu finden. Aber die Auseinandersetzung, die wir zurzeit in den USA beobachten, hat sich viele Jahre lang entwickelt. Jetzt hängt das weitere Vorgehen nicht mehr allein von den Angehörigen und den Ärzten ab, sondern ist Sache der Gerichte. Am Anfang wäre es vielleicht noch möglich gewesen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Wenn die Angehörigen sich einig sind und keine eindeutige Verfügung des Patienten vorliegt, richten wir uns in jedem Fall nach dem Willen der Familie.
Und wenn die Angehörigen sich nicht sicher sind, wie sie entscheiden sollen?
Dann sprechen wir mit ihnen ausführlich über die Krankheit und ihre Folgen, damit die Familie gut informiert ist.
Was sagen Sie zum Beispiel, wenn Sie gefragt werden, ob der Patient vielleicht doch noch einmal aus dem Koma erwacht?
Ich berichte von Untersuchungen, denen zufolge bislang kein einziger Patient mit einem länger bestehenden apallischen Syndrom in ein normales, kommunikatives Leben zurückgekehrt ist. Sicher, man liest und hört immer wieder tolle Geschichten: Da sollen Apalliker nach fünf Jahren erwacht und wie zuvor gewesen sein. Wunderheilungen gibt es aber nicht. Wenn man solche Fälle genau untersucht, stellt man fest, dass es sich gar nicht um Apalliker handelt, sondern um Patienten mit ähnlichen Symptomen, aber einer ganz andersartigen Erkrankung. Überschneidungen gibt es etwa mit dem Locked-in-Syndrom, bei dem die geistigen Fähigkeiten voll erhalten sind, wenngleich das nur schwer erkennbar ist.
Wann befindet sich ein Patient denn unzweifelhaft im Wachkoma?
Das lässt sich nur mit einem ganzen Bündel von Einzelsymptomen beschreiben. Typisch für das Wachkoma ist, dass es Schlaf- und Wachphasen gibt und dass die Augen in den Wachphasen geöffnet sind. Die Ursache für das apallische Syndrom ist meist eine zeitweilige Sauerstoffunterversorgung des Gehirns oder ein Durchblutungsausfall des Gehirns, ausgelöst zum Beispiel durch einen Herzinfarkt oder durch Ertrinken. Oft genügen zwanzig Minuten ohne Sauerstoff, um die Nervenzellen in der besonders empfindlichen Hirnrinde absterben zu lassen. Die Hirnrinde aber ist für die bewusste Wahrnehmung, für das Denken und Fühlen zuständig. Wenn die dort angesiedelten Nervenzellen zugrunde gehen, funktioniert nur noch der Hirnstamm, der die vegetativen Grundfunktionen des Körpers wie Atmung und Herzschlag regelt.
Gibt es zu Beginn der Krankheit noch ein Zurück?
Das hängt davon ab, wie viele Nervenzellen in der Hirnrinde beschädigt wurden. In der Anfangsphase lassen wir nichts unversucht, um den Schaden durch Medikamente und Therapien zu minimieren. In etlichen Fällen kommen die Patienten wieder zu Bewusstsein. Wenn die Symptome aber länger als drei Monate andauern, müssen wir von einem unheilbaren Hirnschaden ausgehen. Dann wird der Patient in der Regel in ein Pflegeheim überwiesen.
Und dort hält man die Kranken dann am Leben - so wie Terri Schiavo, die seit langem künstlich ernährt wird. Was bekommen Apalliker von ihrer Situation mit?
Nach allem, was wir wissen, haben sie keine Wahrnehmung mehr. Sie reagieren auch nicht auf ihre Umwelt, selbst wenn das manchmal so erscheinen mag. Auf den Fotos wirkt es zum Beispiel so, als würde Terri Schiavo ihre Mutter anlächeln. Dabei handelt es sich aber aller Wahrscheinlichkeit nicht um einen willentlichen Zuneigungsbeweis, sondern um einen Reflex. Apalliker verfügen über eine Reihe solcher Verhaltensweisen: Sie können saugen, kauen, schmatzen, greifen - und lächeln. Mit Bewusstsein hat das nach dem Stand der Erkenntnisse aber nichts zu tun.
Wie weit ist die Wachkoma-Forschung?
Es gibt nicht allzu viele Studien in diesem Bereich. Ein Grund dafür ist: Als Wissenschaftler kann man sich an diesem heiklen Thema schnell die Finger verbrennen. An unserer Klinik wollte ich zum Beispiel mit meinem Team vor zehn Jahren herausfinden, ob es bestimmte Verhaltensweisen bei Apallikern gibt, die eine Prognose des Krankheitsverlaufs erlauben. Wir haben dazu die Reaktionen von Patienten auf Video festgehalten. Die Studie war von den Angehörigen und der Charité-Ethikkommission genehmigt worden. In der Öffentlichkeit wurde sie dann aber als unzulässiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Patienten kritisiert - und zwar derart massiv, dass wir die Untersuchung abgebrochen haben.
Ein US-Kongressabgeordneter sagt jetzt, dass man Terri Schiavo so lange am Leben halten solle, bis die Forschung neue Therapien finde. Was halten Sie davon?
Da wird man sehr lange warten müssen. Wir sind weit entfernt von der Möglichkeit, kaputte Nervenzellen durch gesunde zu ersetzen.
Aber solange noch ein Fünkchen Hoffnung besteht: Ist es da nicht grausam, die Magensonde herauszuziehen und die Patientin verhungern zu lassen?
Nein, das muss nicht grausam sein. Ebenso wie andere sterbende Menschen kann der Apalliker dabei Morphium erhalten. Die Entscheidung für oder gegen eine Lebensverlängerung muss übrigens immer wieder im Verlauf der Krankheit gefällt werden. Dabei gibt es unterschiedliche Eskalationsstufen. Es kann etwa zu einer Infektion oder zu einer Lungenentzündung kommen. Soll man da die modernsten Antibiotika zur Lebensverlängerung geben? Und wie ist es bei einem Herzstillstand? Soll der Apalliker unter Einsatz aller technischen Mitteln reanimiert werden? Was ist, wenn seine Leber oder das Herz versagt? Soll er dann ein Spenderorgan erhalten? Mit solchen Fragen müssen die Angehörigen sich immer wieder auseinandersetzen. Es geht dabei stets um die Frage: Wo setzen wir die Grenze? Das sind sehr schwere Entscheidungen.
Inwiefern können Gesetze da helfen?
Mit Paragraphen lässt sich nur ein grober Rahmen abstecken. Lösen können wir das Problem aber nicht rechtlich, sondern nur im individuellen Fall nach bestem Wissen und Gewissen. Wir als Ärzte müssen dabei immer das Recht auf Leben beachten. Aber wir haben andererseits nicht das Recht, ein Leben unter allen Umständen künstlich zu verlängern.
Das Gespräch führte Lilo Berg.
Karl Max Einhäupl, Neurologe an der Charité, über die ärztlichen Möglicheiten bei Wachkoma-Patienten
Herr Professor Einhäupl, der Fall der US-amerikanischen Wachkoma-Patientin Terri Schiavo ist kompliziert: Ihre Eltern und Geschwister wollen sie am Leben erhalten, der Ehemann will sie durch Absetzen der künstlichen Ernährung sterben lassen. Wie würden Sie sich als zuständiger Arzt in diesem Konflikt verhalten?
Wenn die Fronten derart verhärtet sind, ist es schwer, eine Lösung zu finden. Aber die Auseinandersetzung, die wir zurzeit in den USA beobachten, hat sich viele Jahre lang entwickelt. Jetzt hängt das weitere Vorgehen nicht mehr allein von den Angehörigen und den Ärzten ab, sondern ist Sache der Gerichte. Am Anfang wäre es vielleicht noch möglich gewesen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Wenn die Angehörigen sich einig sind und keine eindeutige Verfügung des Patienten vorliegt, richten wir uns in jedem Fall nach dem Willen der Familie.
Und wenn die Angehörigen sich nicht sicher sind, wie sie entscheiden sollen?
Dann sprechen wir mit ihnen ausführlich über die Krankheit und ihre Folgen, damit die Familie gut informiert ist.
Was sagen Sie zum Beispiel, wenn Sie gefragt werden, ob der Patient vielleicht doch noch einmal aus dem Koma erwacht?
Ich berichte von Untersuchungen, denen zufolge bislang kein einziger Patient mit einem länger bestehenden apallischen Syndrom in ein normales, kommunikatives Leben zurückgekehrt ist. Sicher, man liest und hört immer wieder tolle Geschichten: Da sollen Apalliker nach fünf Jahren erwacht und wie zuvor gewesen sein. Wunderheilungen gibt es aber nicht. Wenn man solche Fälle genau untersucht, stellt man fest, dass es sich gar nicht um Apalliker handelt, sondern um Patienten mit ähnlichen Symptomen, aber einer ganz andersartigen Erkrankung. Überschneidungen gibt es etwa mit dem Locked-in-Syndrom, bei dem die geistigen Fähigkeiten voll erhalten sind, wenngleich das nur schwer erkennbar ist.
Wann befindet sich ein Patient denn unzweifelhaft im Wachkoma?
Das lässt sich nur mit einem ganzen Bündel von Einzelsymptomen beschreiben. Typisch für das Wachkoma ist, dass es Schlaf- und Wachphasen gibt und dass die Augen in den Wachphasen geöffnet sind. Die Ursache für das apallische Syndrom ist meist eine zeitweilige Sauerstoffunterversorgung des Gehirns oder ein Durchblutungsausfall des Gehirns, ausgelöst zum Beispiel durch einen Herzinfarkt oder durch Ertrinken. Oft genügen zwanzig Minuten ohne Sauerstoff, um die Nervenzellen in der besonders empfindlichen Hirnrinde absterben zu lassen. Die Hirnrinde aber ist für die bewusste Wahrnehmung, für das Denken und Fühlen zuständig. Wenn die dort angesiedelten Nervenzellen zugrunde gehen, funktioniert nur noch der Hirnstamm, der die vegetativen Grundfunktionen des Körpers wie Atmung und Herzschlag regelt.
Gibt es zu Beginn der Krankheit noch ein Zurück?
Das hängt davon ab, wie viele Nervenzellen in der Hirnrinde beschädigt wurden. In der Anfangsphase lassen wir nichts unversucht, um den Schaden durch Medikamente und Therapien zu minimieren. In etlichen Fällen kommen die Patienten wieder zu Bewusstsein. Wenn die Symptome aber länger als drei Monate andauern, müssen wir von einem unheilbaren Hirnschaden ausgehen. Dann wird der Patient in der Regel in ein Pflegeheim überwiesen.
Und dort hält man die Kranken dann am Leben - so wie Terri Schiavo, die seit langem künstlich ernährt wird. Was bekommen Apalliker von ihrer Situation mit?
Nach allem, was wir wissen, haben sie keine Wahrnehmung mehr. Sie reagieren auch nicht auf ihre Umwelt, selbst wenn das manchmal so erscheinen mag. Auf den Fotos wirkt es zum Beispiel so, als würde Terri Schiavo ihre Mutter anlächeln. Dabei handelt es sich aber aller Wahrscheinlichkeit nicht um einen willentlichen Zuneigungsbeweis, sondern um einen Reflex. Apalliker verfügen über eine Reihe solcher Verhaltensweisen: Sie können saugen, kauen, schmatzen, greifen - und lächeln. Mit Bewusstsein hat das nach dem Stand der Erkenntnisse aber nichts zu tun.
Wie weit ist die Wachkoma-Forschung?
Es gibt nicht allzu viele Studien in diesem Bereich. Ein Grund dafür ist: Als Wissenschaftler kann man sich an diesem heiklen Thema schnell die Finger verbrennen. An unserer Klinik wollte ich zum Beispiel mit meinem Team vor zehn Jahren herausfinden, ob es bestimmte Verhaltensweisen bei Apallikern gibt, die eine Prognose des Krankheitsverlaufs erlauben. Wir haben dazu die Reaktionen von Patienten auf Video festgehalten. Die Studie war von den Angehörigen und der Charité-Ethikkommission genehmigt worden. In der Öffentlichkeit wurde sie dann aber als unzulässiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Patienten kritisiert - und zwar derart massiv, dass wir die Untersuchung abgebrochen haben.
Ein US-Kongressabgeordneter sagt jetzt, dass man Terri Schiavo so lange am Leben halten solle, bis die Forschung neue Therapien finde. Was halten Sie davon?
Da wird man sehr lange warten müssen. Wir sind weit entfernt von der Möglichkeit, kaputte Nervenzellen durch gesunde zu ersetzen.
Aber solange noch ein Fünkchen Hoffnung besteht: Ist es da nicht grausam, die Magensonde herauszuziehen und die Patientin verhungern zu lassen?
Nein, das muss nicht grausam sein. Ebenso wie andere sterbende Menschen kann der Apalliker dabei Morphium erhalten. Die Entscheidung für oder gegen eine Lebensverlängerung muss übrigens immer wieder im Verlauf der Krankheit gefällt werden. Dabei gibt es unterschiedliche Eskalationsstufen. Es kann etwa zu einer Infektion oder zu einer Lungenentzündung kommen. Soll man da die modernsten Antibiotika zur Lebensverlängerung geben? Und wie ist es bei einem Herzstillstand? Soll der Apalliker unter Einsatz aller technischen Mitteln reanimiert werden? Was ist, wenn seine Leber oder das Herz versagt? Soll er dann ein Spenderorgan erhalten? Mit solchen Fragen müssen die Angehörigen sich immer wieder auseinandersetzen. Es geht dabei stets um die Frage: Wo setzen wir die Grenze? Das sind sehr schwere Entscheidungen.
Inwiefern können Gesetze da helfen?
Mit Paragraphen lässt sich nur ein grober Rahmen abstecken. Lösen können wir das Problem aber nicht rechtlich, sondern nur im individuellen Fall nach bestem Wissen und Gewissen. Wir als Ärzte müssen dabei immer das Recht auf Leben beachten. Aber wir haben andererseits nicht das Recht, ein Leben unter allen Umständen künstlich zu verlängern.
Das Gespräch führte Lilo Berg.