Hallo Achilleus,
Ich kenne niemanden in meinem Studiengang, der nicht lernen müsste. Jeder ist gezwungen dazu, etwas für sein Erfolg zu tun.
...richtig. Ich bezog mich allerdings eher auf die Schulstreber. Auch in meinem Studiengang ist es kaum möglich, Erfolge zu erzielen, ohne dafür wenigstens ab und zu das eine oder andere Büchlein zu studieren.
Doch lassen wir mal die dummen Studenten aussen vor und kümmern uns nur um die schlauen. Diese lassen sich sehr wohl noch nach obigem Muster kategorisieren:
1. Die Streber (meine ich nicht negativ)
2. Die Talente
Lernen müssen sie alle - das ist klar. Besonders gut lässt sich meine "Katalog"-Theorie an den Professoren testen: Wir haben da z.B. einen, den ich als - leider - typischen (oder zumindest häufigen) Fall deutscher Professorenschaft bezeichnen würde. Stellt man diesem eine Frage, auf die er nicht gefasst war, dann entfleucht jegliche Professoren-Selbstsicherheit; als Antwort kommt dann üblicherweise folgendes Gestammel:
"Wie? Na, das ist doch... Ach so... Moment mal... Hmmm... Moment... Aahhh, ja, ja, ja... Das müsste so sein... ja, genau, seh'n Sie mal... Ach so, nein, hmmm... doch nicht... Nee... Weiß ich jetzt nicht... müsste ich nochmal nachsehen."
Beim - sehr viel seltener anzutreffenden - talentierten Professor hingegen läuft es so ab:
"Das weiß ich gar nicht. Aber das sollte man rausfinden können, nicht wahr? Lassen Sie es uns doch folgendermaßen machen:" {nach zwei vollgekritzelten Tafeln intuitiver Rechnung} "Tatsächlich... das wusste ich noch gar nicht. Also daher kommt der Peak in Ihren Messergebnissen. Haben wir das also geklärt. Sehr interessant. Vielen Dank für die Frage."
Diese Beobachtungen lassen sich unmittelbar auf Studenten übertragen.
Ich frage mich, warum das in unseren Breitengraden der Fall ist. Asiatische Studenten sind das krasse Gegenteil von uns Europäern, nämlich extrem fleissig. Die kennen fast nichts anderes, als für die Schule zu büffeln.
...ich komme drauf zurück.
Schon mal etwas von individuellen Lerntypen gehört?
...ja.
Wieso sollte jemand, der etwas schneller aufnimmt, intelligenter sein?
...naja - ich würde sagen, weil dies mehr oder weniger der "Definition" von Intelligenz entspricht.
Im Grunde genommen sind wir doch alle gleich gestrickt.
...das sehe ich nun vollkommen anders. Nach meinem Dafürhalten sorgen sowohl genetische Veranlagung, als auch die jeweils einzigartige Sozialisation, dass wir alles andere als gleich gestrickt sind.
Um nun obige Frage nochmal aufzugreifen, folgendes Zitat:
SchwarzerLotus schrieb:
Genauso sehe ich das auch. Als ich z.B.: In der Berufsschule war, gab es auch einen Streber und mich. Er lernt von der früh bis zum Bettgehen und ich nur das allernötigste. Gut er hat nur 1 und ich komme gerade so durch, aber warum mehr? Ich amüsiere mich die restliche Zeit lieber!
Pro Tag gingen mindestens 3 Bier bei mir runter, bei ihm das was wir in der Schule gemacht haben.
Das einzige mal, wo er mit uns fortgegangen ist war beim abrüsten.
Naja und da trank er ganze 2 Bier....
Natürlich wird er nicht von uns gemobbt (naja zumindest meistens).
Aber dennoch sehe ich schon so in etwa die Zukunft für ihn: Studieren, irgend ein Chef werden, der total unbeliebt ist. Mit 30 so aussehen wie mit 60 und in der Pension zurückdenken und sich fragen warum er damals nicht bei unserem Blödsinn mitgemacht hat.
...nimm's mir nicht übel SchwarzLotus, aber damit bestätigst Du recht deutlich das, was ich eingangs schrieb. Du selbst fühlst Dich (unbewusst) genetisch überlegen - oder doch mindestens gleich stark. Daher konstruierst Du hier irgendwelche Sachverhalte, die letztlich lediglich Ausdruck des Eingeständnisses sind, im vorliegenden Fall in puncto "Auslese" möglicherweise den kürzeren gezogen zu haben. --> (unbewusster) Selektions-Wettstreit.
In Asien kommt solches Denken nicht so zum tragen, da dort ein Pflichtbewusstsein vorwiegt, wie es bei uns höchstens noch die Generation unserer Groß- und Urgroßeltern kannte. Meine These dazu: überbordender Wohlstand in Verbindung mit falsch verstandenem Individualismus zerstört alles Pflichtbewusstsein. Nehmen wir Japan: auch die schwimmen da im Geld. Der Unterschied besteht in der - historisch begründeten - Wichtung von Kollektiv <--> Individuum. Dort gilt es als ganz besonders unschön, aus der Reihe zu tanzen: Alle lernen, also lerne auch ich. Punkt.
Sehen wir uns dagegen den Westen an: es ist fast zur Krankheit geworden, immer möglichst "individuell" sein zu müssen. Da nennen dann irgendwelche völlig durchgeknallten Nichtskönner ihre Kinder beispielsweise "Brooklyn" - einzig, um nicht "normal" sein zu müssen. Manche Leute suchen sich "Hobbies", die so bescheuert sind, dass man nur eine plausible Begründung dafür findet: unbedingt individuell sein "müssen". Man will sich keinesfalls irgendwem anpassen oder gar unterwerfen. Mehr noch: man will etwas Besonderes sein. Das ist freilich oftmals an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Aber sei's drum - Hauptsache nicht normal.
Die Anfänge nahm das ganze - so denke ich - im Wirtschaftswunder. Materiell abgesichert war es plötzlich möglich, "Stärke" nicht durch gute Leistungen zu demonstrieren, sondern genau dadurch, dass man darauf pfeift: "Boah.. der is ja cool... der lässt sich vom Lehrer/ Polizisten/ Rentner nix sagen..." Das macht natürlich Eindruck. Und es ist ja, evolutionär gesehen, tatsächlich ein beinahe unschlagbares Erfolgsrezept - zumindest kurzfristig betrachtet: schließlich erlangt man eine Attraktivität (zwecks Fortpflanzung), wie sie sonst kaum einer der Geschlechtsgenossen aufzubieten hat, und dies bei einem sehr geringen Aufwand.
Parade-Beispiele dafür dürften die ersten Rock- und Moviestars gewesen sein, deren zweifelhaftes Vorbild nach und nach Schule machte.
Wozu schon in der Schule die angeblich schönste Zeit des Lebens für's Lernen opfern, wenn man doch stattdessen "cool" sein kann - saufen, rauchen, dumme Sprüche klopfen und eben so richtig "unkonventionell" sein. Der jugendliche Pöbel übernahm die mehr oder weniger animalischen Verhaltensmuster der nicht weniger pöbelhaften Deans.
Dummerweise merkten all diese ganz besonders "unkonventionellen" Halbstarken über die Jahrzehnte nicht, dass sie keineswegs mehr unkonventionell waren. Ganz im Gegenteil: das flatterhafte Müßiggängerleben wurde nach und nach ein wohlstandsgeprägtes Massenphänomen. Plötzlich waren die - einstmals tonangebenden - Streber in der Minderheit. Da ein solches Streberdasein allerdings mit reichlich Mühen verbunden ist, hielt sich seine Attraktivität stets in Grenzen - Nachahmer fand diese Modell im Gegensatz zum Dean'schen kaum. Stattdessen begnügte man sich mit Hänseleien und Herabwürdigungen im Stile von SchwarzLotus.
Doch das dürfte sich nun langsam aber sicher ändern...
Eine indirekte Bestätigung für diese These erfahre ich wiederum aus der aktuellen Diskussion um's deutsche Schulsystem. Plötzlich fangen die Menschen wieder an, in Bildung einen echten Wert zu sehen - einen Wert, der über das weitere Leben des eigenen Kindes in einer immer turbulenteren Welt maßgeblich mit eintscheidet. Immer lächerlicher wirken irgendwelche Schauspieler, die noch krampfhaft einen Gegensatz zwischen "Herz" und "Verstand" meinen herstellen zu müssen. Die wirtschaftliche "Not" wird wieder ein gesünderes Maß an Pflichtbewusstsein hervor bringen, davon bin ich überzeugt.
LG