Stufen der Aggression

Liebe Katarina,

Ja - jetzt weiß ich, worum es geht. Das ist ja nicht ganz das Thema meines Beitrages, der Dich nachdenklich gemacht hat.

Was mir rätselhaft ist : dass Du in diesem Fall lieber die bewusste Person verlierst, als Deine Therapeutenallergie zu überwinden. Gerade für solche Situationen wurde gerade die Familienaufstellung entwickelt. Da könnte man in relativ kurzer Zeit die Fragen klären, um die seit Jahren Deine Gedanken vergeblich kreisen - und die Dir schon soviel Leid bereitet haben.

Welche Angst hält Dich zurück, das bzw. die Rätsel mit professioneller Hilfe zu lösen ?

Kann es die Angst vor den Konsequenzen sein - zB. bezüglich Deiner Ehe ? Kann es sein, dass die Person gar nicht vor Dir davongelaufen ist, sondern vor Deinem Mann - dass Du in die Zwickmühle kämest, Dich entscheiden zu müssen ? Ist es das Thema "Du darfst es nicht merken" ? (Bist Du von einem familiären Tabu beherrscht, das nicht aufgedeckt werden darf ?)

LG, Reinhard
 
Werbung:
Liebe Katarina!

Ich möchte dazu nur kurz anmerken, dass, wenn mein Töchterl wieder mal absolut nicht mehr spricht (ich habs vorhin geschrieben, da muss es gar nicht direkt um mich gehen), dann steckt da auch von ihrer Seite her sehr viel Schmerz dahinter.

Da fühlt sie sich ungerecht behandelt und das Schweigen ist dann ihre Art, dies auszudrücken. Das ist Protest. Und auch die Angst, im Gespräch "verlieren" zu müssen, weil die Erwachsenen oder die größeren Schwestern schon besser argumentieren können - Stichwort Psychokram.

Und aus dieser "unterlegenen" Position heraus ist es in ihren Augen effektiver, zu schweigen, da ist sie dann "stark".

Liebe Grüße
Reinfriede
 
Ruhepol schrieb:
Es gibt Unmengen von Ehepartnern oder Eltern, für die das eine Form von Bestrafung ist, die tagelang nicht mit den Menschen, von denen sie geliebt werden, sprechen, nur weil ihnen irgendwas gegen den Strich geht. Das ist unmenschlich, das ist die übelste Art Macht auszuüben, die ich mir vorstellen kann, auch wenn mir bewusst ist, dass solche Menschen selbst ein massives Persönlichkeitsproblem haben.


Yep, so ist es.... mein eigener Vater hat oft so gegen meine Mutter gehandelt. Sie hat sehr darunter gelitten, die gute Seele..... Mit mir hat er dieses Spielchen nicht gespielt. Erstens, weil er wohl ahnte, daß ich dafür auch das falsche Kind war und zweitens, weil er mich wirklich geliebt hat; auf seine Weise....
Und so kam es, daß ich anfing den "Beschützer" meiner Mutter zu spielen. Sie konnte sich nicht verteidigen, war wehrlos.....

Mich macht es immer sprachlos, wenn ich sehe, daß Leute sich diese "Behandlung" gefallen lassen. Warum drehen sie sich nicht um und gehen? Mir fällt in diesem Zusammenhang gerade der Spruch des Esels aus dem Märchen die "Bremer Stadtmusikanten" ein: "Zieh lieber mit uns fort - etwas besseres als den Tod findest zu überall".

In diesem Sinne


Lieben Gruß
Urajup
 
Reinhard hat Recht, ich wollte eigentlich ursprünglich in eine andere Richtung bei diesem Thema. Mich hatte die Aussage, Ignorieren sei die schlimmste Stufe der Aggression in dem Zusammenhang "arme Nähe und reiche Distanz" so nachdenklich gemacht.
Tatsächlich geben reiche Menschen ja viel Geld aus, um nicht zu sehr mit der Masse in Berührung zu kommen, - einsame Privatstrände, abgeschottete Villen, eigene Etagen bei Hotelreservierungen etc. etc. und sicherlich kann man sich in reichen Familien auch Distanz zu seinen Familienmitgliedern erkaufen. Mir war nur nicht klar, - und das bezog sich auf Reinhard`s Ursprungsbeitrag -, wieso das "schlechter " sein soll als die "arme Enge", in der es zu explosiven Entladungen kommen kann (so hatte ich Reinhard`s Beitrag verstanden).
Ich persönlich würde mir eventuell mit mehr Geld auch mehr Freiraum "im Außen" erkaufen, so dass sich bei dem spannenden Distanz-Nähe-Spiel leichter die Mitte finden läßt. Ich finde es prima, wenn man sich zeitweise aus dem Weg gehen kann und sich nur dann sieht, wenn wirklich ein entsprechendes Bedürfnis dazu besteht und nicht, weil es automatisierte Routine geworden ist.

Was nun das hier thematisierte "Ignorieren" betrifft, bin ich ja völlig mit Euch dàccord, dass das sehr sehr unangenehm ist. Ich kann mich noch sehr gut an meine Jugend erinnern, wo meine Mutter - in ihrer absoluten Überforderung mit mir - wochenlang kein Wort mir mir gesprochen hat. Gott, habe ich mich da einsam und ungeliebt gefühlt. Aber wäre es mir wirklich lieber gewesen, sie hätte mir regelmäßig Ohrfeigen verpasst? Weil ich mich dann wenigstens noch gespürt oder Zuwendung in Form von Ablehnung gespürt hätte? Ich weiß es nicht. Das sind diese eigentlich völlig überflüssigen "hätte, wäre - Fragen".
Wenn ich heute jemanden anschweige (was sehr selten vorkommt), dann ist das ein Schutzmechanismus. Ich schütze mich vor zu engem und dann eventuell explosivem Kontakt und damit schütze ich auch den anderen. Man kann das natürlich als "grausam" werten, weil es sich eben schlecht, sehr schlecht anfühlt. Aber eigentlich ist jeder, der sich derartig ins Schweigen zurückzieht auch ein armes Wurschtel, den man dringend feste in den Arm nehmen müßte.

Katarina :)
 
Liebe Katarina,

Der Mensch BRAUCHT Beachtung. Das Vernichtendste für ihn ist es, völlig ignoriert zu werden. Das ist in dem Wort "totschweigen" anschaulich wiedergegeben.

Ja, der Mensch braucht ohne Zweifel.

Es gab da ja diesen grauslichen Versuch im Mittelalter, bei dem man feststellen wollte, welche Sprache ein Kind ursprünglich spricht, wenn man es nicht mit einer bestimmten Sprache prägt. Die Ammen durften mit den Säuglingen nicht reden - ansonsten wurden sie vollstädig ernährt und versorgt. Die Säuglinge sind alle gestorben. (Wenn ich den Bericht richtig in Erinnerung habe.)

Dieser *Versuch* ist mir auch bekannt, Säuglinge sterben sicher auch physisch dabei.

Wenn ich jemanden nicht mehr beachte, töte ich ihn in einer gewissen Form tatsächlich - nämlich in meiner Welt. In meiner Welt ist er gestorben.

LG, Reinhard

PS.: Es gibt Skalen mit der schädlichen Wirkung von Aggressionen. Ignorieren und konsequentes Schweigen (Kontakt verweigern) war da die oberste Stufe.

Richtig, er/es wird getötet. Bewusst oder nicht bewusst.

Da fällt mir noch eine Frage dazu ein:

Braucht Gott auch ? Oder anders ausgedrückt - gibt es eine Essenz, die nicht auf das Brauchen angewiesen ist ?
 
1. Braucht Gott auch ? Oder anders ausgedrückt - 2. gibt es eine Essenz, die nicht auf das Brauchen angewiesen ist ?
1. Nein
2. Ja

Das ist Wesen und Voraussetzung des "bedingungslosen Liebe". Deswegen ist bei Gott uneingeschränkte Freiheit. Und : dadurch können wir ihn nicht manipulieren.

Etwas und jemand zu brauchen, das ist ein Ergebnis davon, dass man sich von der Göttlichen Fülle trennt. Dadurch wird man bedürftig.

LG, Reinhard
 
Liebe Katarina,

Aber wäre es mir wirklich lieber gewesen, sie hätte mir regelmäßig Ohrfeigen verpasst? Weil ich mich dann wenigstens noch gespürt oder Zuwendung in Form von Ablehnung gespürt hätte?
Ich denke die Frage ist so nicht richtig. Beides ist falsch und schädlich, man kann nicht sagen Ohrfeige ist dann doch besser als Ignoranz.

Nur wenn man das Thema versucht mit Abstand und einigermaßen sachlich anzugehen, was ich getan habe, weil ich nicht wusste, dass da schon in einem anderen Thread was Konkretes thematisiert war, dann möchte ich sagen, dass Ignorieren schlimmere Folgen für die Seele des „Opfers“ hat, als die Ohrfeige.
Wenn ich heute jemanden anschweige (was sehr selten vorkommt), dann ist das ein Schutzmechanismus. Ich schütze mich vor zu engem und dann eventuell explosivem Kontakt und damit schütze ich auch den anderen. Man kann das natürlich als "grausam" werten, weil es sich eben schlecht, sehr schlecht anfühlt
Das erstaunt mich total, zumal du ja auch schreibst:
Ich kann mich noch sehr gut an meine Jugend erinnern, wo meine Mutter - in ihrer absoluten Überforderung mit mir - wochenlang kein Wort mir mir gesprochen hat. Gott, habe ich mich da einsam und ungeliebt gefühlt.
Ich denke kein explosiver Kontakt kann so zerstörerisch sein wie Ignoranz. Du schützt keinen anderen damit, da machst du dir was vor.
Aber mich erstaunt am meisten, dass du genau das, worunter du selbst so sehr gelitten hast, und wovon du weißt, wie es sich anfühlt, an andere weiter gibst.

Liebe Grüße
Ruhepol
 
Hallo zusammen! :)

Was soll falsch daran sein sich aus dem Weg zu gehen, wenn man sich nicht mehr versteht? Das ist doch allemal besser als sich ständig zu streiten, oder?

Wenn Eltern ihre heranwachsenden Kinder durch ihre verschiedenen, teils perfiden, Möglichkeiten Macht auszunutzen missbrauchen, dann müssen sie sich später nicht wundern, wenn ihnen die erwachsenen Kinder die "kalte Schulter" zeigen... Leider kann man sich zwar die Freunde, aber nicht die eigene Familie aussuchen!

Sich aus dem Weg zu gehen ist dann immer noch besser, als Mord und Totschlag oder schwere körperliche Gewalt anzuwenden. Körperliche Gewalt hinterlässt immer auch einen seelischen Schaden und zwar bei allen Beteiligten im sozialen Umfeld.

Liebe Grüße :kiss4:
Toffifee
 
Liebe(r) Ruhepool,

Ich denke kein explosiver Kontakt kann so zerstörerisch sein wie Ignoranz. Du schützt keinen anderen damit, da machst du dir was vor.
Aber mich erstaunt am meisten, dass du genau das, worunter du selbst so sehr gelitten hast, und wovon du weißt, wie es sich anfühlt, an andere weiter gibst.

Ich habe geschrieben, dass es sehr selten vorkam und vorkommt. Es ist sozusagen mein letzter Schutzmechanismus. Insofern stimmt das schon mit der höchsten Stufe der Aggression. Hochgradige Aggression ist ja auch Ausdruck eines hochgradigen Schutzbedürfnisses.
Und natürlich gehe ich da in dem Moment nicht bewußt heran "Ich schütze dich und mich auf diese Weise", genauso wenig wie ein zuschlagender Vater sich nicht bewußt macht, dass er sich auf diese Weise selber schützt. Das Ding ist - wie alles im Leben - facettenreich. Ich mache mir halt immer so nach und nach die einzelnen Facetten bewußt.

Andererseits, ich bin nicht der Typ der Ohrfeigen verteilt, weil die - wenigen - Ohrfeigen, die ich von meinem Vater bekommen habe, die brennen mir heute noch im Gesicht und das würde ich nun wirklich nicht weitergeben. Da ziehe ich mich lieber zurück.

Also wenn ich heute die väterliche aggressiv aktive Gewalt der mütterlichen passiven "Rückzugsgewalt" gegenüberstelle, so kann ich nicht sagen, dass das Eine besser zu ertragen wäre als das andere. Als Frau liegt mir aber heute mehr der Rückzug/die passive Seite als die aktive Herangehensweise.
Allerdings kann es sein, dass wir da ein bißchen aneinander vorbeireden. Meinst Du dauerhaftes eisiges Schweigen, auch auf Kontaktversuche eines anderen hin? Das in der Tat ist gar nicht mein Ding. Da bin ich - bis heute - immer nur in der "Opferrolle". Deswegen ja mein Interesse für die "reiche Distanz". Wenn man sich nämlich derart distanzieren kann, dann muß man mit der Kälte nicht unter einem Dach leben. Und da uns ja nur die Kälte von nahestehenden Personen zu schaffen macht, haben wir mit solchen Personen je meistens viele Berührungspunkte und/oder leben eng zusammen. Und da sind wir wieder am Ausgangspunkt. Ja, ich schätze die Freiheit zur Distanz und ich schätze es auch, von dieser Freiheit ausgiebig Gebrauch zu machen. Damit dann wird Nähe zu einem echten Geschenk. Aber das hat mit "Ignorieren als Aggression" eigentlich nichts zu tun, sondern bringt einfach zum Ausdruck, dass man gut mit sich selbst sein kann. Und nur wer wirklich sich selbst genügt, projiziert nicht seine Bedürfnisse in andere - mit all den bekannten Folgen.

Katarina :)
 
Werbung:
Allerdings kann es sein, dass wir da ein bißchen aneinander vorbeireden. Meinst Du dauerhaftes eisiges Schweigen, auch auf Kontaktversuche eines anderen hin? Das in der Tat ist gar nicht mein Ding. Da bin ich - bis heute - immer nur in der "Opferrolle".

Ja, ich glaube auch, dass wir aneinander vorbei reden *lach*. Distanz war bisher überhaupt nicht mein Thema in diesem Thread, und hat auch nichts mit Aggression zu tun. Distanz ist manchmal einfach notwenig um zu sich selbst zu kommen, bzw. sich selbst zu schützen.

Ja, ich spreche von dem „dauerhaften, eisigen Schweigen, auch auf Kontaktversuche eines anderen hin“, für mich gings halt bisher um die Stufen der Aggression, hatte das Thema einfach so verstanden wie es übertitelt ist und wusste nicht, dass es da um ganz konkrete Situationen geht, die schon vorab in einem anderen Thread diskutiert wurden.

Liebe Grüße
Ruhepol
 
Zurück
Oben