Die Idee von Trixi klingt zunächst einmal spektakulär, weil wir gewohnt sind, das Gehirn als den Sitz von Geist, Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Charakter usw. zu sehen.
Wer ist denn das gewohnt?
Kurzer Einwurf vorab: wir sollten sprachlich ein Selbstbewusstsein von einem Ich-Bewusstsein unterscheiden. Selbstbewusstsein wird als menschliche psychische Eigenschaft beschrieben. Ich-Bewusstsein dagegen ist eine kognitive Fähigkeit, also eine geistige Fähigkeit.
Wer nun meint verstanden zu haben, daß sowohl das Ich- als auch Selbstbewusstsein im Gehirn entstehen, der hat möglicherweise an all dem vorbeigelesen, das er gelesen hat.
Es steht doch wohl vollkommen außer Frage, daß in meiner Hand mein Bewusstsein wohnt. Es kann also nicht nur im Gehirn wohnen, das ist dann einfach logisch nicht mehr denkbar, wenn ich eine Hand habe, die zu meinem Bewusstsein gehört. Das Bewusstsein kann dann nicht an einer Stelle im Gehirn entstehen.
Das Nervensystem ist aus deskriptiven Gründen in zentrales und in peripheres Nervensystem unterteilt, und in Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm, Verlängertes Rückenmark, Rückenmark, peripheren Nerv. All das ist Eins. Ein Ding, das Nervensystem. Es hat zusammen eine Funktion und kann nur zusammen funktionieren und leben. Es ist in sich eine Ganzheit, die Ich-Bewusstsein generiert. Also ein Individuum, das sich wahrnimmt. (ob nur beim Mensch oder auch beim Tier, das ist mir jetzt mal wurscht, weil man das nur erfahren und diskutieren, aber nicht per Versuch wissen kann.)
Dabei ist längst bekannt, daß unsere Organe eine Erinnerung aufweisen. Und zwar alle. Ein Muskel, der bereits weiß, daß er durch Training Masse zulegen kann, wird sich leichter tun, dies ein zweites Mal zu erreichen. Warum? Weil der Muskel an einem Gehirn hängt, das die Muskelfunktion erlernt und eine Erinnerung über das Körpergefühl, -schema und -bild hat, wenn der Muskel trainiert ist. Wird der Muskel das erste Mal trainiert, hat das Gehirn keine Vorstellung davon, daß sich das Körperschema durch Training ändern kann.
Ein Herzmuskel weiß davon, daß er trainiert wird. Er reagiert darauf, bildet es ab durch Wachstum und Verstärkung der Herzkraft. In ihm steckt selbstverständlich und natürlich die Fähigkeit der Erinnerung.
Ein Mensch, der gelernt hat, sich aufrecht zu halten, dessen Körper erinnert ebenso wie sein Gehirn laufend, was eine aufrechte Körperhaltung ist.
Ein Mensch, der einen Schicksalsschlag nicht seelisch verarbeitet, verliert oft die Körperspannung und wird gebeugt. Sein gesamter Körper erinnert dieses Lebensereignis, vom Gehirn bis zum dicken Zeh. Man kann es von aussen sehen, daß es so ist: selbst die Körperhaltung ist ein Erinnerungsspeicher.
Ein Herzmuskel, der einer fremden Person eingepflanzt wird, erinnert die Ernährung und Bewegung seines Vorbesitzers. Es meint, es hänge an einem Gehirn, das die gleichen Erinnerungen habe wie der Herzmuskel. Da das aber so nicht ist, erhält das Gehirn Fehlermeldungen und der Thalamus interpretiert mögliche Indizien dafür, daß das Herz Schuld darain sein könnte, daß man Lust auf McDonalds hat. Aber: das ist nur eine Interpretation. Ich persönlich meine, daß der Gedanke, man erfahre nun Eigenheiten des Vorbesitzers, nur deshalb entsteht, weil dem Gehirn die Kommunikation mit dem gewohnten Herzen fehlt und weil daher das Gehirn sich mögliche Informationen zurechtbastelt. (ich weiß aber nicht, ob die Wahrnehmungen der Empfänger mit den Gewohnheiten der Spender abgeglichen wurden - meist ist so etwas ja anonym und dann erfahren es die Spender nie?)
Ansonsten wird es natürlich - wie denn bitte sonst? - so sein, daß das Gehirn genauso Erinnerungen speichert wie der Körper: durch Gebrauch. Die Sinneseindrücke, für die das Gehirn verwendet wird, prägen die Erinnerung. In Form von Kurzzeit- und Langzeiterinnerung an die Lebensgeschichte.
Wir wissen alle, daß unser Körper kurzzeitige Erinnerung in Nervenspannung erinnert. Wenn wir uns viel behalten müssen, stresst uns das, die Nervenspannung ist erhöht. Ist die Sache dann erledigt, fällt die Erinnerung wieder aus dem Kurzzeitgedächtnis heraus und die Nervenspannung reduziert sich wieder. Wer arbeitet und nicht Beamter ist weiß das.
Bezüglich des Langzeitgedächtnisses des Körpers wissen wir, daß er die Erfahrung der Lebensgeschichte in Körperhaltung, die durch Muskelspannung entsteht, ausdrückt. Und durch die Fähigkeit der Organe zum Arbeiten, was von Training abhängig ist, die nur in der Vergangenheit gelegen haben kann. Selbst unser Geschmacksinn, damit unser Magen und unser Darm erinnern sich daran, wenn wir mit 60 Jahren auf einmal ein Essen aus unserer Kindheit zum ersten Mal wiederessen.
Und ganz genau auf diese Art muß die Speicherung von Information daher wohl auch im Gehirn funktionieren, denn es ist völlig unbiologisch zu denken, daß das Gehirn anders funktioniere als der Körper. Nur ein Gehirn, das funktioniert wie der Rest des Körpers kann den Rest des Körpers in sich abbilden und den Körper zum Funktionieren bringen.
Daher können wir uns getrost an den Gedanken gewöhnen, daß man für das Kurzzeitgedächtnis lediglich neuronale Spannungen in teilweise vorveranlagten und in durch Tätigkeit erworbenen neuronalen Strukturen ablagert. Weil das so ist, können wir auch stets etwas vergessen, wenn wir uns etwas Neues hinzumerken müssen. Oder aber einfach über Nacht, oder auch von Jetzt auf Gleich, falls wir die Organspannung nicht halten, die uns arbeitsfähig macht: lenkt uns etwas völlig ab, dann ist auf einmal das weg, was man sich merken wollte. (Beim Kind sieht man es am besten, das Kind hat noch wenige erworbene Strukturen, die das Verhalten im Alltag regeln könnten und daher sagst Du dem Kind tu es nicht und 2 Minuten später hat es das tatsächlich wieder vergessen.)
Und für das Langzeitgedächtnis werden wir - genauso wie wir es im Körper und im Verhalten haben - Regionen ausmachen, die ebenso wie der Körper Erinnerungen ansammelt. Und zwar neuronal, natürlich, also nicht nur per Spannung.
Hm. Und: man kann (und darf, denke ich) hoffen, daß es noch sehr sehr sehr lange dauern wird, bis der Mensch exakt die Abbildung des Langzeitgedächtnisses im Gehirn entdeckt hat. Denn sobald dies geschieht, entsteht Bedarf nach Manipulation dieses Gedächtnisses - medizinisch sowie aus kriminellen Gründen. Und ich weiß nicht, ob das Beides so gut wäre.
lg