Serenade
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- 18. März 2007
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Die Betten wären neu zu überziehen. Obwohl die alten noch nass an der Wäscheleine hängen. Der Blick nach oben. Zum Haus. Seitenaufgänge, links und rechts. In der Mitte die Eingangstür. Am Geländer, direkt vor der Tür, hängt das nasse Leintuch.
Mein Weg führt mich weiter. Runter zum Fluss, wo jemand am Ufer sitzt. Vielleicht ist es ein Fischer und ich kann ihm einen abkaufen. Gebratener Fisch wäre ein gutes Mittagessen. Grüner Salat dazu. Auch nicht schlecht. Eventuell auch Kartoffelsalat mit viel Zwiebel. Würde auch besser passen als grüner Salat.
Ein Mann sitzt am Flussufer. Er sitzt nur da und scheint auf das Wasser zu starren. Vorerst sehe ich ihn nur von hinten. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich. Angst wallt ein wenig auf. Oder ist es doch Neugier? Neugier, wie der Mann wohl aussieht. Das Aussehen bezieht sich vorwiegend auf das Gesicht.
Er sieht mich an. Ich halte die Luft an. Der Mann hat keinen Unterkiefer. Die Zunge, die am Gaumen fest gewachsen ist, hängt über seinen Hals. Es erinnert mich an ein Bild. Das Bild einer Gans, der beim Stopfen der untere Schnabelteil abgebrochen wurde. Ich verachte Gänseleber nicht. Ich verachte die Menschen, die Gänse deswegen stopfen. Eigentlich mag ich Gänseleber auch nicht. Zu fett. Aber ich habe erst einmal eine gekostet. Gekostet! Mehr nicht.
Jetzt sitzt kein Mann am Flussufer. Es ist eine Puppe, die jemand hingesetzt hat. So eine Puppe, wie sie Bauchredner haben. Ihr Unterkiefer hängt lose herab. Manchmal bewegt er sich auf und ab. Es ist der Wind, der den Unterkiefer bewegt.
Ich blicke zurück zum Haus. Es ist zwei Stockwerke hoch. Früher wusste ich, wer alles darin wohnt. Wahrscheinlich sechs Familien. Im Parterre, obwohl es kein Parterre ist, da zehn Stufen rechts und links bis zur Eingangstür hoch gehen, wohnen zwei Parteien. Im ersten Stock wohnen auch zwei Parteien. Ebenso im zweiten Stock. Irgendwie ist mir das Haus fremd. Andererseits scheine ich darin jede Wohnung zu kennen. Nicht nur die Wohnungen, auch die Einrichtungen darin. Die Menschen eher nicht. Man kann Menschen nicht kennen. Man meint nur, sie zu kennen.
Manchmal sehe ich eine Frau bei der Eingangstür heraus kommen. Sie sieht sich unentschlossen um und scheint nicht zu wissen, an welcher Seite sie die Treppen herab nehmen soll. Das macht sie immer. Und manchmal hockt auf ihrer Schulter eine schwarze Katze, mit leuchtend gelben Augen. Die Augen leuchten wirklich. Wie zwei kleine Lämpchen. Die Frau sieht mich nicht, weil ich mich stets hinter der großen Linde, die wenige Meter vom Haus entfernt gewachsen ist, verstecke. Obwohl ich glaube, noch nie mit der Frau gesprochen zu haben, fürchte ich das Gespräch mit ihr. Vielleicht hat mir mal jemand gesagt, dass sie viel redet. Sie redet einen ein Loch in den Bauch. Und ein Loch im Bauch möchte ich nicht gerade haben.
Vielleicht ist sie die Frau von dem Mann ohne Unterkiefer. Ich weiß, dass es ihn gibt, auch wenn inzwischen die Puppe am Flussufer hockt. Man sagt, sie habe einen Mann, der nur nachts rausgeht. Irgendetwas ist während des Krieges mit seinem Gesicht passiert. Er schämt sich vor den neugierigen und manchmal auch erschrockenen Blicken der Menschen. Einmal habe ein Kind laut zu weinen begonnen, als es ihn sah. Kinderschreck, - schrie die Mutter des Kindes. Was sie weiter noch schrie, haben sie verschwiegen. Auf jeden Fall sah jemand, wie der Mann weinend nach Hause ging und noch murmelte, dass er einst für das Vaterland gekämpft hat. Das ist dann der Dank dafür. Ich glaube, die Mutter des heulenden Kindes hätte erwidert, dass sie niemandem darum bittet, fürs Vaterland zu kämpfen. Wer würde denn so etwas tun? Und warum heißt es Vaterland? Sie würde garantiert Mutterland sagen. hockt.
In letzter Zeit frage ich mich, ob all das, was ich wahrnehme, wirklich ist. All diese so schnell wandelbaren Sequenzen verwirren mich immer mehr. Eben wollte ich im Schlafzimmer die Betten frisch überziehen, legt sich ein anderes Bild darüber und setzt mich vor das zweistöckige Haus mit dem zweipaarigen Treppenaufgang. Irgendwie fasziniert mich das Haus. Es liegt wohl an der Farbe, an diesem erdigen und doch frisch lebendigen Ocker. Die Fenster sind mit einem hellen Beige umrahmt und die Fensterrahmen haben fast dieselbe Farbe wie die Häuserwand, dieses erdige und doch frisch lebendige Ocker. Das Dach ist fast flach. Es ist dunkelgrau, so weit ich das von hier unten beurteilen kann. Keine Dachziegel. Eternit nennt man es. Glaube ich halt.
An einem dicken Ast der Linde hängt eine Schaukel. Mir wird immer schwindlig, wenn ich darauf schaukle. Obwohl ich es weiß, tu ich es immer wieder. Schaukeln, bis mir schlecht wird und ich zum Flussufer, zu den Büschen laufe und mich dort übergebe.
Rituale sollten nicht übertrieben werden. Sonst werden sie zum Zwang. Und Zwang bringt dich nirgendwohin. Vielleicht in die Klappsmühle, wie man so sagt. Schön sagt man es nicht. Aber man sagt es und alle sagen alles nach. Nachklappern oder nachplappern? Aber das morgendliche Ritual muss durchgeführt werden. Es könnte ja sein, wenn etwas anders gemacht ist, auch der folgende Tag anders gemacht ist. Das festigt alles ein bisschen und kommt einen nicht mehr so unwirklich vor.
Mir kommt der Verdacht, dass dieses Leben ein Vorgeschmack auf das nächste Leben ist. Der Sturm der Ereignisse. Keine Szene bleibt bestehen. Sie verändert sich viel zu schnell in eine andere. Sie, die Szene. Diese Unwirklichkeit!
Und doch sehe ich in allen Wohnungen nach, ob alles beim Alten geblieben ist. Nein! In der Einserwohnung, das ist im Parterre, das keines ist, da man ja links und rechts Stufen hoch zur Eingangstür steigen muss, hat man neue Möbel. Alles neu! Wie konnte ich nur das Raustragen der alten Möbel versäumen? Ich hätte mich gebührend von ihnen verabschiedet. Der alte Glasschrank, der abends immer so schön leuchtet. Wird man ihn nun nie wieder leuchten lassen?
Alles verliert irgendwann einmal sein Leuchten. Zumindest in einer der Welten, von der man sich verabschiedet. Für immer? Es kann schon sein, dass manche zurückkommen. Zurückkommen müssen, weil sie was vermasselt haben. Ist das wirklich so?
Jetzt steht wieder ein Glasschrank an dem Platz, wo der alte gestanden ist. Es ist ein neuer. Er sieht ganz anders aus. Andere Fassade. Anderer Geruch. Aber man gewöhnt sich ja schnell an alles. Auch die Wohnlandschaft ist neu. Dunkler als die alte. Das Helle mochte ich sowieso nicht. Es war einfach zu hell für diese Gegend. Die Katze hätte alles schmutzig gemacht. Man hätte die Spuren der Katzenpfoten auf dem fast weißen Stoff gesehen. Deshalb hat die Frau immer dunkle Decken über geworfen und man sah kaum etwas von der Helligkeit. Der Mann, der sein Gesicht mit einem Geschirrtuch verhüllt hat, streichelt gerade die schwarze Katze mit der rechten Hand, da sie auf seinem linken Arm liegt. Es genügt, wenn ihre Augen leuchten. Es muss nicht heller in dieser Wohnung sein.
Der Balkon geht in Richtung Süden. Fast Süden. Auf jeden Fall hat man im Sommer fast den ganzen Tag südliche Sonne. Erst im Westen wird sie westlich. Der Blick geht auf den Fluss hinunter und auf die gesamte Landschaft in dieser Gegend, die sehr ländlich wirkt. Wiesen, Äcker, Wälder so weit das Auge reicht. Und wenn nicht, nimmt man das Auge raus und wirft es so weit, um die weitere Landschaft zu sehen, die keine mehr ist. Dort, weiter drüben, beginnt die Stadt, diese vermaledeite. Das wird sich noch klären, das Vermaledeite!
Warum konnte ich mich nicht gebührend von den alten Möbeln verabschieden? Kann mir das niemand sagen? Noch einmal darüber streicheln und „lebt wohl“ sagen. Eine Träne für jedes Möbelstück. Es war ja nicht nur der Glaskasten, der abends geleuchtet hat. Es gab auch einen halbhohen Schrank. Er leuchtete nicht, aber er hatte Laden, in denen allerlei Krimskrams lag. Es gab ein Bord, das auch nicht leuchtete, auf dem der Fernsehapparat stand, in dem nur Sport geschaut wurde. Der Sohn ist ein Sportschauer. Er liegt die meiste Zeit auf der Couch und sieht Sportsendungen. Eigentlich müsste er sehr muskulös aussehen. Sportlich eben. Aber er ist dick und schwabbelig. Genauso dick und schwabbelig wie seine Mutter, diese Frau, die so viel redet, dass man ein Loch im Bauch bekommt. Meist erzählt sie von einer neuen Diät, die sie gerade ausprobiert, um abzunehmen.
Jetzt liegt er, der Sohn, wieder auf der Couch und sieht Sportsendungen. Die Beine, die in dunkelbraunen Jogginghosen stecken, hat er überkreuzt. In den Händen, die auf seinem dicken, weißen, nackten Bauch liegen, hält er die Fernbedienung, die ständig „klick“ macht. Er schaltet viel. Von einem Sportsender zum anderen. Auf dem niedrigen Couchtisch steht eine Flasche Bier und ein Aschenbecher, der fast übergeht vor lauter ausgerauchten Zigarettenstummeln. Muss er denn jetzt schon die neuen Möbel voll tschicken? – höre ich die Frau schimpfen. Mehr sagt sie nicht dazu. Es riecht ja noch immer ziemlich frisch in der Wohnung mit den dunkelgelben Wänden, die einst weiß gestrichen waren.
Von der alten Couch hätte ich mich auch verabschiedet. Einmal bin ich auf ihr gesessen und hatte die schwarze Katze auf dem Schoss. Sie schnurrte und sah mich leuchtend an. Der Sohn war damals noch auf der Arbeit. Später haben sie ihn entlassen, weil er Geld aus der Kassa geklaut hat. Wie konnte er nur? Das haben sich alle gefragt. Ja, wie konnte er nur? Ganz einfach, habe ich damals geantwortet. Er machte die Kassa auf, nahm das Geld raus, machte die Kassa zu und verließ das Büro auf zu lauten Sohlen. Wären es leise Sohlen gewesen, hätte man ihn nicht erwischt.
Mein Weg führt mich weiter. Runter zum Fluss, wo jemand am Ufer sitzt. Vielleicht ist es ein Fischer und ich kann ihm einen abkaufen. Gebratener Fisch wäre ein gutes Mittagessen. Grüner Salat dazu. Auch nicht schlecht. Eventuell auch Kartoffelsalat mit viel Zwiebel. Würde auch besser passen als grüner Salat.
Ein Mann sitzt am Flussufer. Er sitzt nur da und scheint auf das Wasser zu starren. Vorerst sehe ich ihn nur von hinten. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich. Angst wallt ein wenig auf. Oder ist es doch Neugier? Neugier, wie der Mann wohl aussieht. Das Aussehen bezieht sich vorwiegend auf das Gesicht.
Er sieht mich an. Ich halte die Luft an. Der Mann hat keinen Unterkiefer. Die Zunge, die am Gaumen fest gewachsen ist, hängt über seinen Hals. Es erinnert mich an ein Bild. Das Bild einer Gans, der beim Stopfen der untere Schnabelteil abgebrochen wurde. Ich verachte Gänseleber nicht. Ich verachte die Menschen, die Gänse deswegen stopfen. Eigentlich mag ich Gänseleber auch nicht. Zu fett. Aber ich habe erst einmal eine gekostet. Gekostet! Mehr nicht.
Jetzt sitzt kein Mann am Flussufer. Es ist eine Puppe, die jemand hingesetzt hat. So eine Puppe, wie sie Bauchredner haben. Ihr Unterkiefer hängt lose herab. Manchmal bewegt er sich auf und ab. Es ist der Wind, der den Unterkiefer bewegt.
Ich blicke zurück zum Haus. Es ist zwei Stockwerke hoch. Früher wusste ich, wer alles darin wohnt. Wahrscheinlich sechs Familien. Im Parterre, obwohl es kein Parterre ist, da zehn Stufen rechts und links bis zur Eingangstür hoch gehen, wohnen zwei Parteien. Im ersten Stock wohnen auch zwei Parteien. Ebenso im zweiten Stock. Irgendwie ist mir das Haus fremd. Andererseits scheine ich darin jede Wohnung zu kennen. Nicht nur die Wohnungen, auch die Einrichtungen darin. Die Menschen eher nicht. Man kann Menschen nicht kennen. Man meint nur, sie zu kennen.
Manchmal sehe ich eine Frau bei der Eingangstür heraus kommen. Sie sieht sich unentschlossen um und scheint nicht zu wissen, an welcher Seite sie die Treppen herab nehmen soll. Das macht sie immer. Und manchmal hockt auf ihrer Schulter eine schwarze Katze, mit leuchtend gelben Augen. Die Augen leuchten wirklich. Wie zwei kleine Lämpchen. Die Frau sieht mich nicht, weil ich mich stets hinter der großen Linde, die wenige Meter vom Haus entfernt gewachsen ist, verstecke. Obwohl ich glaube, noch nie mit der Frau gesprochen zu haben, fürchte ich das Gespräch mit ihr. Vielleicht hat mir mal jemand gesagt, dass sie viel redet. Sie redet einen ein Loch in den Bauch. Und ein Loch im Bauch möchte ich nicht gerade haben.
Vielleicht ist sie die Frau von dem Mann ohne Unterkiefer. Ich weiß, dass es ihn gibt, auch wenn inzwischen die Puppe am Flussufer hockt. Man sagt, sie habe einen Mann, der nur nachts rausgeht. Irgendetwas ist während des Krieges mit seinem Gesicht passiert. Er schämt sich vor den neugierigen und manchmal auch erschrockenen Blicken der Menschen. Einmal habe ein Kind laut zu weinen begonnen, als es ihn sah. Kinderschreck, - schrie die Mutter des Kindes. Was sie weiter noch schrie, haben sie verschwiegen. Auf jeden Fall sah jemand, wie der Mann weinend nach Hause ging und noch murmelte, dass er einst für das Vaterland gekämpft hat. Das ist dann der Dank dafür. Ich glaube, die Mutter des heulenden Kindes hätte erwidert, dass sie niemandem darum bittet, fürs Vaterland zu kämpfen. Wer würde denn so etwas tun? Und warum heißt es Vaterland? Sie würde garantiert Mutterland sagen. hockt.
In letzter Zeit frage ich mich, ob all das, was ich wahrnehme, wirklich ist. All diese so schnell wandelbaren Sequenzen verwirren mich immer mehr. Eben wollte ich im Schlafzimmer die Betten frisch überziehen, legt sich ein anderes Bild darüber und setzt mich vor das zweistöckige Haus mit dem zweipaarigen Treppenaufgang. Irgendwie fasziniert mich das Haus. Es liegt wohl an der Farbe, an diesem erdigen und doch frisch lebendigen Ocker. Die Fenster sind mit einem hellen Beige umrahmt und die Fensterrahmen haben fast dieselbe Farbe wie die Häuserwand, dieses erdige und doch frisch lebendige Ocker. Das Dach ist fast flach. Es ist dunkelgrau, so weit ich das von hier unten beurteilen kann. Keine Dachziegel. Eternit nennt man es. Glaube ich halt.
An einem dicken Ast der Linde hängt eine Schaukel. Mir wird immer schwindlig, wenn ich darauf schaukle. Obwohl ich es weiß, tu ich es immer wieder. Schaukeln, bis mir schlecht wird und ich zum Flussufer, zu den Büschen laufe und mich dort übergebe.
Rituale sollten nicht übertrieben werden. Sonst werden sie zum Zwang. Und Zwang bringt dich nirgendwohin. Vielleicht in die Klappsmühle, wie man so sagt. Schön sagt man es nicht. Aber man sagt es und alle sagen alles nach. Nachklappern oder nachplappern? Aber das morgendliche Ritual muss durchgeführt werden. Es könnte ja sein, wenn etwas anders gemacht ist, auch der folgende Tag anders gemacht ist. Das festigt alles ein bisschen und kommt einen nicht mehr so unwirklich vor.
Mir kommt der Verdacht, dass dieses Leben ein Vorgeschmack auf das nächste Leben ist. Der Sturm der Ereignisse. Keine Szene bleibt bestehen. Sie verändert sich viel zu schnell in eine andere. Sie, die Szene. Diese Unwirklichkeit!
Und doch sehe ich in allen Wohnungen nach, ob alles beim Alten geblieben ist. Nein! In der Einserwohnung, das ist im Parterre, das keines ist, da man ja links und rechts Stufen hoch zur Eingangstür steigen muss, hat man neue Möbel. Alles neu! Wie konnte ich nur das Raustragen der alten Möbel versäumen? Ich hätte mich gebührend von ihnen verabschiedet. Der alte Glasschrank, der abends immer so schön leuchtet. Wird man ihn nun nie wieder leuchten lassen?
Alles verliert irgendwann einmal sein Leuchten. Zumindest in einer der Welten, von der man sich verabschiedet. Für immer? Es kann schon sein, dass manche zurückkommen. Zurückkommen müssen, weil sie was vermasselt haben. Ist das wirklich so?
Jetzt steht wieder ein Glasschrank an dem Platz, wo der alte gestanden ist. Es ist ein neuer. Er sieht ganz anders aus. Andere Fassade. Anderer Geruch. Aber man gewöhnt sich ja schnell an alles. Auch die Wohnlandschaft ist neu. Dunkler als die alte. Das Helle mochte ich sowieso nicht. Es war einfach zu hell für diese Gegend. Die Katze hätte alles schmutzig gemacht. Man hätte die Spuren der Katzenpfoten auf dem fast weißen Stoff gesehen. Deshalb hat die Frau immer dunkle Decken über geworfen und man sah kaum etwas von der Helligkeit. Der Mann, der sein Gesicht mit einem Geschirrtuch verhüllt hat, streichelt gerade die schwarze Katze mit der rechten Hand, da sie auf seinem linken Arm liegt. Es genügt, wenn ihre Augen leuchten. Es muss nicht heller in dieser Wohnung sein.
Der Balkon geht in Richtung Süden. Fast Süden. Auf jeden Fall hat man im Sommer fast den ganzen Tag südliche Sonne. Erst im Westen wird sie westlich. Der Blick geht auf den Fluss hinunter und auf die gesamte Landschaft in dieser Gegend, die sehr ländlich wirkt. Wiesen, Äcker, Wälder so weit das Auge reicht. Und wenn nicht, nimmt man das Auge raus und wirft es so weit, um die weitere Landschaft zu sehen, die keine mehr ist. Dort, weiter drüben, beginnt die Stadt, diese vermaledeite. Das wird sich noch klären, das Vermaledeite!
Warum konnte ich mich nicht gebührend von den alten Möbeln verabschieden? Kann mir das niemand sagen? Noch einmal darüber streicheln und „lebt wohl“ sagen. Eine Träne für jedes Möbelstück. Es war ja nicht nur der Glaskasten, der abends geleuchtet hat. Es gab auch einen halbhohen Schrank. Er leuchtete nicht, aber er hatte Laden, in denen allerlei Krimskrams lag. Es gab ein Bord, das auch nicht leuchtete, auf dem der Fernsehapparat stand, in dem nur Sport geschaut wurde. Der Sohn ist ein Sportschauer. Er liegt die meiste Zeit auf der Couch und sieht Sportsendungen. Eigentlich müsste er sehr muskulös aussehen. Sportlich eben. Aber er ist dick und schwabbelig. Genauso dick und schwabbelig wie seine Mutter, diese Frau, die so viel redet, dass man ein Loch im Bauch bekommt. Meist erzählt sie von einer neuen Diät, die sie gerade ausprobiert, um abzunehmen.
Jetzt liegt er, der Sohn, wieder auf der Couch und sieht Sportsendungen. Die Beine, die in dunkelbraunen Jogginghosen stecken, hat er überkreuzt. In den Händen, die auf seinem dicken, weißen, nackten Bauch liegen, hält er die Fernbedienung, die ständig „klick“ macht. Er schaltet viel. Von einem Sportsender zum anderen. Auf dem niedrigen Couchtisch steht eine Flasche Bier und ein Aschenbecher, der fast übergeht vor lauter ausgerauchten Zigarettenstummeln. Muss er denn jetzt schon die neuen Möbel voll tschicken? – höre ich die Frau schimpfen. Mehr sagt sie nicht dazu. Es riecht ja noch immer ziemlich frisch in der Wohnung mit den dunkelgelben Wänden, die einst weiß gestrichen waren.
Von der alten Couch hätte ich mich auch verabschiedet. Einmal bin ich auf ihr gesessen und hatte die schwarze Katze auf dem Schoss. Sie schnurrte und sah mich leuchtend an. Der Sohn war damals noch auf der Arbeit. Später haben sie ihn entlassen, weil er Geld aus der Kassa geklaut hat. Wie konnte er nur? Das haben sich alle gefragt. Ja, wie konnte er nur? Ganz einfach, habe ich damals geantwortet. Er machte die Kassa auf, nahm das Geld raus, machte die Kassa zu und verließ das Büro auf zu lauten Sohlen. Wären es leise Sohlen gewesen, hätte man ihn nicht erwischt.