Sünde=Trennung? Von Gott?

Alexander schrieb:
@fckw. dies hier ist ein Forum, hier kann man nur Wissen und Erfahrungen teilen. In der realen Welt ist das was anderes, da kann man wirklich so wirken wie du es gesagt hast und es funktioniert auch. In einer Welt aus digitalen Buchstaben halte ich das für unmöglich.
Die Autorität derer, die die Bibel schrieben, wirkt auch nach hunderten von Jahren noch durch das geschriebene Wort bis heute weiter. Ich glaube, das ist auch in einem Forum möglich.
 
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silkestaron schrieb:
ja freilich, aber ich kenne keinen einzigen atheist der von anderen verlangt
nicht beweisbare behauptungen zu glauben und mit auschluss vom himmelreich
oder anderen schmankeln droht.
dieses phänomen ist kennzeichen gläubiger.

Ich kann Deine Weltsicht, soweit ich das hier lesen darf, nachvollziehen. Dennoch frage ich mich, warum Du vorrangig das scheinbar Trennende zwischen dem Theisten und den Atheisten so sehr zur undurchdringlichen Mauer aufbaust. Warum siehst Du nicht das Verbindende. Ich bin überzeugt, dass die Schlussfolgerung, die ich aus meinem Glauben an einen liebenden Gott ziehe, mit vielen Deiner Lebensattribute übereinstimmt. Ist es nicht ein Errungenschaft der Aufklärung gewesen, den einzelnen Menschen als einzigartig und bewahrenswert zu sehen, unabhängig seiner Herkunft, seiner Ansicht oder seiner Religion? Welcher Theist hat Dir oder Deinen Lieben so sehr wehgetan, dass Du jeden Gläubigen (zumindest aber auffallend Viele), noch bevor Du ihn erfahren hast, beschimpfst, seine Überzeugung in den Dreck ziehen willst. Was glaubst Du, was eine verständliche und menschliche Reaktion darauf sein könnte? Darüber hinaus traue ich Dir durchaus zu, zu erkennen, dass eine solche Polarisierung Reduzierung und Karikierung ganz und gar nicht objektiv ist; nicht einmal intersubjektiv. Einer der größten Fehler, die Vertreter von ideologischen oder Glaubensgemeinschaft machen können, und dies ja leider auch heute noch tun, ist Menschen tendenziell gleicher Ansicht oder Überzeugung in Gruppen zusammenzufassen und darüber den einzelnen Menschen als Individuum zu übersehen; Die Gefahr liegt darin, jeden Angehörigen dieser Gruppe nur als Prototyp zu sehen. Doch weder Du noch ich sind Prototypen irgendeiner Gruppe. Wir sind in erster Linie Menschen mit Hoffnungen, Wünschen und Sehnsüchten. Ich verstehe Dein Anliegen aber ich versteh diese Vehemenz und Verachtung des jeweils Anderen und seiner Überzeugung nicht. Dein Vokabular zeigt mir, dass Du dazu neigst, den Prototypen einer Gruppe und nicht den Menschen zu sehen.

Noch eins, keiner verlangt irgendetwas von Dir, Du musst nichts Glauben, was Du nicht zu glauben im Stande bist (Ich meine das nicht als Unvermögen, sondern ein als Überzeugung, die wider Deiner persönlichen Auffassung ist). Dass Du Dich dadurch bedroht fühlst, dass einer mit Höllenstrafe ankommt, sagt ehrlich gesagt genauso viel über Dich aus wie über den, der Dir vermeintlich droht. Dieses Phänomen ist kein typisch atheistisches sonder Dein ganz persönliches.

Didimus
 
Hallo Didismus

Ich kann Deine Weltsicht, soweit ich das hier lesen darf, nachvollziehen. Dennoch frage ich mich, warum Du vorrangig das scheinbar Trennende zwischen dem Theisten und den Atheisten so sehr zur undurchdringlichen Mauer aufbaust. Warum siehst Du nicht das Verbindende.

Darum! Fanatismus ist immer die Folge von Religionen.

Ist es nicht ein Errungenschaft der Aufklärung gewesen, den einzelnen Menschen als einzigartig und bewahrenswert zu sehen, unabhängig seiner Herkunft, seiner Ansicht oder seiner Religion?

Der grösste Geist der Aufklärung war doch wohl Imanuel Kant. Und was sagte er? Er sagte: "Jeder Versuch, die Existenz Gottes theoretisch zu begründen, wird als unmöglich widerlegt."

Religion ist in meinen Augen immer mit Fanatismus gleichzusetzen. Es ist nur die Frage, wie stark dieser Fanatismus ausgeprägt ist. Was aber z.B. der religiöse Fanatismus in den USA für Auswirkungen hat, kann sich wohl jeder denken.

Religion beschränkt sich nämlich nicht auf das Gebet im stillen Kämmerlein oder auf die Heilige Messe in der Kirche, sondern Religion greift sehr intensiv in das nationale und internationale Geschehen mit ein. Kurz, Religion ist ein wichtiger Faktor in der Weltpolitik und sie steht oft genug politisch ziemlich weit rechts (siehe USA).

Alles Liebe. Gerrit
 
Hallo

Gestern habe ich eine etwas ältere Ausgabe der Zeitschrift Stern gelesen. Sie war wohl schon einige Wochen alt. Es ging in dem Bericht um die Unterdrückung der Frauen im heutigen Afghanistan.

Männer haben das Recht ihre Frauen jederzeit zu züchtigen. Und davon wird auch reichlich Gebrauch gemacht. Mädchen haben zwar das recht zur Schule zu gehen, Frauen aber dürfen nicht allein das Haus verlassen.

Also sind sie tagein, tagaus zu Hause eingesperrt. Sie dürfen keinen Beruf ausüben, sie dürfen sich nicht mit ihren Freundinnen treffen. Alles was sie dürfen, ist Hausfrau, Mutter, Ehefrau sein.

Viele Frauen, vor allem jüngere, sind darüber so verzweifelt, dass die über Suizid nachdenken und sich selbst verbrennen. Vielen gelingt die Selbstverbrennung allerdings nicht und es beginnt ein jahrelanges Martyrium.

Auch das ist die Folge der Religion. In diesem Falle der islamischen Religion.

Ihr könnt den Artikel hier nachlesen.

Alles Liebe. Gerrit
 
Es ist eine Wonne, mal wieder einen Thread in alter Forum-Manier zu lesen. Aufschlussreich, vielfältig, mit Tiefgang. Das habe ich in diesem Forum schon vermisst :) Nichts fehlt, die Verständnisvollen, die Mit-Talker, die Fanatiker ("wehe den Pharisäern und Schriftgelehrten...", sag da nicht nur ich bloss) und Besserwisser, die Unverständigen, die Liebevollen...alles vorhanden, danke :)

@Ritamaria,

Schöne, lehrreiche Reflektionen, die Du uns da hinterlässt, auch danke.

Meine persönliche Meinung: Wir sind hier in der Dimension der Polarität, die Dimension der Gespaltenheit, dem Nicht-Eins; nämlich die Dimension der Zwei. Auf dieser Ebene sind wir abgetrennt. Auf höherer Ebene sind wir allerdings immer noch eins, aber diese höhrere Ebene leben wir hier nicht. Diese Gespaltenheit unsere Dimension entspricht dem Wort "Sünde", was ja eigentlich Abspaltung bedeutet, soviel ich weiss.

Die Dimension der Polarität ist immens wichtig. Sie ermöglicht uns das Lernen, Erkennen und Betrachten, indem aus Eins die Zwei wird, d.h. indem sich die Eins etwas gegenüberstellt und so zur Zwei wird. Polarität. Ohne dies wäre kein Erkennen möglich, und somit auch keine Entwicklung. Was nützt es dem Bewusstsein, wenn es sich seiner selbst nicht bewusst werden kann. Ohne Reflektion passiert gar nichts.


lg
Christian
 
Lotusz schrieb:
...Fanatismus ist immer die Folge von Religionen...Religion ist in meinen Augen immer mit Fanatismus gleichzusetzen. Es ist nur die Frage, wie stark dieser Fanatismus ausgeprägt ist. Was aber z.B. der religiöse Fanatismus in den USA für Auswirkungen hat, kann sich wohl jeder denken...

Hallo Lotusz,

Bei solchen Absolutsätzen werde ich sehr hellhörig. Es ist schade, wenn komplexe Kausalzusammenhänge auf einen gesetzähnlichen, populistischen Pauschalsatz kaputtreduziert werden. Ich muss Dir widersprechen! Vermutlich hast Du nicht besonders lange über diesen Satz nachgedacht, sonst müsstest Du Dir eingestehen, dass Fanatismus ein Phänomen ist, das auftauchen kann, wenn mindestens drei Faktoren zusammenkommen. Ein Deutliches Machtgefälle gekoppelt mit einem frappierenden Bildungsmangel Derjenigen, die sich freiwillig, aus Unwissenheit oder gezwungen dieser Macht beugen und als Drittes eine Gruppe, die man als ideologisches Gegenüber und als Korrektiv zur eigenen Überzeugung anfeinden kann. Der Boden auf dem dieses Phänomen wachsen und blühen könnte, kann die Religion sein, es kann ein politisches System sein, es kann eine andere irgendwie geartete Gruppierung sein. Die Religionen haben kein ausschließliches Monopol auf Fanatismus. Wenn Du möchtest, mache ich mir die Mühe, Dir einige nichtreligiöse Beispiele aus der Geschichte heraus zu suchen. Glaubst Du ernsthaft, dass die wahre Triebfeder der Kriege und Konflikte unserer Zeit die Religionen sind? Glaubst Du ernsthaft, Dass Bush ein tiefer Glaube an einen lebendigen Gott dazu treibt, einem schutzlosen und völlig unterlegenen Volk die Lebensgrundlage unter den Füssen wegzubomben? Die konfessionsgebundenen Wähler waren bei den jüngsten Wahlen in den USA noch weit vor den Waffenlobbyisten die größte und mächtigste Wählergruppe. Bush wusste das, Bush ist in erster Linie eine Marke, die verkauft werden will und sich an den leider oft sehr naiven Bedürfnissen der Wähler orientiert. Diese wusste Bush bestens zu bedienen, das hatte mit Religion nichts zu tun. Und Bush macht es nicht, weil er ein sonderbares, mystisches Kribbeln beim Beten spürt und ihm eine Stimme eingibt, was er tun und lassen soll. Der Mann scheffelt so viel Geld, das mir schlecht wird und geht dabei über Leichen. Der Mann hat Macht, wie evtl. nur noch die kommunistische Partei Chinas. Arafat hatte über 600.000.000 Euro auf Schweizer Nummernkonten gebunkert, wären sein Volk ausblutet. Glaubst Du ernsthaft, dass Arafats Antrieb sein tiefer Glaube war, möglichst viel Geld beiseite zu schaffen. Das Geld, dass aus islamisch, terroristischen Quellen kommt, wir laut UNO auf 12% der weltweiten Bruttosozialproduktes geschätzt. Weder die USA noch die EU noch irgendeine andere Macht ist interessier daran, dieses Geld wirklich einzufrieren; das bedeutete den Zusammenbruch der Weltwirtschaft auf Jahre. Glaub mir, das hat alles nichts mit Glaube und Religion zu tun. Das sind die Triebfedern der Kriege und Konflikte. Und Unbildung sind ihre besten Waffen. Die Religionen werden instrumentalisiert, richtig und richtig ist auch, dass sie sich hervorragen dazu eigenen. Auch meine Kirche hat sich vielfach instrumentalisieren lassen. Ich wäre dankbar, wenn meine Kirchen dies auch aktiv aufarbeiten würde und Mut hätte, um Verzeihung zu bitten. Ich schließe daraus aber keine Notwendigkeit, gegen die Religionen vorzugehen sondern die Bildung anzukurbeln, um die Dummheit in dieser Welt auszurotten und den allzu irdisch motivierten Macht- und Geldhungrigen dieser Welt ihren perversen Spielplatz zu nehmen.

Didimus
 
Hallo Didismus

Glaubst Du, dass Bush ein tiefer Glaube an einen lebendigen Gott dazu treibt, einem schutzlosen und völlig unterlegenen Volk die Lebensgrundlage unter den Füssen wegzubomben?

Jawohl, das glaube ich. George Bush ist ein ehemaliger Alkoholiker, der durch den Glauben wieder ins normale Leben zurückfand. Nach einer Reihe von Demütigungen, die ihm das Gefühl gaben, ein Versager zu sein, begann er mit dem schweren Trinken: Bier, Bourbon on the rocks, Wein. Das ging so bis zum 27. Juli 1986, als er mit Freunden und vielen Getränken seinen 40. Geburtstag nachfeierte.

Am Tag darauf hatte er einen schweren Kater und nahm sich vor, von jetzt an trocken zu bleiben. Seine Frau Laura sagte, er habe diesen Vorsatz ein Jahr lang gewälzt, doch es gab immer wieder Rückfälle. Als er am Ende einer wochenlangen Sauftour aufwachte und in den Spiegel sah, entdeckte er sein mit Erbrochenem verschmiertes Gesicht. Er fiel auf die Knie und bat um Gottes Hilfe.

Zur Rehabilitation trugen offenbar therapeutische Seelenerforschungen mit Billy Graham bei, dem großen Star der protestantischen Erweckungsbewegung, der in vielen Ländern die Säle füllte. Der charismatische Prediger kam öfter auf den Landsitz der Bush, um mit der Familie Bush und Freunden zu beten und Gespräche über Gott und die Welt zu führen. Bush Junior nahm offenbar erst lustlos, dann aber mit wachsendem Interesse teil. Graham habe, meinte er später, "ein Senfkorn in mein Herz gepflanzt, und ich fing an, mich zu ändern".

Die Entscheidung, vom Alkohol zu lassen, war wahrscheinlich seine erste eigene von einiger Tragweite. Anscheinend traute er sich jedoch selbst so wenig zu, dass er nicht glaubte, die Kehrtwende aus eigenem Antrieb geschafft zu haben, sondern sie einer höheren Macht zu verdanken. Seitdem gehört er zu den rund 60 Millionen Amerikanern, die sich als "wiedergeborene Christen" betrachten und ihrem Gott beständig Dankbarkeit für ihre Läuterung bezeugen. Von Bush ist zudem der Satz überliefert, dass er Jesus als den wichtigsten politischen Philosophen aller Zeiten betrachtet, "weil er mir half, mit dem Trinken aufzuhören".

Für den gewandelten Bush ist Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Dabei scheint er einerseits vom Optimismus beflügelt zu sein, der sich auf die Stärke der amerikanischen Militärmacht verlässt. In diesem Dilemma entscheidet sich Bush fürs Risiko, wo immer es geht. Aus dem geistig abwesenden Präsidenten ist ein entschlossen handelnder Kriegsherr geworden, von seiner Mission überzeugt, die im Glauben wurzelt.

Sein religiöse Überzeugung dominiert auch die Außenpolitik. Für den Krieg gegen den Irak hat die Regierung Bush wechselnde Begründungen gefunden. Zuerst galt es als entscheidend, dass es direkte Drähte zwischen Saddam Hussein und Osama Bin Laden gab was sich jedoch nicht untermauern ließ. Dann stellte sich der Regimewechsel wahlweise als Selbstzweck, als Voraussetzung zur Vernichtung der irakischen Massenvernichtungswaffen, als Sicherung der Ölreserven des Nahen Ostens vor einem amerikafeindlichen Diktator oder als Mittel zur Demokratisierung der gesamten Region dar. Zuletzt argumentierte der Präsident mit dem Menschenrecht der Iraker auf Befreiung von der Tyrannei ehe er zum unbewiesenen Ausgangspunkt zurückkehrte, der Zusammenarbeit Saddams mit Bin Laden.

Das alles sind Auswirkungen einer fanatischen religiösen Lebenseinstellung. Ein Zweck der Religionen ist es immer schon gewesen, die Menschen auf Gott zu fixieren, ihnen also religiöse Scheuklappen zu verpassen, um sie vom politischen Geschehen abzulenken.

Alles Liebe. Gerrit
 
Leider ist es glaube ich so (Sünde = Trennung von Gott)... Die Sünde (die ihren Ursprung in unserem Ego hat) trennt uns von Gott.. Obwohl Gott allgegenwärtig ist und über Raum und Zeit existiert, es gibt da noch etwas wo Gott nicht ist.. Dass es die Hölle gibt, wo wir ewig schmoren müssen, wenn wir Sünde begehen und oder nicht gläubig sind, glaube ich hingegen nicht. Dies ist nur eine Erfindung der Kirche, um die Menschen gefügsam und manipulierbar zu machen.. (über menschen, die keinen eigenen willen haben, sondern nur der kriche folgen, kann sehr viel macht erlangen)...
Jedenfalls gibt es zwei Zustände : Gott und kein Gott, Licht und kein Licht (demnach Dunkelheit), Liebe und keine Liebe (demnach Hass, Ablehnung)...
Ich denke, der einzige Grund, weshalb wir hier auf Erden sind, ist unsere Annäherung an Gott.
Wir haben uns von gott getrennt und müssen nun wieder in Erfahrung bringen, was Gott ist um uns letzten Endes wieder mit ihm zu verbinden (mit Gott Eins zu werden)... deshalb auch die Reinkarnation, weil wir das selber erfahren müssen.. (wissen reicht demnach wohl nicht)..
 
Die Dimension der Polarität ist immens wichtig. Sie ermöglicht uns das Lernen, Erkennen und Betrachten, indem aus Eins die Zwei wird, d.h. indem sich die Eins etwas gegenüberstellt und so zur Zwei wird. Polarität. Ohne dies wäre kein Erkennen möglich, und somit auch keine Entwicklung. Was nützt es dem Bewusstsein, wenn es sich seiner selbst nicht bewusst werden kann. Ohne Reflektion passiert gar nichts.

Christian, dem stimme ich uneingeschränkt zu.
Ich möchte es nur dahingehend ergänzen:

Polarität ist eine Sache der Materie.
Einheit ist eine Sache des Geistes.

Absolutes Leben, bewusstes Leben ist in beidem möglich. Das zeigten uns große Meister wie Jesus oder Buddha. Daher ihr " Folge mir nach - es geht!"

Lieben Gruß von RitaMaria
 
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@Lotusz:
Was du schreibst über Fanatismus und Religion ist einfach zu kurz gedacht. Nicht die Religion führt zu Fanatismus, sondern der Fanatismus führt zu einer fanatisch ausgelegten Religion. Das ist einmal das erste.

Das zweite ist die Unterdrückung der Frau. Die hat in meinen Augen nicht wirklich etwas mit Religion zu tun, sondern mit den patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen. Auch hier bestimmen einmal mehr die Weltsicht der genannten Gesellschaft, wie die Religion interpretiert, ausgelegt und gelebt wird, und nicht so sehr die Religion die Weltsicht. Es gibt unzählige Gegenbeispiele, wo die pro forma gleiche Religion mit völlig unterschiedlichen Weltbildern kombiniert dann eine völlig unterschiedliche Gesellschaftsstruktur ergibt.

Drittens - aber da kenne ich mich leider nicht sehr gut aus - gab es offenbar Zeiten, als durch ein matriarchalisches Weltbild eine Gesellschaft herrschte, in welcher die Männer erstmal sehen mussten, wie sie zu ihren Rechten kommen konnten. Diese Gesellschaften sind aber meist weitaus älter als die später entstandenen patriarchalischen Gesellschaften. Erstere zeichnen sich meist durch eine "grosse Gottmutter" aus, die fast immer die Natur als lebensspendende Kraft verehrte. In dieser Zeit sind nicht selten Tiere Symbole für Götter bzw. die Gottheit. Verständlich, wenn man bedenkt, wie sehr abhängig damals die Menschen noch von den direkt in der Natur vorgefundenen Erzeugnissen waren, und auch verständlich, wenn man bedenkt, dass Männer keine Kinder gebären können, wo doch Nachwuchs für den Erhalt der Gemeinschaft zumindest zu jener Zeit völlig unerlässlich gewesen sein dürfte. Aus jener Zeit sind aber keine bzw. kaum schriftliche Zeugnisse überliefert, da wir uns noch verhältnissmässig früh in der menschlichen Entwicklungsgeschichte befinden.

Die typisch patriarchalischen Gesellschaften entstanden dann erst später, und mit ihr ging ein gewaltiges Beben durch die religiösen und gesellschaftlichen Strukturen. Die typisch patriarchalische Gesellschaft mit Tendenzen zur Arbeitsteilung und Spezialisierung brachte eine Unzahl an Göttern und Gottheiten hervor (eben lauter spezialisierte Götter für ausgewählte Bereiche: finanzielles Glück, Liebe, Tod, Gesundheit, handwerkliche Fähigkeiten usw.), und setzte erstmal den Mann als produzierende Kraft ins Zentrum des öffentlichen Geschehens. Wilber erklärt das so, dass ungefähr in jener Zeitspanne der Umstieg zur Ackerbaugesellschaft vonstatten ging, und ganz einfach weil die Arbeit jetzt sehr viel meh körperliche Kraft (beispielsweise zur Bedienung eines Pfluges) erforderte, war der Mann neu der Frau als Erzeuger der Lebensgrundlage überlegen.

Usw., usf. Später taucht der monotheistische Gott aus den Untiefen der menschlichen Seele hervor, was in der Geschichte von Moses in der Wüste ja auch wieder sehr schön dargestellt wird. So lebte Beispielsweise noch Abraham in einer Zeit der Vielgötterei. Nicht wenige Relgionen kannten diese Art des Übergangs von vielen Göttern, wo dann erst einmal einer der Götter quasi Hauptgott wurde, und später dann die restlichen Götter ganz verbannt wurden und nicht mehr angebetet werden durften. Auch der jüdische Gott ist, so viel mir bekannt ist, aus einer der unzähligen früheren Gottheiten hervorgegangen.
Interessanterweise tauchen just in jener Zeit die ersten grossen Weisen auf, die nicht selten gar eine tendentiell agnostische Haltung einnahmen: Buddha, Jesus, Zarathustra, Konfuzius, Sokrates u.a.

Ich habe das jetzt nur aus dem Gedächtnis aufgeführt, möglicherweise habe ich auch dabei Dinge vermischt. Es lohnt sich, das nachzulesen (bei Wilber oder anderswo), und zwar ganz einfach, weil es sehr viel mehr aussagt, als die standardisierten Sprüche von wegen "unterdrückter Frau", die ja allesamt ihre Richtigkeit haben mögen, aber dennoch allzu oft allzu plakativ daherkommen, um wirklichen Erklärungsgehalt zu besitzen.

Ich halte es für keinen Zufall, dass ausgerechnet "jetzt" (d.h. beginnend ungefähr in der Aufklärungszeit) die Frauenrechtsfrage überhaupt aufgeworfen wurde. Heutzutage ist körperliche Leistungskraft kein Vorteil mehr in unserer differenzierten Arbeitswelt, sondern vorwiegend geistige Leistung. In dieser Hinsicht aber sind Frauen den Männern keineswegs länger unterlegen, und so wird auch gerade in der Zeit der Industrialisierung die Frauenrechtsbewegung plötzlich sehr stark (verglichen mit der Zeit davor - da gab es sie nämlich gar nicht in diesem Sinne).

Und man darf halt nicht die Zeiträume aus den Augen verlieren, die hier spielen. Da können locker mal 1000 Jahre verstreichen, ohne dass sich grundlegend was ändert (und die Christen, die stolz auf 2000 Jahre Christentum verweisen, seien darauf hingewiesen, dass zuvor während mehreren zehntausend Jahren ein Heidentum zelebriert wurde, dass es eine reine Freude gewesen sein muss). In diesem Sinne ist die Einführung die Bemängelung, dass Frauen noch immer weniger Lohn für die gleichen Arbeiten verdienen wie Männer, zwar berechtigt, verliert aber an Bedeutung hinsichtlich der riesigen Zeiträume, mit denen wir es hier zu tun haben. Wenn du also die Unterdrückung der Frau in Afghanistan kritisierst, dann vermutlich völlig zu recht, bloss muss man das auch in einem grössern Kontext betrachten, um zu hilfreichen Erklärungen zu gelangen. Ich halte das - aus einer geschichtlichen Perspektive - für eine kurze Übergangszeit. Die Taliban werden sich auf lange Zeit selbst ins Aus manövrieren, wie die Geschichte es immer wieder gezeigt hat.
Natürlich, das ist mir auch klar, ändert das nichts am dringenden Handlungsbedarf. Auch ich finde, dass man Brutalität nicht einfach zu akzeptieren braucht, erst recht nicht in einer Welt, wo Journalisten innert Tagen um den halben Globus reisen können.
 
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