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soluna

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« Fallende Kurse, griechische Wochen und dubiose Staatsanleihen Kleinigkeiten - nicht der Rede wert... »
aus aktuellem Anlass: Die amerikanische Blasenmaschine - Goldman Sachs
Permalink 16.04.10 23:04 , Kategorien: Kommentare

von Matt Taibbi (vom 8.August 2009 aus dem Blatt "Rolling Stone")
deutsche Übersetzung

Das allererste, was man über Goldman Sachs wissen muss, ist, dass sie überall sind. Die mächtigste Investment Bank der Welt ist eine große Vampir-Krake, die sich über das Antlitz der Menschheit gestülpt hat und ihren Saugmund unablässig überall dorthin steckt, wo es nach Geld riecht.

Follow up:

Tatsächlich liest sich die Geschichte der jüngsten Finanzkrise, die sich zu einer Geschichte des raschen Niedergangs eines plötzlich durch Betrug ruinierten amerikanischen Imperiums entwickelt hat, wie das Who is Who von Goldman Sachs-Absolventen.

Mittlerweile kennen die meisten von uns die Hauptakteure. Der frühere Aufsichtsratsvorsitzende von Goldman Sachs, Henry Paulson war der Architekt der Rettungsaktionen auf dem Finanzsektor, eines verdächtig nach Eigennutz aussehenden Plans, Billionen von Dollars aus Steuermitteln an eine Handvoll seiner alten Freunde von der Wallstreet auszuhändigen. Robert Rubin, der frühere Finanzminister unter Bill Clinton verbrachte 26 Jahre bei Goldman, bevor er Vorsitzender der Citigroup wurde – die bei dem Geldregen unter Paulson 300 Milliarden Dollar vom Steuerzahler finanzierte Rettungsgelder bekamen.

Da ist John Thain, der Chef von Merrill Lynch, der einen Teppich für 87.000 Dollar für sein Büro kaufte, während seine Firma den Bach runterging. Als früherer Goldman-Bankier konnte sich Thain über eine milliardenschweres Steuergeschenk von Paulson freuen, der vom Steuerzahler finanzierte Milliarden gab, um der Bank of Amerika zu helfen, Thains bemitleidenswerte Firma zu retten. Und Robert Steel, früherer Goldman-Mitarbeiter und Chef von Wachovia versorgte sich und seine Mit-Manager mit einem goldenen Fallschirm von 225 Millionen Dollar, während seine Bank sich selbst zerstörte. Dann ist da Joshua Bolten, Stabschef von George Bush während der Rettungsaktion, und Mark Patterson, der gegenwärtige Stabschef im Finanzministerium der noch vor einem Jahr als Lobbyist für Goldman Sachs tätig war, sowie Ed Liddy, der frühere Direktor von Goldman, den Paulson zum Verantwortlichen für den mit Subventionen geretteten Versicherungsgiganten AIG machte. 13 Milliarden Dollar landeten in den Kassen von Goldman Sachs, nachdem Liddy den Job übernommen hatte.

Die Chefs der kanadischen und italienischen Nationalbanken sind ehemalige Goldman-Sachs-Leute, ebenso der Chef der Börse in New York, die letzten beiden Chefs der Federal Reserve Bank von New York – die zufällig die Aufgabe hat, die Aufsicht über Goldman-Sachs zu führen, gar nicht zu reden von …

Aber jeder Versuch, ein Narrativ um all die früheren Goldman-Mitarbeiter in einflußreichen Positionen zu konstruieren, wird zu einer absurden und sinnlosen Übung, so wie der Versuch, eine Liste von allem zu machen. Es geht darum, das große Ganze zu begreifen: Wenn Amerika im Abfluß kreist, so kann man sagen, daß Goldman-Sachs es geschafft hat, dieser Abfluß zu sein – ein äußerst unseliges Schlupfloch im System des westlichen demokratischen Kapitalismus, der niemals vorhergesehen hatte, daß in einer Gesellschaft, die passiv von freien Märkten und freien Wahlen gelenkt wird, die organisierte Gier letztlich eine unorganisierte Demokratie besiegen und beseitigen wird.

Einfache Formel

Die nie dagewesene Reichweite von Einfluß und Macht dieser Bank haben sie dazu befähigt, ganz Amerika in einen gigantischen Sumpf von Betrug und Selbstbedienung zu verwandeln, ganze Bereiche der Wirtschaft über Jahre hinweg zu manipulieren und das Würfelspiel an neue Tische zu bringen, sobald der eine oder andere Markt zusammenbrach, und sich die ganze Zeit an den Kosten in nie dagewesener Höhe vollzufressen, unter denen Familien überall zusammenbrechen: hohe Benzinpreise, steigende Zinsen für Konsumenten-Kredite, geplünderte Pensionsfonds, künftige Steuern, um die Kosten für die gegenwärtigen Rettungsaktionen abzuzahlen.

All das Geld, daß Sie (die amerikanischen Leser des Artikels von Taibbi, aber auch die Anleger und Verbraucher in Ländern rings um den Globus, A.d.Ü.) verlieren, geht irgendwo hin, sowohl im Wort- wie auch im übertragenen Sinn: Es geht zu Goldman Sachs. Die Bank ist eine gewaltige, hochentwickelte Maschine, die den nützlichen und weit verteilten Reichtum der Gesellschaft in die am wenigsten nützliche, die am meisten vergeudete und unfruchtbarste Substanz auf Erden zu verwandeln – in reinen Profit für reiche Individuen.

Dies wird erreicht, indem dasselbe Drehbuch immer und immer wieder zum Einsatz kommt. Die Formel ist recht simpel: Goldman positioniert sich selbst in der Mitte einer Spekulations-Blase und verkauft Anlagen, von denen die Goldman-Banker wissen, daß sie letztlich nichts wert sind. Dann werden mit Hilfe eines unfähigen und korrupten Staates, der es zuläßt, daß die Regeln als Gegenleistung für das vergleichsweise kleine Geld, das die Bank für die Unterstützung durch die Politik zahlt, umgeschrieben werden, große Summen aus den mittleren und unteren Bereichen der Gesellschaft angesaugt. Wenn das Kartenhaus schließlich zusammenbricht und Millionen normaler Bürger pleite und ruiniert übrig bleiben, beginnen diese Leute den gesamte Prozeß von vorne, indem sie uns unser eigenes Geld erneut und gegen Zinsen leihen und sich selbst dabei als über Gier erhabene kluge Männer mit echtem Durchblick verkaufen, die einfach nur dafür sorgen, daß der Laden läuft. Diesen Trick haben sie seit den 1920er Jahren wieder und wieder abgezogen – und gegenwärtig sind sie dabei, es erneut zu tun, wobei sie möglicherweise die bisher größte und unverschämteste Blase kreieren.

Wenn Sie verstehen möchten, wie wir in die gegenwärtige Finanzkrise geraten sind, müssen Sie zuerst verstehen, wohin das ganze Geld gegangen ist – und um das zu verstehen, müssen Sie verstehen, womit Goldman Sachs bisher ungeschoren davongekommmen ist. Die Geschichte ist genau fünf Blasen lang – eingeschlossen der merkwürdige und anscheinend unerklärliche Höhenflug des Ölpreises im letzten Jahr. Bei jeder dieser Blasen und den darauf folgenden Rettungsaktionen gab es eine Menge Verlierer. Aber Goldman war keiner davon.

Wenn man sagt, daß sich Amerika gerade im Abfluß dreht, dann hat Goldman Sachs einen Weg gefunden, dieser Abfluß zu sein.
 
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